Trumps Zollchaos gefährdet Finanzstabilität
Trumps Zollchaos gefährdet Finanzstabilität
IWF sieht aufgrund von Makro-Unsicherheit und hohen Bewertungen Risiko neuer Markteinbrüche – Finanzinstituten mit hohem Leverage droht Druck
Der Internationale Währungsfonds warnt wegen geopolitischer Risiken vor hohen Belastungen für die Finanzstabilität. Die steigende Volatilität an den Märkten befördere Hedgefonds in Schieflage, deren Vernetzung mit dem traditionellen Bankwesen in den vergangenen Jahren bedrohlich gewachsen sei.
xaw New York
Der globale Handelskrieg droht ernste systemische Folgen zu entfalten: Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor bedeutend gestiegenen Gefahren für die Finanzstabilität. Die handels-, wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit treffe die Märkte in einer Phase, in der die finanziellen Konditionen rund um den Globus straffer würden. Die Reaktionen anderer Länder auf die höher als erwartet ausgefallenen Strafzölle gegen US-Handelspartner hätten die Lage noch verschärft. Dies zeige sich auch am Sprung des Volatilitätsindex Vix: Das „Angstbarometer der Wall Street“, das die Schwankungsbreite des S&P 500 misst, schnellte Anfang April auf den höchsten Stand seit dem Corona-Crash im Frühjahr 2020.
Derweil macht der IWF „Verwundbarkeiten“ aus, die für einen weiteren Abwärtstrend der Finanzstabilität sprächen. So fielen die Bewertungen trotz des jüngsten Tumults in „Schlüsselsegmenten“ des Aktien- und Unternehmensanleihemarkts nach wie vor hoch aus. An der Wall Street würden Dividendenpapiere auch nach dem durch die Strafzölle losgetretenen Abverkauf zu Kurs-Gewinn-Verhältnissen gehandelt, die höher ausfielen als in drei Vierteln der vergangenen 35 Jahre. Die Risikoprämien von US-Aktien gegenüber Bonds hätten sich zwar ausgeweitet, befänden sich in historischem Vergleich aber auf niedrigem Niveau.
Negative Überraschung voraus
Derweil hätten Konjunkturindikatoren trotz niedriger Erwartungen Potenzial für negative Überraschungen gezeigt, ein weiterer wirtschaftlicher Abschwung drohe damit neuen Druck auf die Assetpreise zu auszuüben. Schocks bei Aktien griffen dabei auch auf junge Anlageklassen wie Kryptowährungen über, deren Korrelation mit dem breiten Finanzmarkt mit fortschreitender Regulierung nur zunehmen werde. Gemäß dem „Growth at Risk“-Modell des IWF droht das globale Wirtschaftswachstum in den kommenden zwölf Monaten mit einer Wahrscheinlichkeit von 5% unter die Marke von 0,4% zu fallen, die Bedrohung durch dieses Extremszenario ist gegenüber dem Finanzstabilitätsbericht aus dem Oktober damit um fast einen Prozentpunkt gestiegen.

Während Trump zumindest seine reziproken Strafzölle gegen den Großteil der Handelspartner zuletzt für 90 Tage aussetzte, damit die Tür für internationale Verhandlungen öffnete und unter Vertretern des Finanzsektors wie Goldman-Sachs-CEO David Solomon für gewisse „Erleichterung“ sorgte, zeigen sich die IWF-Ökonomen davon nicht beruhigt. Insbesondere die Eskalation des Handelskonflikts zwischen den Vereinigten Staaten und China werde global durchschlagende Wirkung entfalten.
Der von den Fed-Ökonomen Dario Caldara und Matteo Iacoviello entwickelte Geopolitical Risk Index, der auf Basis einer Auswertung von Medienberichten einen Indikator zur Schwere globaler Spannungen liefert, ist zuletzt in die Höhe geschossen. Anfang April erreichte er mit 172,5 Punkten das höchste Monatsstart-Niveau seit Oktober 2023 – damals kam es infolge der Attacke der Hamas auf Israel zu einer Eskalation der schwelenden Konflikte im Nahen Osten. Zwischenzeitlich schnellte das Risiko-Barometer zuletzt sogar auf Niveaus deutlich oberhalb von 200 Punkten und damit in Richtung der Level, die es kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine 2022 markierte.
Deleveraging-Spirale befürchtet
Die verschärfte Volatilität an den Märkten setze Finanzinstitute unter Druck – insbesondere jene mit hohem Leverage. Im Gleichschritt mit den verwalteten Mitteln der Hedgefonds- und Assetmanagement-Branche seien auch ihre Verschuldungsgrade und Vernetzungen mit dem traditionellen Finanzsektor gewachsen. Tatsächlich ist das Volumen der Kredite, die klassische Banken an Intermediäre ohne Einlagengeschäft vergeben, laut der Ratingagentur S&P Global 2024 erstmals auf über 1 Bill. Dollar geklettert.
Zuletzt mussten Hedgefonds den umfangreichsten Margin Calls, also Nachschusspflichten auf Kredite, nachkommen seit dem Corona-Crash. Der IWF warnt vor einer „Deleveraging-Spirale“, in deren Zuge die Schieflage von Risiko-Vehikeln den Abverkauf an den Märkten zu beschleunigen und das Finanzsystem auf die Belastungsprobe zu stellen drohe.
Auch am Staatsanleihemarkt stünden unterdessen noch erhebliche Verwerfungen bevor. Schwellenländer müssten bereits die höchsten realen Finanzierungskosten seit einem Jahrzehnt stemmen und ihre Emissionen nun noch zu erhöhten Zinsniveaus ausweiten, um die negativen wirtschaftlichen Effekte von Trumps Strafzöllen abzufedern. Zugleich müssten Industrienationen mehr Bonds an den Markt schmeißen, um ausgeweitete Haushaltsdefizite zu finanzieren.
Schuldentragfähigkeit in Zweifel
Insbesondere die Schuldentragfähigkeit der USA ist infolge wiederholter fiskalischer Konflikte im Kongress in den vergangenen Jahren in Zweifel geraten. Pläne von Trumps Wirtschaftsberatern, die US-Exportwirtschaft durch eine strategische Abwertung des Dollar zu stärken, erhöhen die Sorgen vor einer Investorenflucht noch.
Washington erwägt im Vertrauen auf die eigene Wirtschaftsmacht wohl, globale Gläubiger in Staatsanleihen mit niedrigen Verzinsungen und extrem langen Laufzeiten zu zwingen. Doch Ratingagenturen würden eine solche Anpassung der Kreditbedingungen als Default werten. Schon Anzeichen, dass die USA einen solchen Zahlungsausfall in Kauf zu nehmen bereit sind, drohen laut dem Nordea-Chefstrategen Lars Mouland einen bedeutenden Abverkauf bei US-Bonds nach sich zu ziehen. In einem ohnehin volatilen Marktumfeld verschärft die Erosion des Status des Treasury-Marktes als sicherer Hafen vom IWF aufgeworfene Sorgen um die Finanzstabilität noch.