„Wir machen das komplexe Produkt Solaranlage so einfach wie möglich“
Stefan Paravicini.
Herr Cassel, Hand aufs Herz: Haben Sie eine Solaranlage auf dem Dach?
Ich wohne in einem Miethaus in München, sonst hätte ich schon eine. Das Segment Miethäuser haben wir für unsere Solaranlagen und Speicher noch nicht erschlossen, das ist regulatorisch derzeit noch relativ schwierig. Das gilt auch für Gewerbeimmobilien. Wir sind bislang auf die Ausstattung von Eigenheimen spezialisiert. Aber allein in diesem Segment gibt es in Deutschland knapp zwölf Millionen Dächer, die wir ausstatten könnten. Neun von zehn haben noch keine Solaranlage. Das ist schon heute ein riesiger Markt, und er wird in Zukunft noch größer werden.
Enpal hat seit der Gründung vor fünf Jahren 14 000 Fotovoltaikanlagen installiert. Wie sehen die weiteren Wachstumspläne aus?
Von 2020 auf 2021 haben wir uns verdoppelt, und in diesem Jahr wollen wir uns mindestens noch einmal verdoppeln. Dieses Tempo wollen wir 2023 und darüber hinaus beibehalten. Denn der Markt ist da, und wir können so schnell wachsen. Wir haben operativ ein sehr starkes Team, das so ein Wachstum managen kann. Denn eine Verdoppelung jedes Jahr ist enorm in einem Geschäft mit Hardware-Komponente. Das kriegen so nicht viele Teams hin.
In der jüngsten Finanzierungsrunde unter Führung von Softbank hat Enpal eine Bewertung von mehr als 1 Mrd. Dollar erzielt. Was macht das erste „grüne Einhorn“ in Deutschland aus?
Der Markt für erneuerbare Energien rückt immer stärker in den Fokus von Investoren. Dazu kommt unser Wachstum auf Basis eines validen Geschäftsmodells. Die Investoren sehen, dass das eines der spannendsten Zukunftsfelder ist. Der Wandel hin zu grüner und dezentraler Energie geht ja gerade erst los, denn die Erneuerbaren sind mit Blick auf ihre Wirtschaftlichkeit in den vergangenen Jahren sehr viel besser geworden. Das ruft die Investoren auf den Plan, auch weil es große technologische Möglichkeiten für die Zukunft gibt. Stichworte sind virtuelle Kraftwerke, die Vernetzung dezentraler Energie, die Verbindung mit Elektromobilität – das wird in zehn Jahren eine ganz andere Welt sein.
Wie wird sich das Geschäftsmodell von Enpal verändern?
Im Moment steht bei uns die Fotovoltaikanlage und die Batterie im Zentrum. Was als Nächstes kommt, ist eine Wallbox, mit der man das Elektroauto laden kann. Das ist für unsere Kunden ein Meilenstein, weil das die Wirtschaftlichkeitsrechnung noch einmal massiv verbessert. Das werden wir als Komplettsystem anbieten. Darüber hinaus arbeiten wir an Lösungen für virtuelle Kraftwerke. Damit sollen Kunden, bei denen wir schon heute unsere Internet-of-Things-Lösung verbauen, mehr Möglichkeiten erhalten, die Energieflüsse zu steuern. Dann können sie Strom ins Netz oder perspektivisch zum Nachbarn verkaufen und mit anderen teilen. In diesem Jahr liegt der Fokus auf dem Komplettpaket mit der Wallbox.
Gibt es bereits Pläne für die Expansion über den Heimatmarkt Deutschland hinaus?
Die Internationalisierung steht wahrscheinlich im nächsten Jahr an, wir haben aber noch keine konkreten Märkte festgelegt. Das schauen wir uns in diesem Jahr an.
Wo kommen denn die Solaranlagen her, die Enpal installiert?
