„Trumps Zölle werden zu einer milden Rezession in den USA führen“
Im Interview: Mary Lovely
„Trumps Zölle werden zu einer milden Rezession in den USA führen“
Ökonomin warnt im Falle von Vergeltungsmaßnahmen vor empfindlicher Eskalation – Sanktionen bringen Fed in Dilemma
Die Wirtschaftsprofessorin Mary Lovely geht davon aus, dass selbst im Falle eines Aufschubs US-Präsident Donald Trump an Zöllen für Waren aus sämtlichen Überschussländern festhalten wird. Diese werden zu Stagflation führen und die Fed in ein Dilemma bringen.
Frau Lovely, können Sie sich vorstellen, dass Präsident Trump die Einfuhrzölle, die am Donnerstag in Kraft treten sollen, wieder aussetzen wird?
Unter diesem Präsidenten weiß man nie, was als Nächstes geschieht. Und wenn er das wie in der Vergangenheit tun sollte, ist auch unklar, welche Argumentation er anwenden wird. Er könnte beispielsweise sagen, dass bestimmte Einfuhren eben doch keine angebliche Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen. Es könnte auch sein, dass er vor dem Inkrafttreten der Abgaben mit Regierungschefs der betroffenen Länder spricht und diese Zugeständnisse machen. Prinzipiell wird er aber an diesem Kurs festhalten.
Mit welchen gesamtwirtschaftlichen Folgen rechnen Sie, wenn die Zölle greifen?
Ich war an einer Studie des PIIE beteiligt und kam darin zu dem Schluss, dass die Zölle für den durchschnittlichen US-Haushalt zu einer Mehrbelastung von jährlich 2.600 Dollar führen würde. Zu den inflationären Folgen gibt es zahlreiche Studien. Einig sind sich diese darin, dass die Preissteigerungen substanziell sein könnten. Andere Auswirkungen sind schwer zu quantifizieren. Zu erwarten ist auch, dass die Sanktionen den Dollar stärken würden. Das liegt daran, dass die Zölle die Importnachfrage schwächen werden.
Welche Rolle spielt dabei die US-Notenbank?
Wie die US-Notenbank reagiert, wird natürlich von großer Bedeutung sein. Die Fed erscheint derzeit auf Kurs für zwei Zinssenkungen in diesem Jahr. Das könnte sich aber rasch ändern, wenn die Abgaben zu einem Inflationsschub führen. Die meisten Modelle, und diesen stimme ich zu, gelangen zu dem Schluss, dass die Zölle kurzfristig zu Stagflation führen werden. Ich vermute, dass wir bei steigenden Verbraucherpreisen eine milde Rezession haben werden.
Wie wird die Fed darauf reagieren?
Die Zölle werden die Fed in ein Dilemma bringen. Denkbar sind alle möglichen Szenarien. Eine tiefere Rezession könnten die Währungshüter zwingen, den zinspolitischen Kurs zu lockern. Zieht die Inflation hingegen kräftig an, dann könnte es zu Zinserhöhungen kommen. Für sicher halte ich nur eines, nämlich dass die US-Wirtschaft langfristig ein geringeres Wachstum aufweisen wird.
Warum sind Sie bezüglich der langfristigen Folgen so sicher?
Das beginnt mit den höheren Einfuhrpreisen, die für heimische Unternehmen die Produktion verteuern. Hinzu kommt, dass die US-Ausfuhrwirtschaft leiden wird, wenn unsere Handelspartner mit Vergeltungszöllen antworten. Auch werden die Zölle den Wettbewerb einschränken. Das wird höhere Preise zur Folge haben und dadurch den Privatkonsum drosseln. Auch werden die Zölle wegen der Verteuerung importierter Teile die Innovation abwürgen.
Wie sieht es mit den Handelspartnern aus?
Für unsere Handelspartner, ich denke da insbesondere an die EU und speziell Deutschland, könnten die Folgen deutlich gravierender sein. Deren Volkswirtschaften sind wesentlich exportabhängiger als die amerikanische. Besonders stark betroffen werden kleinere Volkswirtschaften sein. Häufig sind deren Ausfuhren auf genau jene Sektoren spezialisiert, die unter Trumps Zöllen leiden werden. Auch China wird sie spüren, aber weniger als die kleineren Staaten. Und natürlich, das muss ich immer wieder betonen, wird die Fed eine wichtige Rolle spielen und auch darüber bestimmen, wie sich die Sanktionen ökonomisch auswirken.
Werden bestimmte Branchen stärker betroffen sein als andere?
Viele Branchen werden leiden. Aber nehmen wird das Beispiel der Autoindustrie. Lange Zeit hatten wir wichtige Inputs, etwa elektronische Produkte und Sicherheitsausrüstung zu wettbewerbsfähigen Preisen einführen können. Wir sehen aber jetzt schon höhere Preise, diese werden aufgrund der Zölle schnell weiter steigen. Hinzu kommt, dass Käufer bald weniger Modelle zur Auswahl haben werden. Die Hersteller werden nämlich kleinere Absatzmärkte haben und ihre Fertigung entsprechend spezialisieren.
Ist die Trump Administration allein Schuld an dem Handelskonflikt?
Nein, das müssen sowohl republikanische als auch demokratische Präsidenten auf ihre Kappe nehmen. Denn der US-Kongress, dessen Aufgabe es eigentlich ist, Handelsabkommen zu schließen, hat sich entmachten lassen. Seit der Uruguay-Runde in den neunziger Jahren hat der Kongress eigentlich keine Rolle mehr gespielt. Und was die jüngste Vergangenheit angeht: Ex-Präsident Joe Biden hat die von Trump verhängten Zölle für Stahl- und Aluminium nicht nur beibehalten. Er hat obendrein die Vorschriften für den inländischen Anteil an Elektroautos erhöht und damit die Lage weiter verschärft. Schuld sind also sowohl Republikaner als auch Demokraten.
Stehen wir an der Schwelle zu einem Handelskrieg?
Um einen Krieg zu führen, sind zwei Seiten notwendig. Wenn beispielsweise die Europäer oder China nicht anbeißen, dann hätten wir keinen „Krieg“. Kommt es aber doch zu Vergeltungszöllen, und damit ist absolut zu rechnen, dann wird die Krise weiter eskalieren. Dann will Trump nämlich nachlegen und die Zölle weiter hochschrauben. Dann wäre der Begriff des Handelskriegs angemessen.
Bilaterale Handelsdefizite sind dem Präsidenten ein Dorn im Auge. Sind diese tatsächlich nicht tragfähig?
Ich denke, dass wir die Fehlbeträge ernst nehmen müssen. Meine größte Sorge gilt der Tatsache, dass die Schulden, die wir auch als Folge der zunehmenden Schräge im Handel haben, nicht in Investitionen, sondern in den Konsum fließen. Unterdessen ist zu beachten, dass Trump mit den Zöllen das Handelsdefizit nicht verringern wird. Denn die Abgaben werden nicht nur die Einfuhren drosseln. Da sie den Dollar stärken, werden sich auch die Ausfuhren verringern. Das wird den Präsidenten irritieren. Durchaus möglich ist, dass er dann mit noch höheren Zöllen reagieren wird.
Das Interview führte Peter De Thier.
Das Interview führte Peter De Thier.
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