Autoindustrie

VW setzt weiter auf Globalisierung

Volkswagen will in der Elektromobilität in den größten Märkten wie China kräftig expandieren. Europas größter Autobauer setzt darauf, dass die Globalisierung infolge des Ukraine-Kriegs Bestand hat.

VW setzt weiter auf Globalisierung

ste Hamburg

Volkswagen setzt weiterhin auf eine globalisierte Welt. Der Russland-Ukraine-Krieg stelle „unsere Weltordnung in Frage“, meinte VW-Vorstandschef Herbert Diess am Donnerstag in der Hauptversammlung von Europas größtem Autobauer. Die Hoffnung im Westen, den Krieg mit harten Sanktionen schnell zu beenden, habe sich nicht erfüllt. Der frühzeitige Abgesang auf das Modell „Wandel durch Handel“ greife aber zu kurz, Blockbildung könne nicht die Antwort sein, warnte Diess. „Die Verflechtung der Wirtschaftsräume sorgt dafür, dass wir miteinander reden.“ Die Globalisierung habe über Jahrzehnte für Frieden, Wohlstand und technologischen Fortschritt gesorgt. Gerade Europa und Deutschland seien mit ihrem exportorientierten Geschäftsmodell abhängig von offenen Märkten und freiem Handel.

Zu kritischen Stimmen aus dem Kreis der Aktionäre, die auf politische Spannungen und die Abhängigkeit des VW-Konzerns vom Geschäft in China verwiesen, sagte Diess, bei VW glaube man, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration mit China weiterhin im Interesse Deutschlands bleibe. Die Bedeutung des weltweit größten Automarkts werde noch zunehmen, vor allem im Bereich der Elektromobilität. Bis 2030 werde allein der chinesische E-Auto-Markt größer sein als der gesamte europäische Automarkt. Als Marktführer in China mit einem Anteil von 16% werde der VW-Konzern in den kommenden Jahren die Position in der E-Mobilität ausbauen. 2022 sollen etwa die Verkäufe der ID-Fahrzeugfamilie verglichen mit dem Vorjahr verdoppelt werden – wenn Störungen in Zulieferketten und Produktion infolge coronabedingter Restriktionen nicht länger andauern und Produktionsrückstände aufgeholt werden. Aktionärsvertreter monierten Marktanteilsverluste und eine zu langsame Ausweitung des E-Fahrzeug-Geschäfts in China, wo sich VW von lokalen Wettbewerbern vorführen lasse.

Diess verwies auf die gute Auftragslage nicht nur in China, weshalb man den Geschäftsjahresausblick für 2022 nach dem ersten Quartal bestätigt habe. Zu erwarten sei, dass sich die Versorgung mit Kabelbäumen auch bei einem länger andauernden Krieg in der Ukraine normalisieren werde. Zugleich unterstrich er das Ziel, die Präsenz in anderen Märkten zu verstärken. So sieht der Konzern etwa im US-Markt, in dem 2021 der Sprung aus der Verlustzone gelang, mit der Umstellung auf die E-Mobilität die Chance, zu einem relevanten Anbieter im weltweit zweitgrößten Automarkt zu werden und den Marktanteil von aktuell rund 4 auf 10% bis 2030 auszubauen.

Vor der Hauptversammlung hatte VW angekündigt, einen elektrischen Pick-up-Truck und einen elektrischen Geländewagen in den USA zu entwickeln und dafür 2022 ein eigenes Unternehmen zu gründen. Für das lukrative Geschäft im Pick-up- und SUV-Segment soll die US-Traditionsmarke Scout wiederbelebt werden. In den nächsten fünf Jahren will VW 7,1 Mrd. Dollar in neue E-Fahrzeuge, mehr Forschung und Entwicklung vor Ort und die Erweiterung der Produktion investieren.

Diess betonte in der Hauptversammlung weiter, Volkswagen sei finanziell robust, die Strategie greife. Die Konzernmarken seien stärker als je zuvor, man habe die richtigen Autos im Markt und die Positionen in den großen Regionen der Welt verbessert. Der 2021 um 35% erhöhte Netto-Cashflow im Konzernbereich Automobile von 8,6 Mrd. Euro – dieses Niveau wird derzeit auch in diesem Jahr erwartet – sei die Voraussetzung, den Konzernumbau weiter voranzutreiben.

Mit Blick auf die Dividende für das vorige Geschäftsjahr, die nach der Anhebung auf 7,50 (i.V. 4,80) Euro je Stammaktie sowie 7,56 (4,86) Euro je stimmrechtsloser Vorzugsaktie einer Ausschüttungsquote von 25,4 (29,0)% entspricht, bekräftigte Finanzvorstand Arno Antlitz das mittelfristige Ziel einer Ausschüttungsquote von mindestens 30%. Aus dem Kreis der Aktionäre forderten die Fondsgesellschaften Deka und DWS eine deutlich höhere Dividende für Vorzugsaktionäre als Ausgleich für das fehlende Stimmrecht. Dazu wäre eine Satzungsänderung erforderlich.

Christian Strenger, ehemaliger Chef des zur Deutschen Bank gehörenden Vermögensverwalters DWS, kritisierte auch die Auflösung des im Herbst 2015 vom Aufsichtsrat gebildeten Sonderausschusses „Dieselmotoren“ zum Jahresende 2021. Dass die Aufarbeitung des im September 2015 aufgeflogenen Dieselabgasskandals durch den Aufsichtsrat in Bezug auf die zivilrechtlichen Verantwortlichkeiten der Organmitglieder abgeschlossen sei, bezeichnete er als „Fehleinschätzung“. Im Zusammenhang mit der Dieselkrise betrugen die Belastungen für VW bis Ende März 2022 rund 33 Mrd. Euro.

Die sechseinhalb Stunden dauernde virtuelle Hauptversammlung, für die 23 Aktionäre und Aktionärsvertreter vorab rund 400 Fragen eingereicht hatten, stimmte allen Tagesordnungspunkten zu, darunter der Wahl von Mansoor Ebrahim Al-Mahmoud, CEO des katarischen Staatsfonds QIA, in den VW-Aufsichtsrat für die verbleibende Mandatszeit von Hussain Ali Al Abdulla bis zum Aktionärstreffen für das Geschäftsjahr 2024. Katar ist nach der Porsche Automobil Holding und Niedersachsen drittgrößter Aktionär mit einem Stimmrechtsanteil von 17%.

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