Wir sourcen den Großteil unserer Komponenten in China. Wir haben dort ein eigenes Team, das im Austausch mit den führenden Herstellern für Fotovoltaikmodule, für Wechselrichter und alle anderen erforderlichen Komponenten steht. Das wird alles in unsere Lager verschifft und dann mehrheitlich von unseren eigenen Installationsteams auf die Dächer gebracht, teilweise aber auch zusammen mit Partnern.
Wird China der einzige Sourcing-Standort bleiben?
China wird zumindest ein wichtiger Standort bleiben. Wir müssen uns aber natürlich Gedanken darüber machen, wie wir uns unter Risikogesichtspunkten weiter diversifizieren. Ich hoffe sehr, dass es bald auch wieder konkurrenzfähige Hardware aus Europa geben wird.
Hatten Sie in den vergangenen Monaten Schwierigkeiten in der Lieferkette?
Im Moment funktioniert das für uns sehr gut. Unsere Container waren zwar auch auf der „Ever Given“ mit drauf und haben im Suezkanal festgehangen. Trotzdem hatten wir immer genug Ware. Unser Büro in China macht da hervorragende Arbeit.
Solaranlagen für das Eigenheim gibt es schon länger. Wie differenziert sich Enpal im Wettbewerb?
Gegenüber dem Kunden differenzieren wir uns vor allem mit unserem Mietmodell. Wir schaffen es, das sehr komplexe Produkt Solaranlage mit Speicher für den Kunden so einfach wie möglich zu gestalten. Außerdem baut keiner im Markt so stark eigene Installationskapazitäten auf wie wir. Für uns außerdem ganz wichtig: Wir haben eine eigene Smart-Home-Software entwickelt, die alle Komponenten intelligent vernetzt. In Zukunft wird diese Software immer mehr Features bekommen. Das ist, als ob der Kunde ein Auto mit Software kaufen würde: Das Auto ist in zehn Jahren noch dasselbe, aber die Software kann dann schon viel mehr, vielleicht sogar autonom fahren. So ist das auch mit der Enpal-Lösung.
Was haben die Kunden vom Aufbau eigener Installationskapazitäten?
Wir versuchen die komplette Wertschöpfungskette abzubilden. Denn die externen Handwerkspartner bringen zwar viel Erfahrung mit, aber es gibt eben zu wenige Handwerker in Deutschland, um Anlagen schnell und in hoher Qualität zu bauen. Es gibt nur einen gewissen Pool an Handwerkern in Deutschland. Wenn man diesen Pool nicht erweitert, wird man auch kein so starkes Wachstum schaffen. Deshalb ist es für uns essenziell, eigene Kapazitäten aufzubauen.
Ist dafür ein Teil des frischen Kapitals reserviert, das Sie im vergangenen Jahr aufgenommen haben?
Wir haben relativ hohe Anlaufkosten, weil wir unsere Installateure in einer eigenen Akademie ausbilden. Bis die richtig in Tritt kommen, dauert es natürlich. Zweitens müssen wir die Anlagen zu einem großen Teil vorfinanzieren, wenn wir sie aus China sourcen. Dafür stehen Bankenlinien zur Verfügung, um das Working Capital zu steuern, aber wir brauchen dafür auch eigenes Kapital. Schließlich bauen wir unsere Tech-Mannschaft weiter aus.
Wie weit reichen die Mittel auf dem Wachstumspfad?
Wir haben im vergangenen Jahr 250 Mill. Euro eingesammelt, damit sind wir weich gebettet. Wir haben so viel Geld aufgenommen, wie wir brauchen. Wir versuchen jetzt natürlich, sehr behutsam und clever mit dem Geld hauszuhalten. Wir wachsen sehr stark, achten aber auch streng auf unsere Kosten.
Wann wollen Sie mit Enpal denn profitabel sein?
Das Ziel liegt in Sichtweite. Es ist kein Geheimnis, dass Start-ups am Anfang nicht profitabel sind, wenn sie große Wachstumsschritte machen. Wir haben aber einen Plan, und da steht auch etwas zur Profitabilität drin, worauf wir hart hinarbeiten. Ich weiß nicht, ob das schon in diesem Jahr der Fall sein wird. Das ist aber auch nicht Jahre entfernt.
