Transatlantische Beziehungen

Trump setzt Standort Deutschland die Pistole auf die Brust

Deutschlands Wirtschaft droht mit neuen US-Zöllen eine Verlängerung der Rezession. Eine Studie des ZEW warnt, dass US-Zölle den Standort noch unattraktiver für Investitionen machen als ohnehin schon. Zudem droht ein Exodus von Unternehmen.

Trump setzt Standort Deutschland die Pistole auf die Brust

Trump setzt Deutschland unter Druck

Studie: Standort wird nach unten durchgereicht – Neue Zölle verschlimmern die Lage – USA locken deutsche Unternehmen

Die deutsche Standort-Tristesse, die sich in hohen Steuern und Energiekosten sowie maroder Infrastruktur und überbordender Bürokratie ausdrückt, wird durch Trumps Zoll- und Ansiedlungsstrategie noch ausgeprägter. Die Attraktivität der USA für die Umsiedlung deutscher Produktion nimmt zu.

lz Frankfurt
Von Stephan Lorz, Frankfurt

Deutschland rutscht immer weiter ab im Standortranking des ZEW, das die Mannheimer Wirtschaftsforscher im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen vorgenommen haben. Inzwischen rangiert der Standort nur noch auf Platz 17 unter den OECD-Staaten. Vor zehn Jahren belegte die deutsche Wirtschaft noch Platz 10. Das ZEW nimmt den Standort diesbezüglich bereits seit 2006 unter die Lupe und führt die schlechte Platzierung vor allem auf die Steuerpolitik, sowie die hohen Arbeitskosten, die schwache Produktivität und dichte Regulierung zurück.

Neu auf Platz eins und zwei haben sich Dänemark und Schweden geschoben. Die beiden Länder setzten seit Jahren stärker auf marktorientierte Ansätze etwa in der Klimapolitik. Deutschland solle sich am besten einem „Null-Regulierungs-Denkmodell“ annähern, so die Forscher. Die gute Nachricht: Es sei möglich, schreibt das ZEW, innerhalb der EU hochattraktive Standortbedingungen zu schaffen.

Nötig sind, so ZEW-Experte Friedrich Heinemann mit Blick auf den Wahlkampf, eine wirklich spürbare Senkung der effektiven Steuerbelastung und eine durchgreifende Verbesserung der Investitions- und Innovationsanreize. Außerdem müsste zur bürokratischen Entschlackung über „die Abschaffung ganzer Gesetzespakete“ nachgedacht werden. Heinemann: „Ohne umfassende Reformen ist das bisherige Wohlstandsniveau nicht zu halten.“

Verschlimmert wird die Lage in Deutschland nun auch noch durch neue Zölle des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Die deutsche Wirtschaft blickt diesbezüglich mit Sorge in die USA. Denn rund 90% der Unternehmen importierten oder exportierten digitale Technologien oder Dienstleistungen und rechneten hier mit massiven Belastungen für ihr Geschäft, wie am Montag der Digitalverband Bitkom warnte. Auch die Chemie-, Maschinenbau- und Fahrzeugbranche erwartet Einbußen.

Sorge um deutsche Start-ups

Das dürfte das prognostizierte Mini-Wachstum in Deutschland wohl erneut unter die Nulllinie drücken und den Druck auf Unternehmen erhöhen, einen Teil der Produktion in attraktivere Standorte zu verlagern oder gleich in die USA, da Trump verspricht, Neuansiedlungen großzügig zu unterstützen. Verena Pausder, Vorsitzende des Startup-Verbands sieht das mit Sorge, weil dabei mit Start-ups womöglich gerade jene Unternehmen übersiedelten, die Deutschland so dringend braucht.

Auch Wirtschaftsexperten schätzen die im Laufe des Tages beginnende zweite US-Präsidentschaft des Republikaners vor allem für die westlichen Industrienationen als belastend ein. „Die Sorge, dass Donald Trump der Wirtschaft schadet, ist vor allem in westlichen Industrieländern verbreitet“, fasste Ifo-Forscher Niklas Potrafke die Ergebnisse der vierteljährlichen Umfrage des Münchner Ifo-Instituts und des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik unter fast 1.400 Experten aus 125 Ländern zusammen.

Demo zur Wettbewerbsfähigkeit

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnt mit Blick auf Trumps Zolldrohung vor schwerwiegenden Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft. „Die Auswirkungen wären gravierend für die deutsche Wirtschaft“, sagt DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov. In Deutschland hänge jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab – in der Industrie jeder zweite.

Die arbeitgebernahe Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat vor dem Hintergrund der neuen Lage sowie der anhaltenden Stagnation und der Erosion des Standorts gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden für den 29. Januar zu einer Kundgebung für mehr Wettbewerbsfähigkeit aufgerufen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und des Standorts müsse in den Mittelpunkt des Wahlkampfs zur Bundestagswahl am 23. Februar gerückt werden, heißt es. Die zentralen Forderungen sind eine geringere Steuerbelastung, weniger bürokratische Vorgaben, gedeckelte Sozialabgaben und niedrigere Energiekosten. „Die Zeit des Selbstbetrugs und des Schönredens ist längst vorbei“, teilte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander mit. „Es geht jetzt darum, den Standort zu retten.“