Konjunkturprognose

Wirtschaftsweise: Rezession und Finanzkrise unwahrscheinlich

Zwar wird sich die Inflation hartnäckig halten bis weit ins nächste Jahr hinein, aber das Wachstum in Deutschland fällt doch nicht so schlecht aus wie zunächst erwartet, sind sich die Wirtschaftsweisen sicher. Die Energiekrise ist allerdings noch nicht ausgestanden.

Wirtschaftsweise: Rezession und Finanzkrise unwahrscheinlich

Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr voraussichtlich um eine Schrumpfung herumkommen. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung rechnet in seiner neuen Analyse nun mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 0,2%. Er warnt jedoch, dass die Lage angespannt bleibe und die Inflation die Volkswirtschaft weiter belasten werde.

Im nächsten Jahr erwarten die Wirtschaftsweisen eine Beschleunigung des Wachstums auf 1,3%, trotz der Belastung, die steigende Zinsen für Haushalte, aber auch die Unternehmen und deren Investitionen bedeuten dürften. Im November hatte das Beratergremium noch prognostiziert, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um 0,2% schrumpfen würde.

Hartnäckige Inflation

„Der inflationsbedingte Kaufkraftverlust, die schlechteren Finanzierungsbedingungen und die sich nur langsam erholende Auslandsnachfrage verhindern einen stärkeren Aufschwung in diesem und im kommenden Jahr“, erklärte die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer. Die Konjunktur in Deutschland habe in den letzten Monaten Anzeichen einer Verbesserung gezeigt. Eine leichte technische Rezession — mit zwei aufeinanderfolgenden Quartalen der Schrumpfung zwischen dem Ende des letzten Jahres und dem ersten Quartal 2023 — sei dennoch nicht ausgeschlossen. Am Dienstag gab der ZEW-Index für die Konjunkturerwartungen erstmals seit sechs Monaten nach vor dem Hintergrund der Bankenkrise in den USA und in der Schweiz.

Notenbanken in der Zwickmühle

Bei der Inflation in Deutschland rechnen die Wirtschaftsweisen in diesem Jahr mit einem Rückgang auf 6,6%. Eine merkliche Abnahme des Preiswachstums erwarten sie erst im nächsten Jahr, mit einer prognostizierten Rate von 3%. „Die Inflation ist noch weit vom Ziel der EZB von zwei Prozent entfernt, daher dürften weitere Zinserhöhungen in diesem Jahr erforderlich sein”, erklärte Ratsmitglied Ulrike Malmendier. „Die hohe Unsicherheit an den Finanzmärkten der vergangenen Wochen erschwert allerdings die Inflationsbekämpfung durch die Zentralbanken.”

Energiekrise noch nicht ausgestanden

Die Energiekrise ist nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen trotz der jüngsten Beruhigung auf den Märkten noch nicht ausgestanden. „Für den Winter 2023/24 bleibt die Gefahr erneuter Preissprünge oder gar einer Gasmangellage durchaus bestehen“, sagte die Ökonomin Veronika Grimm von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am Mittwoch in Berlin. Vermutlich dürfte dies verhindert werden können, das Risiko bestehe aber, auch weil der Anreiz zum Energiesparen bei wieder niedrigeren Preisen geringer sei. „Die Energiekrise ist also noch längst nicht vorbei.“ Die Gasspeicher würden bei einem strengen Winter nur für zwei Monate reichen. Nach dem jetzigen Winter sind sie noch vergleichsweise voll, weil die Temperaturen weitgehend mild gewesen sind.

Die von der Bundesregierung umgesetzten Energiepreisbremsen helfen laut dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zwar, werden aber weniger als gedacht in Anspruch genommen. Die prognostizierten Ausgaben für die Gaspreisbremse summierten sich dieses Jahr auf 15 Mrd. Euro und 0,5 Mrd. im kommenden Jahr, sagte der Wirtschaftsweise Achim Truger von der Universität Duisburg-Essen. Bei der Strompreisbremse seien dieses Jahr 13 Mrd. Euro eingeplant, 2024 dann noch 0,8 Mrd. . Im Verhältnis zu dem 200 Mrd. Euro schweren Sonderfonds sei dies recht wenig.

Mehr Unsicherheit auf den Finanzmärkten

Der Kollaps der Silicon Valley Bank und die Probleme der Credit Suisse haben laut dem Sachverständigenrat die Unsicherheit auf den Finanzmärkten erhöht. Anders als in der globalen Finanzkrise basieren die Schwierigkeiten einzelner Banken aber „nicht auf weitgehend wertlosen Finanzprodukten”. Interbankenmarkt und Kreditversorgung der Realwirtschaft seien nicht gestört. „Die Finanzmarktstabilität dürfte daher nach Einschätzung des Sachverständigenrates aktuell nicht gefährdet sein”, hieß es. Zudem seien derzeit weder der Interbankenmarkt noch die Kreditversorgung der Realwirtschaft gestört.Zwar seien die schnell gestiegenen Zinsen für das Finanzsystem eine Herausforderung. Die Banken hätten aber bis auf sehr wenige Ausnahmen jedoch ein gut funktionierendes Liquiditätsmanagement und könnten steigende Zinsen gut verkraften.

Ähnlich hatte sich zuvor Bundesbankchef Joachim Nagel geäußert. Er siehe derzeit keine Gefahr einer Ansteckung des „widerstandsfähigen“ Bankensystems der Euro-Zone. „Wir stehen nicht vor einer Wiederholung der Finanzkrise von 2008“, sagte der Bundesbankchef der „Financial Times“. „Wir können das bewältigen.“ Der deutsche Notenbankchef schloss nicht aus, dass die europäischen Banken nach den Turbulenzen um die angeschlagene Schweizer Großbank Credit Suisse und der Pleite der kalifornischen Silicon Valley Bank bei der Kreditvergabe nun vorsichtiger werden. Eine Kreditklemme befürchtet er aktuell aber nicht. Es sei „zu früh“, um zu diesem Schluss zu kommen. Als Kreditklemme wird eine unzureichende Kreditvergabe an die Realwirtschaft bezeichnet, die die Konjunktur empfindlich treffen kann.

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