Ungebrochener Boom bei Nvidia weckt Sorgen
Ungebrochener Nvidia-Erlösboom wirft Fragen auf
xaw New York
Der anhaltende Boom bei Nvidia verstärkt Sorgen um das ungebremste Ausgabeverhalten von Amerikas Technologieriesen. Der Chipdesigner vermeldete für das Ende Januar abgeschlossene vierte Quartal des Geschäftsjahres 2025 am Mittwoch ein Umsatzwachstum um 78% zum Vorjahr. Die Erlöse von 39,3 Mrd. Dollar stellen einen vierteljährlichen Allzeit-Bestwert dar und trugen damit zum Gesamtjahresrekord von 130,5 Mrd. Dollar bei. Der Nettogewinn legte im Schlussviertel um 80% auf 22,09 Mrd. Dollar zu und übertraf damit die an der Wall Street herumgereichten Prognosen. Auch der Ausblick für das laufende Quartal, in dem Nvidia einen Umsatz von 43 Mrd. Dollar erwartet, fiel unerwartet optimistisch aus.
Milliardeninvestitionen in Aussicht
Die Zahlen lassen darauf schließen, dass der Hype um künstliche Intelligenz ungebrochen ist, in dessen Zuge Nvidia zum Börsenliebling wurde und ihre Marktkapitalisierung auf inzwischen 3,22 Bill. Dollar steigerte. Schließlich gelten die Grafikprozessoren der Kalifornier als wichtigste technologische Grundlage für hochleistungsfähige Rechenzentren und das Training großer Sprachmodelle. Nachdem sich die Quartalserlöse von Nvidia vor zwei Jahren noch auf lediglich 6 Mrd. Dollar beliefen, explodierte die Nachfrage der amerikanischen Technologieriesen. Doch gerade deren großvolumige Investitionen in künstliche Intelligenz stoßen bei Analysten zunehmend auf Skepsis.
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Allein Alphabet, Microsoft und Meta Platforms haben im Rahmen ihrer jüngsten Zahlenvorlagen für das aktuelle Geschäftsjahr Investitionsausgaben von mindestens 215 Mrd. Dollar in Aussicht gestellt. Gegenüber 2024 würde dies einen Anstieg um 45% bedeuten. Amazon hat zwar keine präzise Prognose vorgelegt, aber zuletzt angedeutet, dass die Kapitalaufwendungen über alle Geschäftsbereiche 2025 bei über 100 Mrd. Dollar liegen könnten. Die Konzerne betonten zuletzt allesamt die Stärke ihrer Partnerschaft mit Nvidia. Doch fürchten Anleger zunehmend, dass die Tech-Riesen im Zuge eines zu einseitigen KI-Fokus andere Geschäftszweige vernachlässigen.
DeepSeek weckt Zweifel
J.P. Morgan ging im vergangenen Jahr noch davon aus, dass die sogenannten „Glorreichen Sieben“ – zu denen auch Nvidia sowie Apple und Tesla gehören – ihre Investitionsausgaben 2025 auf insgesamt 500 Mrd. Dollar ankurbeln werden. Und US-Präsident Trump sprang rund um seinen Amtsantritt ebenfalls auf den KI-Hypezug auf. So präsentierte er im Januar stolz die Rechenzentren-Partnerschaft „Stargate“, über die OpenAI, der japanische Technologieinvestor Softbank, der Datenbankriese Oracle und die von den Vereinigten Arabischen Emiraten gestützte Gesellschaft MGX über die kommenden vier Jahre ebenfalls bis zu 500 Mrd. Dollar in den Ausbau der KI-Infrastruktur in den Vereinigten Staaten stecken wollen.
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Doch das chinesische Startup DeepSeek weckte jüngst Zweifel daran, dass die gewaltigen Investitionen von Cloud-Riesen und mit ihnen kooperierender KI-Startups in zunehmend leistungsfähigere Halbleiter überhaupt in dem gleichen Maß wie zuletzt notwendig sind. Das Unternehmen hatte seinen GPT-4-Rivalen „R1“ erst zu Jahresbeginn lanciert, seine Performance kann laut Mitteilung von DeepSeek allerdings bereits mit jener führender US-Modelle mithalten – und das, obwohl den Chinesen aufgrund von US-Ausfuhrkontrollen weniger fortschrittliche Chips zur Verfügung stehen und sie wohl einen Bruchteil der Mittel investiert haben, die US-Konkurrenten in ihre Anwendungen gesteckt haben.
Kurssturz als Vorteil gedeutet
Angeblich kostete das Training von „R1“ lediglich 5,6 Mill. Dollar. Dario Amodei, Chef der KI-Schmiede Anthropic, hatte für die die jüngsten Versionen seiner Modelle Investitionskosten von 100 Mill. bis 1 Mrd. Dollar angesetzt. Nvidia musste nach der DeepSeek-Ankündigung folglich eine gewaltige Wertvernichtung verkraften. Einige Analysten werteten die heftigen Rücksetzer der Aktie allerdings gar als positiv, da die überhitzten Investorenerwartungen nach der Rally der vergangenen Jahre abgekühlt seien und nun wieder mehr Aufwärtspotenzial bestehe.
