Nachhaltigkeitsregulierung

Deutsche Industrie stellt Wirksamkeit der Sustainable Finance-Politik grundsätzlich infrage

Die deutsche Industrie fordert einen grundsätzlich neuen Ansatz in der Nachhaltigkeitsregulierung. Die Wirksamkeit der aktuellen Sustainable Finance-Politik wird vom BDI infrage gestellt.

Deutsche Industrie stellt Wirksamkeit der Sustainable Finance-Politik grundsätzlich infrage

BDI stellt Wirksamkeit von Sustainable Finance infrage

Industrie fordert grundsätzlich neuen Regulierungsansatz mit EU-Taxonomie auf freiwilliger Basis und entschlackter CSRD

ahe Berlin

Nach dem Bankenverband BdB fordert jetzt auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) grundlegende Änderungen in der Nachhaltigkeitsregulierung. „Wir benötigen einen neuen politischen Ansatz“, heißt es in einem neuen Grundsatzpapier, das der Verband in Kürze veröffentlichen will und das der Börsen-Zeitung vorliegt. Laut BDI sollte die ökologische Transformation mehr aus der Realwirtschaft heraus gestaltet werden. „Die Wirksamkeit der Kapitallenkungsfunktion des Finanzsektors ist zu gering, verursacht aber hohe Kosten durch komplexe und umfangreiche Vorgaben“, wird in dem Papier klargestellt. Die aktuelle Nachhaltigkeitsregulierung erweise „der Sache einen Bärendienst“.

Nach den Worten von Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner muss sich die künftige Bundesregierung in Brüssel aktiv für eine grundlegende Anpassung des Sustainable-Finance-Rahmenwerks einsetzen. „Die Politik muss ihren Ansatz für die ökologische Transformation dringend ändern“, sagte Gönner der Börsen-Zeitung. „Im Mittelpunkt sollten wirtschafts- und klimapolitische Lösungen und nicht wenig effektive und kostspielige finanzpolitische Vorgaben stehen.“ Die Unternehmen bräuchten mehr öffentliche Investitionen in die Infrastruktur, eine stärkere Risikoreduktion durch wirtschaftspolitische Maßnahmen, eine gute Flankierung durch die Kreditwirtschaft sowie mehr Risikokapital.

Tanja Gönner, BDI-Hauptgeschäftsführerin (Foto: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka)

Die EU-Kommission plant für den 26. Februar die Vorstellung eines „Omnibus“-Pakets. Darin sollen Maßnahmen enthalten sein, die den angekündigten Abbau von Pflichten bei der Nachhaltigkeits-Berichtserstattung konkretisieren soll. Dem Vernehmen nach sollen zu diesem Zweck die Taxonomie-Verordnung sowie das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) und die Nachhaltigkeitsberichtspflichten für Unternehmen (CSRD) angepasst werden. Die EU-Kommission hat angekündigt, die Reportingpflichten in dieser Legislaturperiode insgesamt um 25% zu reduzieren.

„Viel zu komplex“

Der BDI nimmt ähnliche Vorhaben ins Visier: Die CSRD müsse signifikant reduziert werden, die EU-Taxonomie solle nur noch freiwillig angewandt, Transformationspläne lediglich als „allgemeine Wegweiser“ verstanden und die Herausforderungen der ESG-Ratings gelöst werden, heißt es in dem Positionspapier.

Nach den Worten von Gönner sollte die Umsetzung der CSRD in nationales Recht – die von der Ampel-Koalition nicht mehr abgeschlossen wurde – nach der Bundestagswahl „zügig und praxisnah“ erfolgen, um der Wirtschaft Rechtssicherheit zu geben. Um Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen zu vermeiden, seien dabei Einschränkungen von Sanktionsmöglichkeiten im ersten Anwendungsjahr und die Einbeziehung unabhängiger Dritter in den Prüferkreis notwendig, so die BDI-Hauptgeschäftsführerin. Von der neuen Bundesregierung erwartet Gönner, dass diese dann in Brüssel Erleichterungen vorantreibt.

BDI kritisiert „kleinteilige Steuerungsversuche über die Finanzmärkte“

Die Wirksamkeit einer zusätzlichen Lenkung von Kapitalströmen mittels der bestehenden grünen Finanzinstrumente und -regularien ist nach Einschätzung des Industrieverbands oft niedrig: zu wenig effektiv, viel zu komplex und letztlich zu aufwändig. Von der Politik in Berlin und insbesondere in Brüssel erwartet der BDI daher in Zukunft „weniger politisch forcierte und kleinteilige Steuerungsversuche über die Finanzmärkte und mehr realwirtschaftliche, marktbasierte Lösungen“. Die Maßnahmen müssten da ansetzen, wo die Veränderungen konkret stattfänden. Der Staat könne die Transformation zudem durch mehr Infrastrukturinvestitionen unterstützen – etwa ins Strom- oder Wasserstoffnetz.

Auch bei der Unternehmensfinanzierung rät der BDI zu genauem Hinsehen. Herausforderungen in der Transformation gebe es vor allem, wenn Geschäftsmodelle durch politisch bedingte Preisanstiege wichtiger Inputfaktoren, die Nutzung neuer, noch nicht marktreifer Technologien oder hoher Anfangsinvestitionen unter Druck gerieten, heißt es.

EU-Prüfungsstandard gefordert

„Für alle übrigen Unternehmen und deren ökologische Investitionen dürfte eine grundsätzliche Finanzierbarkeit, vor allem über die Innenfinanzierung und durch Darlehen ergänzt, gegeben sein.“ Finanzierungsvorteile für nachhaltige Investitionen hielten sich aktuell zudem in Grenzen, so der BDI.

Der Verband verweist in dem Zusammenhang auch auf die stärkere Rolle der Wirtschaftsprüfer durch die Nachhaltigkeitsregulierung und kritisiert eine fehlende Einheitlichkeit – sowohl innerhalb Deutschlands als auch im europäischen Vergleich. Ein EU-Prüfungsstandard könne diesem Problem entgegenwirken.

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