Sie haben im vergangenen Jahr nicht nur erfolgreich Eigenkapital eingeworben, sondern auch eine große Fremdfinanzierung abgeschlossen. Was war für den CFO der wichtigere Meilenstein?
Wir brauchen das Fremdkapital für unser operatives Geschäft. Solange wir unser Mietmodell verfolgen, wird das zum Kerngeschäft gehören. Die Eigenkapitalfinanzierung brauchen wir natürlich auch. Und wenn uns namhafte Kreditgeber zu sehr guten Konditionen so viel Geld zur Verfügung stellen, können sich Risikokapitalgeber sicher sein, dass die ganz genau hingeschaut haben.
Die Fremdkapitalfinanzierung mit Adressen wie Blackrock hat es auch Risikokapitalinvestoren wie Softbank leichter gemacht, bei Enpal zu investieren?
Das war für Softbank wahrscheinlich ein weiterer Faktor. Wir haben von den Fremdkapitalgebern enorm viele Auflagen bekommen, wie eine Anlage aussehen muss und wie das alles dokumentiert sein muss, damit wir ihre Refinanzierungsbedingungen erfüllen. Wir haben deshalb mit die höchsten Qualitätsstandards im Markt dafür, wie so eine Anlage zu verbauen ist. Das ist für Eigenkapitalinvestoren ebenfalls ein Faktor, weil sie sicherer sein können, dass das Geschäftsmodell trägt und dass da auf die Qualität geachtet wird.
Es handelt sich bei der Fremdkapitalfinanzierung um eine Asset-Backed Facility?
Korrekt. Die Enpal GmbH und ihre Tochterunternehmen kaufen die Waren ein und sind für die Installation der Anlagen zuständig. In dem Moment, in dem die Qualitätssicherung abgenommen wird und das Portfolio-Management alle Haken gesetzt hat, dass die Anlage die Standards der Refinanzierer erfüllt, wird die Anlage an eines von mehreren Special Purpose Vehicles (SPV) verkauft, hinter denen verschiedene Fremdkapitalgeber wie Blackrock, Unicredit und Pricoa stehen.
Wie läuft die Rückzahlung?
Die Mieterlöse, die der Kunde für seine Anlage über die nächsten Jahre zahlt, gehen in das SPV. Darüber tilgen wir das Fremdkapital. Das ist so strukturiert, dass sich die gesamte Wartung ebenfalls aus diesen Mietrückflüssen refinanziert. Wir haben da auch einen gewissen Kapitalanteil mit drin. Deshalb kommt da für uns am Ende auch eine Rendite raus.
Sollen diese SPV-Strukturen irgendwann kapitalmarktfähig gemacht werden?
So weit sind wir noch nicht. Wir denken aber darüber nach, solche Strukturen aufzubauen, um das in die SPVs eingebrachte Kapital für weiteres Wachstum freizubekommen.
Hinter den SPVs stecken nicht nur globale Spieler wie Blackrock, sondern auch lokale Größen wie die Berliner Volksbank.
Ja, das ist eine spannende Geschichte. Ich war am Anfang ja noch nicht dabei, aber Mario (Firmengründer Mario Kohle, Red.) spricht bis heute gerne darüber, dass zu Beginn allein eine Sparkasse den Mut besaß, das Geschäftsmodell zu finanzieren. Die Berliner Volksbank war ebenfalls sehr früh dabei. Dann kamen die ING und die DKB dazu und jetzt eben große Institutionelle. Mittlerweile sind wir da breit aufgestellt.
Wie geht es nach den großen Finanzierungen im vergangenen Jahr weiter?
Auf der Fremdkapitalseite brauchen wir natürlich weiter große Linien. Im vergangenen Jahr haben wir rund 400 Mill. Euro eingeworben. Das wird uns in diesem Jahr ausreichen. Auch in Zukunft werden wir die bestehenden Linien erweitern müssen.
Und auf der Eigenkapitalseite?
