LeitartikelAutobauer in der Krise

Zu viel Misere bei Volkswagen

Die wichtigsten Automarken von Europas größtem Fahrzeugbauer Volkswagen stecken in der Krise. Die Vollzeitjobs an den Vorstandsspitzen in Wolfsburg und Stuttgart erfordern ungeteilte Aufmerksamkeit.

Zu viel Misere bei Volkswagen

Volkswagen

Misere im Mehrmarkenreich

Die wichtigsten Automarken von Europas größtem Fahrzeugbauer stecken in der Krise. Die Vollzeitjobs an den Vorstandsspitzen erfordern ungeteilte Aufmerksamkeit.

Von Carsten Steevens

Kurz nach Bekanntwerden des Dieselskandals, dessen Aufdeckung durch US-Behörden sich im September dieses Jahres zum zehnten Mal jährt, war die Verunsicherung groß bei Volkswagen. Von einer existenzbedrohenden Krise war im Konzern die Rede. Strafen und Entschädigungen folgten, die sich bis heute auf mehr als 30 Mrd. Euro summieren. Den finanziellen Aderlass als Folge jahrelanger Abgasmanipulationen konnte Europas größter Fahrzeugbauer verkraften. Eine Dekade später stecken die Wolfsburger jedoch wieder in einer maßgeblich selbstverschuldeten Krise – Ausgang ungewiss.

Liquide Mittel im Autogeschäft von zuletzt 34 Mrd. Euro und ein operativer Gewinn von etwa 18 Mrd. Euro, wie ihn Analysten bei der Präsentation der Geschäftsjahreszahlen 2024 durch den VW-Konzern am 12. März erwarten, täuschen. Eine operative Umsatzrendite von weniger als 6% reicht für die Investitionsanforderungen im Unternehmen bei Weitem nicht. Nicht zuletzt das Tauziehen um beispiellose Einsparungen bei der Kernmarke Volkswagen in Deutschland, bei dem es erstmals in der VW-Historie um Werksschließungen ging, hat die prekäre Lage Ende vergangenen Jahres deutlich werden lassen.

Fiasko bei Porsche

Zumal langjährige wichtige Ertragsbringer im Konzern wie Audi und Porsche selbst an der Kostenschraube drehen müssen. Schwächen an anderen Stellen im Wolfsburger Mehrmarkenreich können sie immer weniger abfedern. Vor allem der Fall des Sportwagenbauers Porsche ist ein Fiasko. Standen die Schwaben noch im vergangenen Jahr wegen Softwareproblemen und lange verzögerter Fahrzeugprojekte wie beim elektrischen Macan in der Kritik, erweist sich inzwischen die zu optimistische Ausrichtung auf Elektromobilität insgesamt als Problem.

Vor allem Fehleinschätzungen der Entwicklungen im weltgrößten Automarkt China machen Porsche zu schaffen – wie im Konzern auch Audi und der Marke Volkswagen. 2024 sackten die Auslieferungen um 28% in den Keller. Das Debakel in China hat nun zur Folge, dass ehrgeizige mittelfristige Profitabilitätsziele mit deutlich reduzierten Fertigungskapazitäten erreicht werden sollen.

Elektro-Flaute belastet Porsche

Das flaue Geschäft mit Elektromodellen: Es könnte nicht nur Porsche zum teuren Strategieschwenk zwingen und länger als geplant auf Verbrenner setzen lassen. Doch vor allem bei der Stuttgarter Luxusmarke fällt ins Gewicht, dass kein anderer Autohersteller im VW-Konzern ähnlich ambitionierte Elektropläne verfolgte. Im Zuge sinkender Fahrzeugverkäufe, erodierender Umsatzrenditen sowie eines abgestürzten Aktienkurses müssen nun CFO Lutz Meschke und Vertriebschef Detlev von Platen ihre Posten räumen.

Dass das Ziel, 80% aller Neuwagen bis 2030 mit elektrischem Antrieb auf die Straße zu bringen, wohl verfehlt wird, schwächt jedoch auch die Autorität von Oliver Blume, der Porsche seit 2015 führt. Die Misere bei dem Unternehmen, das im Herbst 2022 noch über den zweitgrößten Börsengang in Deutschland nach der Deutschen Telekom ein Vierteljahrhundert zuvor jubelte, stellt die Doppelrolle des 56-Jährigen an der Spitze zweier Dax-Unternehmen mehr denn je in Frage.

Ungelöste Probleme bei Volkswagen

Als Vorstandschef des VW-Konzerns trat der gebürtige Braunschweiger vor zweieinhalb Jahren mit einem Zehn-Punkte-Plan an, abgeleitet von den Großbaustellen im Unternehmen. Maßnahmen wie eine Neuausrichtung der Software-Aktivitäten oder der Aufstellung der Geschäfte in China und Nordamerika brachte Blume auf den Weg. Er ging Technologie-Partnerschaften mit Spezialisten aus China und den USA an. Doch Erfolge lassen auf sich warten, am Kapitalmarkt konnte der Konzernchef nicht überzeugen.

Das strategische Führen des Konzerns und das operative Leiten einer Marke unterschieden sich deutlich und ergänzten sich ideal: So begründete Blume den Sinn seiner Doppelrolle, als es zumindest bei Porsche noch deutlich besser lief. Seit 2022 ist jedoch immer klarer geworden, dass es sich in Wolfsburg und Stuttgart um Vollzeitjobs handelt, die ungeteilte Aufmerksamkeit erfordern.