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Das Unternehmen vermarktet derzeit seine neue Halbleiterplattform Blackwell – auf dieser basierende Chips weisen 2,6-mal so viele Transistoren auf wie ihre Vorgängermodelle und bieten damit eine deutlich höhere Performance. Allerdings sind sie deshalb auch komplexer aufgebaut. Statt aus einem zusammenhängenden Stück Silikon bestehen sie aus zwei fortschrittlichen Prozessoren und einer Reihe an Speicherkomponenten. Die Zusammensetzung des Gemischs aus Silikon, Metall und Plastik muss vollkommen reibungslos ablaufen, der Defekt eines einzelnen Teils kann den ganzen 40.000-Dollar-Chip unbrauchbar machen und die viel beachtete Produktionsrendite schwer belasten. Nvidia rechnet in der Folge damit, dass die Bruttomarge im laufenden Jahr weiter zurückgeht, mit 73% liegt sie bereits drei Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert.
Wettbewerbsdruck nimmt zu
Dabei bezeichnete Nvidia-Finanzchefin Colette Kress die Nachfrage nach den Blackwell-Prozessoren zuletzt als „atemberaubend“. Das Unternehmen werde kurzfristig nicht in der Lage sein, alle Kunden vollumfänglich zu bedienen. Im ersten Quartal, in dem die Blackwell-Chips großflächig ausgeliefert wurden, erzielten sie nun Erlöse von 11 Mrd. Dollar. Der vom Datendienst Visible Alpha erfasste Konsens der Schätzungen belief sich im Vorfeld auf 3,5 Mrd. Dollar.
Nvidia protifitert dabei davon, dass sie vollumfängliche Server-Lösungen für Datenzentren anbieten kann. Rivalen wie Advanced Micro Devices, die zuletzt eine enttäuschende Prognose für die Erlöse aus dem Geschäft mit KI-fähigen Grafikprozessoren im ersten Halbjahr 2025 stellte, hinken diesbezüglich hinterher. Doch allgemein nimmt der Konkurrenzdruck zu: Der in den USA börsennotierte Chipdesigner Arm könnten laut Insidern bereits in diesem Sommer einen eigens produzierten Halbleiter vorstellen – dies würde eine radikale Abkehr vom bisherigen Geschäftsmodell bedeuten, in dessen Rahmen die Briten Lizenzen für ihre Designs verkaufen. Kunden wie Nvidia würden nach einem solchen Schritt schnell zu Wettbewerbern.
Politische Risiken verunsichern
Neben Bedenken, dass die Tech-Riesen ihre Großinvestitionen in Nvidia-Chips langfristig aufrechterhalten können, lastet indes auch die politische Unsicherheit auf dem Sektor. So drohen noch unter dem ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden beschlossene und seither mehrfach verschärfte Ausfurhkontrollen auf Halbleiter und Fertigungstechnik das Absatzwachstum zu bremsen. Zugleich trübt die protektionistische Handelspolitik der Trump-Regierung die Stimmung ein. Denn die Analysten von Bernstein sehen durch amerikanische Strafzölle gegen China und die vorerst ausgesetzten „Tariffs“ gegen Kanada und Mexiko zwar lediglich untergeordnete Risiken für die US-Chipbranche sehen, die den Großteil ihrer Zulieferungen schließlich aus anderen Wirtschaftsräumen beziehe. Doch ließen Drohungen Trumps bezüglich neuer und spezifischerer Handelsmaßnahmen Marktteilnehmer zuletzt mit den Ohren schlackern.
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Denn der Präsident betont wiederholt, die globale Chipproduktion in die USA holen zu wollen – bisher produziert der taiwanesische Auftragsfertiger TSMC rund 90% des globalen Bedarfs an Prozessoren für Mobiltelefone, Computer und KI-Anwendungen. Das Unternehmen baut unter anderem Fabriken in Arizona, die aber nur einen Bruchteil der globalen Kapazität abdecken können. Angesichts der anhaltenden Bedrohung einer chinesischen Invasion in dem Inselstaat beunruhigt die Abhängigkeit der US-Chipbranche von der dortigen Fertigung Politik und Investoren schon seit Jahren. Zuletzt bekräftigte Trump deshalb, auf Importe von Halbleitern in die USA Zölle von mindestens 25% ins Auge zu fassen.
Nachfolgegeneration schon im Blick
Bei Nvidia richten sich die Blicke nun jedoch schon wieder auf die Nachfolgegeneration der aktuell noch heißen Blackwell-Chips. Die „Rubin“-Reihe soll nach Erwartung der Wall Street 2026 in Produktion gehen, bei seiner Jahreskonferenz in Kalifornien im kommenden Monat dürfte das Unternehmen mehr Details vorgehen. Auch wenn die anderen Tech-Riesen ihre Chip-Investitionen darauf nochmal ankurbeln sollten – die Euphorie der Anleger lässt längst nach.