Im BlickfeldHalbleiterkonzerne enttäuschen

KI-Boom droht US-Chipbranche abzuhängen

Der Hype um künstliche Intelligenz löst in der Halbleiterbranche große Hoffnungen aus. Doch können wohl nur wenige Adressen auf ein Stück vom Kuchen hoffen.

KI-Boom droht US-Chipbranche abzuhängen

KI-Boom droht US-Chipbranche abzuhängen

Der Hype um KI verschärft den Wettbewerb in der Halbleiterbranche. Doch haben wohl nur wenige US-Adressen Aussichten auf nennenswerte Stücke vom Kuchen.

Von Alex Wehnert, New York

Der Chipdesigner Arm schickt sich an, den globalen Sektor durcheinanderzuwirbeln. Denn in den USA börsennotierte Unternehmen könnten laut Insidern bereits in diesem Sommer einen eigens produzierten Halbleiter vorstellen – dies würde eine radikale Abkehr vom bisherigen Geschäftsmodell bedeuten, in dessen Rahmen die Briten Lizenzen für ihre Designs an Tech-Riesen wie Apple und Nvidia verkaufen. Damit könnten die Größen der Branche für Arm schnell von Kunden zu Wettbewerbern werden.

Der Halbleiterdesigner Arm wagt einen radikalen Wandel seines Geschäftsmodells. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Richard Drew.

Der an der Nasdaq gelisteten Arm-Aktie bescherten Berichte der „Financial Times“ über das Vorhaben zunächst kräftigen Rückenwind. Arm-Großaktionär Softbank setzt nun wohl große Hoffnungen in die neue Central Processing Unit (CPU), die in Datenzentren zum Einsatz kommen und nach den Wünschen von Abnehmern wie Meta Platforms modifizierbar sein soll. Doch während Herausforderer von Nvidia nassforscher auftreten, werden Befürchtungen wach, dass der aufgeheizte KI-Konkurrenzkampf im US-Chipsektor letztlich mehr Verlierer als Gewinner hervorbringt.

AMD unter Druck

So sackte die Aktie von Advanced Micro Devices (AMD) nach der Zahlenvorlage in der vergangenen Woche trotz einer besser als erwartet ausgefallenen Gewinnentwicklung um bis zu 10% ab und trübte auch die Stimmung für andere Branchenwerte ein. Denn Vorstandschefin Lisa Su stellte eine enttäuschende Prognose für die Erlöse aus dem Geschäft mit KI-fähigen Grafikprozessoren im ersten Halbjahr 2025. Galt AMD zeitweise als vielversprechendste Wettbewerberin von Nvidia, muss sie nun zunehmend Marktanteilsverluste an Arm fürchten.

Dass für den größten Profiteur der KI-Börsenrally nach Ansicht von Analysten auf Sicht weiter die größten Stücke am Kuchen abfallen dürften, liegt vor allem daran, dass Nvidia vollumfängliche Server-Lösungen für Datenzentren anbieten kann. Rivalen wie AMD hinken diesbezüglich hinterher. Doch ringt der Primus mit eigenen Problemen, nachdem das chinesische Startup DeepSeek Zweifel an der Vormachtstellung der US-Tech-Branche bei künstlicher Intelligenz geweckt hat.

Das Unternehmen hatte seinen Chatbot „R1“ erst zu Jahresbeginn lanciert, seine Performance kann laut Mitteilung von DeepSeek allerdings bereits mit jener führender US-Modelle mithalten – und das, obwohl den Chinesen aufgrund von US-Ausfuhrkontrollen weniger fortschrittliche Chips zur Verfügung stehen und sie wohl nur einen Bruchteil der Mittel investiert haben, die US-Konkurrenten in ihre Anwendungen gesteckt haben. Wenngleich Tech-Riesen wie Alphabet und Microsoft zuletzt weiter steigende Ausgaben avisiert haben, wächst doch die Sorge, dass sie ihre Kapitalaufwendungen stärker auf den Prüfstand stellen – und damit einen entscheidenden Wachstumstreiber der Halbleiterbranche.

Robustes Wachstum

Zwischen 2014 und 2024 ist der globale Chipsektor nach Daten der Semiconductor Industry Association (SIA) durchschnittlich um 5,9% pro Jahr gewachsen. Im vergangenen Jahr kletterten die Erlöse um 19,1% auf das Rekordniveau von 627,6 Mrd. Dollar; für 2025 sagt der Branchenverband ein prozentuales Wachstum im zweistelligen Bereich vorher.

Bis 2032 dürften die Vereinigten Staaten ihre inländische Produktionskapazität für Halbleiter demnach verdreifachen. „Unser Land befindet sich damit in einer starken Position, seine Lieferketten zu stärken und eine steigende globale Nachfrage zu befriedigen“, betont John Neuffer, Präsident und CEO der SIA. Damit die USA ihre Technologieführerschaft bei Chips verteidigen können, müsse Washington die Halbleiterproduktion indes zusätzlich fördern und die amerikanische Vormachtstellung im Welthandel untermauern.

Trump verunsichert Markt

Doch die Wirtschaftspolitik der Regierung von US-Präsident Donald Trump löst bislang eher Verunsicherung aus. Denn wenngleich die Analysten von Bernstein durch amerikanische Strafzölle gegen China und die vorerst ausgesetzten „Tariffs“ gegen Kanada und Mexiko lediglich untergeordnete Risiken für die US-Chipbranche sehen, die den Großteil ihrer Zulieferungen schließlich aus anderen Wirtschaftsräumen beziehe, ließen Drohungen Trumps bezüglich neuer und spezifischerer Handelsmaßnahmen Marktteilnehmer zuletzt mit den Ohren schlackern.

