GastbeitragKünstliche Intelligenz

Wie KI Finanzierungen über den Kapitalmarkt erleichtern kann

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Kapitalmarkttransaktionen bietet Chancen, Effizienz und Rentabilität zu steigern. Es gibt aber rechtliche Grenzen, die beachtet werden müssen.

Wie KI Finanzierungen über den Kapitalmarkt erleichtern kann

Wie KI Kapitalmarktfinanzierungen erleichtert

Vorbereitung wird beschleunigt – Prospekterstellung, Due Diligence und standardisierte Verträge – Rechtliche Grenzen müssen beachtet werden

Von Susanne Werry
und Lukas Greilich *)

Neben den geostrategischen und makroökonomischen Fragen unserer Zeit beschäftigt kaum ein Thema Unternehmen aktuell so stark wie die Frage nach dem sinnvollen Einsatz künstlicher Intelligenz (KI). Die vielseitigen Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT und anderen Anwendungen zeigen sich bereits heute im internationalen Wirtschaftsleben. Spätestens mit der Verabschiedung des weltweit ersten umfassenden Gesetzes über künstliche Intelligenz, dem sogenannten EU AI Act, nimmt auch der rechtliche Beratungsbedarf bei der Verwendung von KI deutlich zu. Unternehmen, die eine Finanzierung über den Kapitalmarkt anstreben, sollten sich deshalb verstärkt mit den Einsatzmöglichkeiten der KI und den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Großvolumige Kapitalmarktransaktionen, wie etwa Börsengänge, Bezugsrechtsangebote oder die Begebung von Anleihen, benötigen eine sorgfältige Vorbereitung. Unternehmen müssen bei bestimmten Finanzierungsformen umfangreiche Wertpapierprospekte erstellen, die den Vorgaben der EU-Prospektverordnung entsprechen und den Anlegern eine angemessene Informationsgrundlage für die Anlageentscheidung bieten sollen.

Da bei wesentlichen Fehlern im Prospekt empfindliche Haftungsrisiken drohen, findet eine umfassende Due-Diligence-Prüfung statt. Abhängig von der Komplexität und dem Geschäftsfeld, in dem das Unternehmen tätig ist, können Due Diligence und Prospekterstellung einige Monate in Anspruch nehmen.

Effizientere Auswertung

Während bisher tausende Dokumente manuell von Investmentbankern und Rechtsanwälten in wochenlanger Arbeit über den von der Gesellschaft zur Verfügung gestellten elektronischen Datenraum gelesen, analysiert und besprochen werden mussten, verspricht der Einsatz von KI eine erheblich zielgerichtetere und effizientere Durchsicht und Auswertung der zur Verfügung gestellten Daten. Bereits heute werden mit KI-basierten Anwendungen die wesentlichen Bedingungen einer Vielzahl von Verträgen tabellarisch zusammengefasst.

Damit lässt sich ohne großen personellen und zeitlichen Einsatz ein erster Überblick erstellen. Ausgehend von dieser Erstanalyse können involvierte Berater dann gezielt die notwendige Qualitätssicherung und Überprüfung der maschinell gewonnenen Erkenntnisse durchführen. Insbesondere die Wirtschaftsprüfer und die beteiligten Rechtsanwaltskanzleien haben ein starkes Interesse an der Sicherstellung der Qualität der Due Diligence, da sie ihre eigene Haftung gegenüber dem Konsortium und dem Unternehmen im Blick behalten müssen. Die KI wird also lediglich beschleunigenden Charakter haben, nicht jedoch die menschliche Überprüfung der Erkenntnisse ersetzen.

Prospekt und Dokumente

Der zweite große Anwendungsbereich der KI wird in der Erstellung des Wertpapierprospekts selbst sowie der weiteren im Zusammenhang mit der Transaktion zu verwendenden Marketing-Dokumente wie etwa Unternehmenspräsentationen liegen. KI-Sprachmodelle werden auf Grundlage der Vielzahl von veröffentlichten und zum Teil standardisierten Wertpapierprospekten und anderen an den Kapitalmarkt gerichteten Publikationen in der Lage sein, ganze Kapitel des Prospekts sowie Unternehmenspräsentationen zu entwerfen. Die so erstellten Ergebnisse können dann in einem zweiten Schritt durch die Transaktionsparteien überprüft, angepasst und präzisiert werden. Auch zukünftig wird es somit auf eine konzentrierte Führung der KI ankommen, um verwertbare Ergebnisse zu erzielen.

Vertraulichkeitsvereinbarungen

Schließlich werden KI-gestützte Anwendungen mehr und mehr bei der Frage behilflich sein, welche Vereinbarungen „marktüblich“ sind. Dabei werden insbesondere relativ standardisierte und einfache Verträge, wie etwa Vertraulichkeitsvereinbarungen, umfassender von der KI erstellt werden können als komplexe und maßgeschneiderte Vertragswerke. In jedem Falle gilt auch hier, dass alle Vorschläge der KI weiterhin sorgfältiger anwaltlicher Überprüfung bedürfen, damit sichergestellt werden kann, dass die Verträge den Anforderungen der Parteien auch wirklich gerecht werden.

