Das Kartenhaus wackelt
KI-Investitionen
Das Kartenhaus wackelt
Von Alex Wehnert
Mit seinen Versuchen, die Kontrolle über OpenAI zu erlangen, droht Elon Musk die Technologie-Vorherrschaft der USA ins Wanken zu bringen.
Die Strategie, mit der die Vereinigten Staaten ihre Vormachtstellung bei der Zukunftstechnologie künstliche Intelligenz zu festigen suchen, ist auf äußerst unsicherer Grundlage gebaut. Der Versuch von Milliardär Elon Musk, sich die Kontrolle über die große KI-Hoffnung OpenAI zu sichern, droht dieses Kartenhaus nun schwer ins Wanken zu bringen. Der reichste Mensch der Welt feilt mit seinem Start-up xAI ebenfalls an der Entwicklung generativer, lernfähiger Algorithmen. Nun hat er als Kopf eines Konsortiums eine unaufgeforderte, nahezu 100 Mrd. Dollar schwere Offerte für die Non-Profit-Gesellschaft abgegeben, die dem gewinnorientierten Arm des ChatGPT-Entwicklers übergeordnet ist.
Persönlicher Affront für Musk
OpenAI-Chef Sam Altman lehnte zwar spöttisch dankend ab, äußerte aber auch die Vermutung, dass der „Wettbewerber“ Musk sein Übernahmeangebot als Störfeuer intendiert, mit dem er die Weiterentwicklung der kalifornischen KI-Vorreiterin aufhalten will. Damit dürfte der Manager zwar nicht ganz falsch liegen. Schließlich liegt Musk mit Altman im Clinch, seit der Tesla-CEO OpenAI 2018 im Streit um Pläne für eine gewinnorientierte Ausrichtung der Tech-Schmiede den Rücken kehrte. Und doch trifft Altman wohl nicht die ganze Wahrheit: Laut Beobachtern an der Wall Street dürfte Musk durchaus ernst gemeintes Interesse an einem Kauf der Non-Profit-Holding von OpenAI haben, entzieht sich ihm doch bisher die Kontrolle über die „transformativste Technologie unserer Zeit“, wie er generative künstliche Intelligenz gerne bezeichnet.
Für den vermeintlich visionärsten Unternehmer-Guru der Welt ist die Tatsache, dass sich die Modelle von OpenAI nicht in seinem Zugriff befinden, ein persönlicher Affront. Im vereinfachten Psychoprogramm eines Mannes, der als Kind übel gehänselt wurde, sticht immer wieder das kaum stillbare Bedürfnis hervor, es allen zeigen zu müssen – auch wenn die langfristigen Kosten seines Handelns den kurzfristigen Nutzen bei weitem übertreffen.
Kurzfristiger Erfolg zu hohem Preis
So geschieht es inzwischen seit Jahren bei Tesla: Musk hat sein Ziel, den Rest des globalen Autosektors an der Börse zu überstrahlen, schon lange erreicht. Doch in seinem Bestreben, mehr Fahrzeuge zu verkaufen als sämtliche Konkurrenten, greift der Milliardär wiederholt zu umfangreichen Rabatten, die den Elektro-Pionier in eine Abwärtsspirale bei der Profitabilität gestürzt und ihn in den Augen von Analysten somit sein stärkstes Alleinstellungsmerkmal gekostet haben. Musks Drang, sich zu beweisen, bewog ihn 2022 zudem zur Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter. Doch unter seiner Führung hat die heute als X firmierende Plattform den Großteil ihrer wichtigsten Werbekunden und Scharen an Nutzern verloren.
Die mittelfristigen Aussichten für beide Unternehmen vermag der reichste Mann der Welt nur aufzuhellen, indem er sich zum wichtigsten Unterstützer und Berater von US-Präsident Donald Trump aufgeschwungen und sein Schicksal mit dem eines im Kern ebenso unsicheren, nach Bestätigung lechzenden Unternehmers verknüpft hat.
Musks jüngster Ego-Trip in Bezug auf OpenAI droht Trumps bislang wichtigstes Prestigeprojekt, den Ausbau der amerikanischen KI-Infrastruktur, aus der Bahn zu werfen. Denn schon Bestands-Geldgeber um Microsoft sind vom aktuellen Kurs des ChatGPT-Entwicklers verunsichert, feilschen sie mit Altman und Konsorten doch darum, welche Anteile sie nach der Transformation in ein gewinnorientiertes Unternehmen erhalten.
Fragezeichen bei Geldgebern
Nun sorgt Musk für zusätzliche Unruhe auch bei potenziellen Geldgebern, die sich an einer kolportierten neuen Funding-Runde beteiligen könnten. So drangen zuletzt – kurz nachdem das chinesische Start-up DeepSeek Zweifel an der KI-Vormachtstellung der USA weckte – Gespräche über einen möglichen neuen Series-E-Deal an die Öffentlichkeit, in dessen Zuge die unprofitable OpenAI angeblich 40 Mrd. Dollar aufnehmen und auf eine Bewertung von 340 Mrd. Dollar kommen könnte.
Doch kein vernünftiger Investor wird derartige Summen in ein Start-up stecken, bei dem ihm kurz darauf der streitbare Musk als dominierender Anteilseigner vor die Nase gesetzt wird. Schließlich legt der 53-Jährige die Latte mit seiner Offerte für die Non-Profit-Holding hinter OpenAI nicht von ungefähr hoch: Je umfangreicher deren Bewertung, desto größter dürfte wohl auch ihre Beteiligung an der neu aufgestellten, dann gewinnorientierten Tech-Schmiede ausfallen.
Unsicherheit um „Stargate“-Projekt
Vielmehr gefährdet Musk den Erfolg der von Trump mit viel Pomp angekündigten KI-Partnerschaft „Stargate“. Über diese wollen OpenAI, der Tech-Investor Softbank, der Datenbankriese Oracle und der arabische Fonds MGX über vier Jahre bis zu 500 Mrd. Dollar in Rechenzentren stecken. Dabei hantieren sie aber mit Geld, das sie größtenteils noch nicht eingesammelt haben. Softbank als liquidester Partner verfügt über rund 30 Mrd. Dollar an Cash. Die Japaner wollen neue Investoren ins „Stargate“-Projekt locken und setzen auf die Strahlkraft von OpenAI. Doch das Start-up wird durch Musks Einmischung zur Wackelkandidatin – dass vernünftige Geldgeber bereit sind, auf dieses Fundament weitere Karten zu schichten, erscheint aktuell zweifelhaft.