Auf der Eigenkapitalseite reichen die Mittel erst einmal. Wie weit genau wird aber auch davon abhängen, was wir 2023 machen werden, ob wir dann die internationale Expansion angehen und welche Produktgruppen wir zusätzlich erschließen wollen. Stand heute konzentrieren wir uns zu hundert Prozent auf das operative Geschäft und auf die Wirtschaftlichkeit des Geschäftsmodells. Wir wollen profitabel und cashflowpositiv sein, damit wir unabhängig von Eigenkapitalaufnahmen werden. Das versetzt uns in die Lage, Eigenkapital nur dann aufzunehmen, wenn wir noch schneller wachsen und noch mehr Investitionen tätigen wollen.
Arbeiten, Sie denn auch schon an der Börsenfähigkeit von Enpal?
Das ist für uns im Moment kein Thema, auch weil wir im vergangenen Jahr so viel Eigenkapital aufgenommen haben. Insofern gilt in diesem Jahr hundert Prozent Konzentration auf das operative Geschäft.
Firmengründer Mario Kohle hat einmal vom „Heiligen Römischen Reich der Deutschen Netzbetreiber“ gesprochen. Was erhoffen Sie sich von der neuen Bundesregierung mit Blick auf die Regulatorik im Energiemarkt?
Eine Entbürokratisierung würde uns das Leben massiv erleichtern. Wir haben in Deutschland 900 verschiedene Netzbetreiber, bei denen wir jede neue Anlage anmelden müssen. Da geht vieles noch über den Postweg, und das dauert dann viel zu lange. Wenn die Regulatorik an dieser Stelle Bürokratie abbauen würde, wäre uns damit enorm geholfen.
Welche Auswirkungen wird die Abschaffung der EEG-Umlage für Ihr Geschäftsmodell haben?
Das ist für uns nicht entscheidend. Der Strompreis hat stark angezogen, was zumindest für die nächste Zeit den Effekt der EEG-Umlage kompensiert. Zugleich werden unsere Kunden in Zukunft immer mehr von Elektromobilität und neuen Erlösmodellen profitieren, die wir mit dem virtuellen Kraftwerk planen. Da sind wir ein Stück weit unabhängig, zumindest solange die grundlegenden Voraussetzungen im Energiemarkt so bleiben. Ich erwarte da eigentlich nur Rückenwind.
Zum Investorenzirkel von Enpal zählen neben Leonardo DiCaprio auch Peter Rive, ein Cousin von Elon Musk, und außerdem der Gründer von Solarcity. Können Sie sich seine Erfahrung zunutze machen?
Wir reden regelmäßig mit Peter. Das ist für uns ein Sechser im Lotto, weil er viele Probleme, die wir heute haben, schon einmal gelöst hat. Der amerikanische Markt ist da Jahre voraus. Insofern ist es super, so jemanden im Investorenkreis zu haben. Wir besprechen ganz handfeste operative Probleme mit ihm. Wie wir die Abläufe auf dem Bau organisieren, wie man optimale Routen für Handwerker festlegt und so weiter. Da geht es gar nicht immer um die große Strategie, sondern um die operativen Herausforderungen im Detail.
Auch Lawrence Leuschner, der Gründer des Berliner Mikromobilität-Anbieters Tier Mobility, hat bei Enpal investiert. Gibt es Möglichkeiten, Elektroroller mit Solarenergie zu kombinieren?
Darüber haben wir noch nicht gesprochen.Wir haben aber auch eine ganze Reihe anderer Start-up-Gründer aus Berlin in der Investorenriege mit dabei, zum Beispiel Circ-Gründer Lukasz Gadowski. Ein ehemaliger Mitarbeiter von ihm leitet unseren Einkauf in China. Die Gründer von Zalando, bei denen ich meine Karriere gestartet habe, sind ebenfalls investiert. Das ist auch der Grund, warum ich bei Enpal gelandet bin, denn sie haben die Verbindung hergestellt. Die Start-up-Szene in Berlin wird zwar immer größer und internationaler, ist aber doch immer noch eine kleine Familie.
Das Interview führte