Durch einen intelligenten Einsatz von KI wird es auch Unternehmen, Banken und ihren Beratern möglich sein, eine größere Menge von Daten in kürzerer Zeit und mit geringerem persönlichen, zeitlichen und vor allem finanziellem Aufwand zu verarbeiten. Die hierdurch gewonnenen Effizienzsteigerungen werden auch dazu führen, dass Unternehmen schneller in der Lage sein werden, Billigungsprozesse bei den zuständigen Finanzaufsichtsbehörden, in Deutschland also der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), anzustoßen und diese damit auch früher abzuschließen.

Betreiberpflichten

Bei der Verwendung von KI müssen zunächst die Anforderungen des EU AI Acts beachtet werden. Die einzelnen Regelungen des AI Acts werden sukzessiv und am 2. August 2027 in Gänze anwendbar sein. Der AI Act gilt standortunabhängig u.a. für Anbieter und Betreiber von KI-Systemen. Unternehmen, Banken und ihre Berater gelten gemäß dem AI Act als Betreiber, sofern sie ein KI-System in eigener Verantwortung, wie z.B. im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung, verwenden.

Die Unternehmen, Banken und deren Berater müssen demnach je nach Risikopotential des KI-Systems verschiedene Betreiberpflichten beachten.

In jedem Fall müssen sie sicherstellen, dass die mit der Verwendung des KI-Systems vertrauten Personen über ausreichende Kompetenz und Ausbildung im Umgang mit KI-Systemen verfügen. Bei der Verwendung von Hochrisiko KI-Systemen gelten zudem viele weitere Anforderungen für die Betreiber. Sie haben den Betrieb des KI-Systems zu überwachen und schwerwiegende Vorfälle sowie Risiken für Gesundheit, Sicherheit und Grundrechte natürlicher Personen zu melden. Ebenfalls müssen die Betreiber die Protokolle des eingesetzten KI-Systems aufbewahren.

Anwaltliche Schweigepflicht

Für Rechtsanwälte gilt die anwaltliche Schweigepflicht auch beim Einsatz von KI. Sie sind gesetzlich verpflichtet, Informationen vertraulich zu behandeln und dürfen diese nur bei Autorisierung offenlegen. Die erforderliche Vertraulichkeit ist insbesondere durch eine sorgfältige Auswahl und Überwachung der eingebundenen KI-Anbieter, entsprechende Vertraulichkeitsvereinbarungen zwischen den Kanzleien und den Software-Unternehmen sowie einem laufend an digitale Bedrohungen angepassten und adäquaten Schutz der Daten vor dem unberechtigten Zugriff Dritter sicherzustellen. Weiterhin gilt es auch die Regelungen und Anforderungen des Datenschutzrechtes zu beachten. Sofern es sich um personenbezogene Daten handelt, sind die Anforderungen der DSGVO zu beachten. Unternehmen müssen zudem sicherstellen, dass angemessene Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, um ihre Daten zu schützen.

Da KI-Systeme auf sensible Finanzdaten zugreifen, besteht das Risiko von Datenschutzverletzungen oder Cyberangriffen, die nicht nur finanzielle Verluste verursachen können, sondern auch das Vertrauen der Anleger beeinträchtigen. Im Finanzsektor müssen deshalb seit dem 17. Januar 2025 die Anforderungen der EU-Verordnung über die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor (DORA) beachtet werden.

Marktmissbrauch vermeiden

Ebenfalls gilt es Insiderhandel und Marktmissbrauch bei KI-basierten Kapitalmarkttransaktionen zu vermeiden. Verstöße gegen die Marktmissbrauchs-VO sind somit jedenfalls nicht ausgeschlossen. Auch muss sichergestellt werden, dass nicht öffentliche Informationen nicht nach außen dringen und für die Allgemeinheit verfügbar gemacht werden.

Letztlich muss bei der Verwendung von KI beachtet werden, dass die KI nur so aktuell und gut sein kann, wie die Daten, mit denen sie befüllt wird. Sind diese veraltet, so wird auch das Ergebnis nicht dem aktuellen Stand entsprechen.

Insgesamt bietet der Einsatz von KI in Kapitalmarkttransaktionen Chancen, um die Effizienz und Rentabilität zu steigern. Der Gesetzgeber muss allerdings in einigen Bereichen der Verwendung von KI noch tätig werden, um Rechtssicherheit und Klarheit zu schaffen ohne den Betrieb und die Verwendung von KI zu sehr einzuschränken.

*) Susanne Werry ist Counsel und Lukas Greilich European Counsel bei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom in Frankfurt.

Susanne Werry ist Counsel bei Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom in Frankfurt. Lukas Greilich ist European Counsel der Kanzlei.