Energieversorger

EDF kommt zurück in Staatshand

Frankreich will die ausstehenden 16 % des Kapitals des hoch verschuldeten Atomkraftwerksbetreibers übernehmen. Der Staat will so freie Hand für die Pläne von Präsident Macron haben, der sechs neue EPR-Reaktoren bauen will.

EDF kommt zurück in Staatshand

wü Paris

Frankreich hat den Startschuss für das offizielle Verfahren zur Rückverstaatlichung des Energieversorgers Électricité de France (EDF) gegeben und bei der französischen Börsenaufsicht Autorité des marchés financiers (AMF) ein vereinfachtes Übernahmeangebot für die ausstehenden Anteile des Versorgers im Umfang von 9,7 Mrd. Euro gemacht. Der französische Staat hält bereits 83,9% des EDF-Kapitals und bietet nun 12 Euro je Aktie für die verbleibenden Anteile. Für bestehende Wandelschuldverschreibungen, die 2024 auslaufen, bietet er einen Einheitspreis von 15,52 Euro.

Laut Wirtschaftsministerium be­fanden sich Ende August 14,96% in Streubesitz und 1,33% in Händen von Mitarbeitern. Es hofft, mit Hilfe des Übernahmeangebots mehr als 90% der Anteile des Versorgers kontrollieren und ihn dann von der Börse nehmen zu können. Laut einem vorläufigen Zeitplan soll das Angebot am 10. November beginnen und am 8. Dezember enden. Premierministerin Élisabeth Borne hatte Anfang Juli angekündigt, dass die Regierung EDF wieder verstaatlichen wolle. Der französische Staat hatte den zuletzt mit 42,8 Mrd. Euro verschuldeten Versorger Ende 2005 für 33 Euro je Aktie an die Börse gebracht.

Mit der Rückverstaatlichung will die Regierung ihr Vertrauen in den Betreiber der 56 Atomreaktoren und die heimische Atomindustrie unterstreichen. Die geplante Transaktion werde EDF die notwendigen Mittel geben, um die Umsetzung des neuen, von Präsident Emmanuel Macron ge­wünschten Atomprogramms und den Einsatz erneuerbarer Energien in Frankreich zu beschleunigen, erklärte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. Macron will noch vor Ende seiner zweiten Amtszeit 2027 mit dem Bau von sechs EPR-Reaktoren einer neuen Generation beginnen. Die Kosten dafür schätzt die Regierung auf 51,7 Mrd. Euro. Er plant zudem bis 2050 auch 50 Offshore-Windparks mit einer Leistung von 40 Gigawatt (GW). Gleichzeitig will er die Zahl der installierten Solaranlagen verzehnfachen, so dass sie dann auf 100 GW kommen.

Bisher hinkt Frankreich bei erneuerbaren Energien hinterher. Der erste Offshore-Windpark des Landes wurde erst kürzlich eingeweiht. Zu­dem stehen zurzeit gut die Hälfte der 56 Reaktoren wegen Wartungsarbeiten sowie Kontrollen wegen Korrosionsanomalien still. Die Produktion von Atomstrom dürfte deshalb in diesem Jahr am unteren Ende der mehrfach auf zuletzt 280 bis 300 Terawattstunden (Twh) gesenkten Prognose liegen. Die geringere Atomstromproduktion dürfte das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 2022 mit 29 Mrd. Euro belasten.

Zusätzlich dazu kommt den Stromriesen, der im ersten Halbjahr einen Verlust von 5,29 Mrd. Euro auswies, die von der Regierung Ende letzten Jahres beschlossenen Deckelung der Strom- und Gaspreise für Haushalte teuer zu stehen. EDF schätzt, dass dies das Ebitda 2022 mit 10,2 Mrd. Euro belasten wird. In diesem Jahr hat Frankreich den Anstieg der Strompreise auf 4% begrenzt, im nächsten Jahr soll der Anstieg maximal 15% betragen. Wirtschaftsminister Le Maire kündigte am Mittwoch die Umsetzung der von Brüssel letzte Woche beschlossenen Gewinnabschöpfung bei Versorgern an. Der Strompreis von Versorgern soll auf 180 Euro je Megawattstunde be­grenzt werden. Das dürfte dem französischen Staat 5 bis 7 Mrd. Euro in die Kassen spülen, sagte er. Minderheitsaktionäre von EDF werfen dem Staat vor, den Konzern durch un­überlegte und ausbeuterische Entscheidungen zulasten des besonderen Interesses des Versorgers und seiner Minderheitsaktionäre in Schwierigkeiten gebracht zu haben.

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