Denn der Präsident betont wiederholt, die globale Chipproduktion in die USA holen zu wollen – bisher produziert der taiwanesische Auftragsfertiger TSMC rund 90% des globalen Bedarfs an Prozessoren für Mobiltelefone, Computer und KI-Anwendungen. Das Unternehmen baut unter anderem Fabriken in Arizona, die aber nur einen Bruchteil der globalen Kapazität abdecken können. Angesichts der anhaltenden Bedrohung einer chinesischen Invasion in dem Inselstaat beunruhigt die Abhängigkeit der US-Chipbranche von der dortigen Fertigung Politik und Investoren schon seit Jahren.

Neue Zölle in Aussicht

Doch um nennenswerte Produktionskapazitäten nach Amerika zu verschieben, brauchen Unternehmen nach Trumps Ansicht Anreize – in Form von Einfuhrzöllen über 25%, 50% oder sogar 100%. Nach einem Treffen, bei dem Trump mit Nvidia-Chef Jen-Hsun „Jensen“ Huang über die KI-Strategie der Vereinigten Staaten sprach, bekräftigte der Republikaner entsprechende Pläne Ende Januar noch einmal.

Bisher hatten die USA eher versucht, über Ausfuhrkontrollen kompetitive Vorteile am Chipmarkt zu wahren. Mit dem Chips and Science Act erließ Trumps Amtsvorgänger Joe Biden 2022 umfangreiche Beschränkungen für den Export hochleistungsfähiger Halbleiter und zugehöriger Fertigungstechnik nach China. Im Oktober 2023 und Januar des laufenden Jahres weitete Washington diese jeweils aus und schloss Schlupflöcher in bestehenden Regelungen. Hochleistungsfähige KI-Halbleiter, wie Nvidia sie entwickelt, sind ohne gesonderte Lizenz vom Export nach China ausgeschlossen. Zudem müssen die Konzerne die US-Regierung bei Ausfuhren sogenannter Grauzonen-Chips, die knapp unterhalb der höchsten Performance-Schwelle liegen, benachrichtigen, worauf Washington ablehnende Bescheide stellen kann. 

Belastungen für die Produktionsrenditen

Zölle auf Halbleiterimporte, betonen Ökonomen, drohen indes vor allem die Fertigungskosten in die Höhe zu treiben. Dabei ringt selbst Börsenliebling Nvidia – wegen zunehmender Komplexität ihrer Halbleiter – mit steigendem Druck auf die viel beachtete Produktionsrendite. Die aktuell beworbenen Chips auf Basis der neuen Designplattform Blackwell bestehen beispielsweise nicht mehr nur aus einem zusammenhängenden Stück Silikon, sondern aus zwei fortschrittlichen Prozessoren und einer Reihe an Speicherkomponenten.

Die Zusammensetzung des Gemischs aus Silikon, Metall und Plastik muss vollkommen reibungslos ablaufen; der Defekt eines einzelnen Teils kann den ganzen 40.000-Dollar-Chip unbrauchbar machen. Für das steigende Ausfallrisiko muss Nvidia mit höheren Rückstellungen vorbauen. Steigende Produktionskosten drohen die Probleme laut Analysten noch zu verschärfen – insbesondere für Entwickler, die erst noch zum technologischen Standard von Nvidia aufschließen müssen.

Vance stützt Intel

Der schwer gebeutelten Intel-Aktie bescherte der US-Protektionismus zuletzt einen Aufschwung. Vizepräsident James David Vance kündigte auf dem AI Summit in Paris in der vergangenen Woche an, regulatorische Hürden für Inlandsproduzenten abbauen zu wollen. Exzessive Vorgaben und ein übermäßiger Fokus auf die Sicherheit von KI-Systemen, wie sie die EU praktiziere, schüfen nicht nur „unfaire Vorteile für alteingesessene Vertreter im Segment“, sondern lähmten auch „eine der vielversprechendsten Technologien, die wir seit Jahrzehnten gesehen haben“.

Darauf berichteten die Analysten der Investmentbank Robert W. Baird, dass Washington versuche, einen Deal zwischen Intel und TSMC anzubahnen. Demnach könnte der US-Konzern, der den KI-Boom gemäß dem im Dezember abgetretenen CEO Pat Gelsinger schwer unterschätzt hatte, sein Fertigungsgeschäft abspalten und in ein Joint Venture unter Führung der taiwanesischen Konkurrentin überführen. In der Theorie versprechen sich Befürworter einer solchen Partnerschaft Effizienzgewinne, nachdem Intel in den vergangenen drei Jahren nahezu 40 Mrd. Dollar an Cash verbrannte, um ihre Produktionsprozesse auf den Stand der Rivalin aus Fernost zu bringen. Zugleich bliebe die Fertigung von Intel amerikanisch kontrolliert.

Komplexer Deal

Broadcom soll indes Interesse am Chipdesign- und Marketing-Geschäft der Konkurrentin haben. Allerdings will das Unternehmen wohl nur dann ein Gebot abgeben, wenn es einen anderen Abnehmer für die Fertigung von Intel findet. Die Spekulationen um die Struktur von Deals, über die sich die angeschlagene Intel retten ließe, laufen an der Wall Street nun heiß. Wie genau eine mögliche Transaktion auch aussieht: Im US-Chipsektor zeichnet sich eine Konsolidierung ab. Am wachsenden KI-Kuchen dürften damit künftig nur wenige Parteien mitnaschen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.