LeitartikelGeldpolitik

Konjunktur allein ist kein Argument

Die EZB könnte am Donnerstag wegen Donald Trumps Wahlsieg zu einer großen Zinssenkung greifen. Das wäre jedoch riskant.

Konjunktur allein ist kein Argument

Geldpolitik

Konjunktur allein ist kein Argument

Die EZB könnte am Donnerstag wegen
Donald Trumps Wahlsieg zu einer großen Zinssenkung greifen.
Das wäre jedoch riskant.

Von Martin Pirkl

Unsicherheit an den Finanzmärkten über den Ausgang eines EZB-Zinsentscheides kurz vor dem Treffen der Notenbanker war zuletzt eine Seltenheit. Dieses Mal lässt es sich jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, was genau der EZB-Rat am Donnerstag verkünden wird. Eine Zinssenkung ist zwar quasi bereits beschlossen. Doch könnten die Notenbanker eventuell zu einer Lockerung um 50 Basispunkte greifen, auch wenn 25 Basispunkte die deutlich wahrscheinlichere Option zu sein scheint.

Die Befürworter eines kräftigen Zinsschritts verweisen auf die schwächelnde Konjunktur der Eurozone. Der private Konsum zieht trotz der Reallohngewinne weiterhin nicht wie erwartet an und fällt damit aktuell als Wachstumstreiber aus. Unwahrscheinlich, dass sich das zeitnah ändert. Mit dem Bruch der Ampel in Berlin und der gestürzten Regierung in Paris sowie der Eintrübung auf dem Arbeitsmarkt hat die Unsicherheit für die Verbraucher zugenommen. Kein gutes Umfeld für eine bessere Konsumlaune – oder mehr Investitionen von Unternehmen und Privathaushalten.

Maue Wachstumsaussichten für Europa

Zudem hat der Wahlsieg Donald Trumps die Perspektiven der exportorientierten europäischen Wirtschaft verschlechtert. Die von Trump angedrohten Strafzölle und die möglichen Gegenmaßnahmen anderer Länder könnten den Welthandel schwer treffen. Da ist es nur wenig Trost für europäische Exporteure, dass der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verlieren dürfte, was für US-Importeure günstig ist.

Die mauen Wachstumsaussichten sind für sich genommen jedoch kein Grund für eine Lockerung der Geldpolitik. Die EZB hat kein Wachstumsmandat. Sie muss sich auf die Preisstabilität konzentrieren, die sie bei einer mittelfristigen Inflationsrate von 2% gewährleistet sieht. Natürlich muss die EZB dabei auch auf die Konjunkturdaten schauen. Denn bei einer schlecht laufenden Wirtschaft wird weniger nachgefragt. Das wiederum führt bei gleichbleibendem Angebot zu einem niedrigen Inflationsdruck.

Hohe Unsicherheit für die EZB wegen Trump

Es kann daher sein, dass die künftige US-Handelspolitik schnellere und/oder kräftigere Zinssenkungen der EZB in 2025 erforderlich macht. Sicher ist das jedoch nicht. Nicht nur, weil viel Unsicherheit darüber herrscht, was Trump genau umsetzen wird und wie andere Akteure wie die EU oder China darauf reagieren. Auch der Effekt von amerikanischen Strafzöllen auf die Euro-Inflation – und das ist das Entscheidende für die EZB – ist nicht eindeutig.

Denn es gibt auch Argumente dafür, weshalb Trumps wirtschaftliche Pläne die Euro-Inflation letztlich anheizen könnten. Zunächst mal wirken Zölle für sich genommen selbstredend preissteigernd. Dann könnte es durch die zunehmenden Handelskonflikte auch zu Lieferkettenstörungen kommen. Auch das führt zu einem höheren Inflationsdruck. Zudem könnten Unternehmen angesichts der angespannten geopolitischen Lage – nicht nur wegen Trump – verstärkt auf Reshoring setzen, was mindestens zunächst aufgrund von Ineffizienzen zu hören Preisen führt. Des Weiteren verteuert ein im Vergleich zum Euro stärkerer Dollar in vielen Fällen für europäische Unternehmen den Import von Energie und anderen Rohstoffen.

Vorsicht geboten bei der Lockerung der Geldpolitik

Ob unter dem Strich die inflationären Effekte die deflationären überwiegen oder umgekehrt, ist unter Ökonomen umstritten, auch wenn die Tendenz zu leicht inflationär geht. Angesichts der vielen Unsicherheiten sollte Trumps Wahlsieg die EZB am Donnerstag nicht zu einer Zinssenkung um 50 Basispunkte verleiten.

Zumal die Notenbank zwar auf einem guten Weg Richtung Inflationsziel ist, ein Selbstläufer wird dies aber mitnichten. Die Kernrate als Indikator für den unterliegenden Inflationsdruck ist mit 2,7% weiter zu hoch. Das Lohnwachstum als Treiber der Dienstleistungsinflation ist immer wieder mal kräftiger ausgefallen als von der EZB erwartet. Zuletzt war das im dritten Quartal der Fall. Es spricht also einiges für einen vorsichtigen Ansatz bei der Lockerung der Geldpolitik, um das gierige Biest der Inflation nicht unnötig zu füttern.