Umfrage unter Ökonomen

Fiskal-Bazooka zwischen Strohfeuer und Standortretter

Nur mit ergänzenden Strukturreformen können die Multi-Milliarden-Pakete die deutsche Wirtschaft wieder in die Spur bringen. Ansonsten verpuffen Wirkungen und befeuern nur die Inflation, sind sich Ökonomen in einer Umfrage der Börsen-Zeitung einig.

Fiskal-Bazooka zwischen Strohfeuer und Standortretter

Zwischen Strohfeuer und Standortretter

Ökonomen-Umfrage: Ohne Strukturreformen verpuffen die positiven Wirkungen der neuen Finanzpakete

In einer Umfrage der Börsen-Zeitung unter 25 Ökonomen zeigt sich ein durchaus positives Stimmungsbild. Deutschland könnte mit den Finanzpaketen aus der Stagnation herausfinden und einen nachhaltigen Wachstumspfad einschlagen. Allerdings nur mit beiseitegestelltem Entschlackungs- und Modernisierungsprogramm.

lz Frankfurt

Die Unsicherheit der Ökonomen ist groß bei der Abschätzung der ökonomischen Wirkungen der neuen Finanzpakete der Bundesregierung. Denn es hängt viel davon ab, wie die neue Koalitionsregierung die strukturellen Herausforderungen bewältigt, schränkt etwa Eiko Sievert, Deutschland-Analyst der Ratingagentur Scope, seine Antwort auf Fragen der Börsen-Zeitung ein. Insgesamt wurden 25 Ökonomen gebeten, ihre Einschätzungen zu den Wachstums- und Inflationsimpulsen des 500 Milliarden Euro starken Sondervermögens für Investitionen sowie den höheren Verteidigungsausgaben abzugeben, die nun nicht mehr unter die Schuldenbremse fallen.

Entscheidend komme es darauf an, wie der Bürokratieabbau und die Vereinfachung von Planungsprozessen gelinge, um die Investitionen schnell und effizient am Markt unterzubringen. Zudem, so der Tenor der Ökonomenantworten, brauche es Arbeitsmarktreformen und mehr Zuwanderung, um die zusätzliche Produktion bewältigen zu können. Beides sei notwendig, damit die Gelder nicht in höherer Inflation verpufften.

Potenzialwachstum entscheidend

Eine zentrale Stellung nimmt in diesem Zusammenhang das Potenzialwachstum ein. Das wird aktuell zwischen 0,3 und 0,7% geschätzt und lag vor einigen Jahren noch deutlich höher. Die langjährige Stagnation, die verschlechterten Standortbedingungen, die zu Produktionsverlusten und -verlagerung führten, der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und Technologieführerschaft der deutschen Industrie sowie das begrenzte Arbeitskräfteangebot haben das Potenzial nach und nach schrumpfen lassen. Soll es wieder zulegen, um die erwartete Auftragswelle bewältigen zu können, braucht es die eingangs erwähnten Strukturreformen und vor allem langfristige Investitionssicherheit. Auch das muss die Politik gewährleisten durch gut kommunizierte Planung.

Zudem wird das Verhalten der Finanzmärkte zur deutschen Politik- und Fiskalwende maßgeblich von der politischen und ökonomischen Perspektive bestimmt. Denn die Märkte sind für die Finanzierung der Standorttransformation unentbehrlich, benötigen aber Abschätzungen über die ökonomischen Effekte, die sie erwarten können: Um wie viel stärker wird die deutsche Wirtschaft mit den Finanzpaketen wachsen? Wie verändert sich das Produktionspotenzial? Wie reagieren die Preise? Und ist die Schuldentragfähigkeit durch das Billionenpaket gefährdet? Was bedeutet das für Deutschlands Bonität?

Ergebnis der Umfrage: Der Wachstumsschub ist durchaus spürbar und erhöht die Steigerungsrate jährlich um 0,5 bis 1,5 Prozentpunkte. Auch das Produktionspotenzial könnte sukzessive um 0,4 bis 1,5 Prozentpunkte größer ausfallen. Zugleich scheinen die Inflationseffekte beherrschbar. Bei einem Plus von 0,1 bis 0,4 Prozentpunkten bei der Teuerung muss die EZB noch nicht unbedingt die Zinskeule schwingen.

Bei der Schuldenquote, die zuletzt in der Fiskaldebatte nach der Bundestagswahl eine große Rolle gespielt hat, liegen die Abschätzungen weit auseinander. Inzwischen haben die Ökonomen die Wachstumswirkungen eingerechnet, und keiner geht mehr davon aus, dass Deutschland mit einer Schuldenquote von über 100% des BIP rechnen muss. Die Angaben schwanken zwischen 66% und 90% für das Jahr 2029 – immer noch unter den Werten vieler anderer Länder.

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