„Wir sind nicht der CO2-Türsteher“
„Wir sind nicht der CO₂-Türsteher“
Banken müssen braune Firmen finanzieren, um sie grün zu machen, sagt DZ-Bank-Chef Riese – Spitzenbanker erwarten Fortschritte bei Kapitalmarktunion
Die Zuversicht wächst in der Finanzindustrie, dass die Kapitalmarktunion baldige Fortschritte zeitigt. Als einfachster Schritt empfehle sich zunächst die Belebung des lange geschmähten Verbriefungsmarktes, wie eine Diskussion von Topmanagern beim „Frankfurt Euro Finance Summit“ zeigte.
fir Frankfurt
In der Finanzindustrie herrscht Zuversicht, dass es mit der Kapitalmarktunion nun endlich vorangeht. Um das seit Jahren diskutierte Unterfangen, das den grenzüberschreitenden Zugang zur Kapitalmarktfinanzierung in Europa erleichtern soll, substanziell voranzubringen, verliefe der einfachste Weg über den Verbriefungsmarkt. Darin einig waren sich etwa die Finanzvorständin der Commerzbank, Bettina Orlopp, und der CEO der BNP Paribas Deutschland, Lutz Diederichs, in einer Diskussionsrunde von Spitzenbankern beim „Frankfurt Euro Finance Summit“ am Montag. Indem Banken Kredite bündeln und als Wertpapiere an Investoren am Kapitalmarkt verkaufen, ließen sich die Bankbilanzen entschlacken und das zur Kreditunterlegung freigewordene Eigenkapital für neue Darlehensvergaben nutzen, so die Erwartung.
Mangelnde Investitionsbereitschaft
Allerdings gab Orlopp auch zu bedenken, dass aktuell das Problem nicht mangelnde Kreditvergabe der Banken sei, sondern Investitionszurückhaltung der Wirtschaft. „Im Moment brauchen wir vor allem Unternehmen, die sich trauen, überhaupt zu investieren.“ Deshalb sei die Politik angehalten, mehr Zutrauen, Verlässlichkeit und Bürokratieabbau zu schaffen, um die Firmen zu Ausgaben zu ermuntern. Später sei dann die Kapitalmarktunion gefragt, sagte Orlopp. „Wenn wir irgendwann nicht mehr den Platz in unseren Bilanzen haben. Im Moment haben wir davon aber noch mehr als genug.“
Verbriefungen zu Unrecht verpönt
Auch Diederichs empfahl Verbriefungen als schnellsten und simpelsten Schritt hin zur Kapitalmarktunion. Den schlechten Ruf, der europäischen Verbriefungen seit der Finanzkrise bis heute anhängt, hätten sie aber zu Unrecht. Schließlich hätten sie in der Finanzkrise eine Ausfallrate von 2% aufgewiesen, ihre amerikanischen Pendants hingegen von 10%. „Das Problem waren nicht europäische Verbriefungen, sondern dass die Europäer US-Verbriefungen gekauft haben“, führte Diederichs aus.
Politik hat Bedeutung verstanden
Mittlerweile habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es ohne Verbriefungen nicht geht. „Die Politik hat parteiübergreifend verstanden, dass wir dieses Instrument brauchen.“ Schlagendes Argument, so Diederichs, sei, dass der nachhaltige Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft ohne Kapitalmarktunion nicht gelingen werde. „Man muss sich nur anschauen, dass bis 2030 insgesamt 600 Mrd. Euro in Deutschland für die grüne Transformation benötigt werden.“
Insgesamt sieht er die Kapitalmarktunion auf einem guten Weg. Das Thema steht in der EU oben auf der Agenda, und Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz sehen sich der Verwirklichung des Projekts verpflichtet.
DZ-Bank-Vorstandschef Cornelius Riese trieb die Sorge um, dass angesichts der riesigen erforderlichen Summen früher oder später Schattenbanken in die Bresche springen, um die Transformation zu stemmen. „Das ist eine ganz große Gefahr“, sagte Riese, der den alleinigen Vorstandsvorsitz innehat, seit Co-Chef Uwe Fröhlich dieser Tage in den Ruhestand gegangen ist.
95 Prozent der Firmen sind noch braun
Riese beklagte eine häufig zu beobachtende Konzentration auf bereits grüne Unternehmen und eine gewisse „Empörungsdiskussion“, wenn Banken CO2-intensive, also braune Firmen finanzieren. Dahinter stehe die Annahme, dass jene Banken am besten seien, die sich so schnell wie möglich solcher Engagements in den Portfolios entledigten. „Das Dumme daran ist nur, dass 95% der Unternehmen braun sind.“ Es müsse klar werden, dass die Aufgabe der Banken darin bestehe, braune Unternehmen grün zu machen. „Wir sind nicht der CO2-Türsteher, sondern wir sind Transformationsbegleiter“, machte Riese deutlich.
Wettbewerbsfähigkeit wirft Fragen auf
KfW-Vorstandchef Stefan Wintels stellte die Frage in den Raum, ob die europäische Finanzindustrie wettbewerbsfähig ist, wenn es um die Finanzierung von grüner Transformation und von Zukunftsinvestitionen geht. Ihr hielt er zwar Stabilität zugute, wie auch der alles in allem gut verarbeitete Zinsschock durch die rapiden Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) ab Sommer 2022 gezeigt habe – im Gegensatz zu den USA, wo Regionalbanken in die Knie gingen. „Doch reicht es, ein Finanzsystem zu haben, das sicher ist, oder brauchen wir ein Finanzsystem, das auch wettbewerbsfähig ist?“, so der KfW-Vorstandsvorsitzende.
Was den wachsenden Schattenbankensektor angeht, der weitgehend unreguliert ist, zeigte Wintels Unbehagen: „Ich finde es schwer nachzuvollziehen, dass wir glauben, die Bankenindustrie über Regulierung immer sicherer zu machen, sie dadurch aber implizit schwächen. Während der nicht regulierte Sektor außerhalb der Bankenindustrie überproportional groß wird. Das leuchtet mir nicht ein.“