Bondausblick

Für die Anleihemärkte wird es spannend

Im Jahr 2023 wird sich zeigen, wie weit die Zentralbanken die Leitzinsen noch anheben können. Die Anleiherenditen könnten infolge eines geldpolitischen Schwenks durchaus fallen.

Für die Anleihemärkte wird es spannend

Für die Anleihemärkte wird das an­brechende Jahr aller Voraussicht nach ein Jahr des Übergangs. Es wird sich in den kommenden zwölf Monaten zeigen müssen, ob die großen internationalen Notenbanken wie die Federal Reserve, Europäische Zentralbank, Bank of England (BoE) ihren Straffungskurs in der Geldpolitik fortsetzen können bzw. diesen abbremsen oder womöglich schon umkehren müssen. So hat zwar die EZB bei ihrer letzten Sitzung im alten Jahr in Aussicht gestellt, dass es 2023 weitere Leitzinsanhebungen geben wird, diese aber nicht mehr in der Größenordnung von 75 Basispunkten erfolgen werden, sondern in einer gemächlicheren Gangart. Erhöhungen um 50 Basispunkte waren es zuletzt bei der EZB wie auch bei der Fed und der BoE. Aber die Europäische Zentralbank hat eben auch klar kommuniziert, dass sie den Kampf gegen die Inflation weiterführen wird. Andere Notenbanken sind dagegen schon am Ende der Fahnenstange angekommen.

Zinssteigerungen sind unstrittig

Dass die Notenbanken zur Bekämpfung der Inflation die Leitzinsen anheben mussten, ist unter Ökonomen weitgehend unbestritten, denn der Geldwert für private Haushalte sowie Unternehmen muss stabil gehalten werden. Allerdings haben die Notenbanken nun auch schon ein gutes Stück auf der Wegstrecke hin zu stabilerem Geldwert zurückgelegt, auch wenn sie diesen Weg nach Meinung mancher Experten erst ein wenig zu spät beschritten haben. Auch das kann verständlicherweise erst in ein paar Jahren beurteilt werden, wenn Marktteilnehmer die gesamte Historie aus Inflation, Zinssteigerungen und damit in Zusammenhang stehender Konjunkturentwicklung betrachten können.

So könnten die Währungshüter 2023 aber auch bereits zu der Einsicht kommen, dass sie nach ihrem zu späten Beginn mit den Zinssteigerungen nun womöglich über das Ziel hinausschießen oder zumindest Gefahr laufen, dies zu tun. Und auch das birgt erhebliche Gefahren – genauso wie der zu späte Beginn der Zinssteigerungen. Schließlich waren Anfang des Jahres 2022 ja noch viele Währungshüter und Marktteilnehmer der Meinung, Zinssteigerungen seien überhaupt nicht erforderlich.

Die Signale, die derzeit von den Anleihemärkten kommen, fallen aber auch sehr deutlich aus. Die Renditekurven der Staatsanleihen in den USA, der Eurozone – der Bundesanleihen, die die Benchmarkpapiere des gemeinsamen Währungsraumes darstellen – und Großbritanniens sind im Jahr 2022 invertiert. Das bedeutet: Die langfristigen Bondrenditen etwa im zehn- oder 30-jährigen Bereich liegen unter den Sätzen, die im kurzlaufenden Bereich an der Tagesordnung sind, also etwa bei den zweijährigen Laufzeiten. In der traditionellen Lesart heißt dies, dass die Märkte sich darauf einstellen, dass es nicht nur zu einer konjunkturellen Verlangsamung kommt, sondern dass die Volkswirtschaften der betreffenden Staaten in die Rezession abrutschen. Dies ist zum Teil auch schon geschehen. Die Eurozone steht kurz davor.

Verlässlicher Signalgeber

Die Akteure am Bondmarkt stellen sich bei einer inversen Zinsstruktur darauf ein, dass die Notenbanken dann wieder auf diese Rezession reagieren müssen – und zwar mit Zinssenkungen, um der Wirtschaft auf die Beine zu helfen. Diese Erwartung längerfristig zurückgehender Zinsen bilden die niedrigeren langfristigen Anleiherenditen ab. In der Vergangenheit hat die inverse Zinsstruktur einen sehr guten Signalgeber für die konjunkturelle Entwicklung dargestellt, auch wenn einige Marktteilnehmer dies im Vorhinein wie auch heute wiederholt in Frage stellen.

Die Inversion der Zinsstruktur zeigte die Rezession etwa in den Vereinigten Staaten in den vergangenen fünf bis sechs Dekaden verlässlich an, ging doch praktisch jeder Rezession der US-Wirtschaft mit einem Vorlauf von vier bis acht Quartalen eine inverse Zinsstruktur voraus.

Und auch in der aktuellen Situation müssen sich Wirtschaftssubjekte – der inversen Zinsstruktur als Signalgeber auch für die Eurozone folgend – auf eine Rezession einstellen, allein das Ausmaß derselben ist unbekannt und lässt sich auch nur schwer abschätzen. Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, die durch den Ukraine-Krieg verschärfte Energiekrise, aber auch die Zinssteigerungen der Notenbanken im Kampf gegen die Inflation setzen die Wirtschaft – also Unternehmen, aber auch die privaten Haushalte – unter Druck. Es kommen also viele Faktoren zusammen. Zu den Kostensteigerungen über den Energiebereich und auch bei Vorprodukten gesellen sich somit noch die erheblichen Belastungen auf der Finanzierungsseite.

Treffer aus mehreren Richtungen

Höhere Leitzinsen haben an den Anleihemärkten auch zu höheren Renditen der be­treffenden Bonds beigetragen. Kommt es nun zur Rezession, werden die Unternehmen gleich mehrfach getroffen: höhere Energiekosten­, höhere Kosten bei Vorprodukten und damit im gesamten Produktionsprozess, hö­here Gehaltskosten aufgrund der Forderungen nach Inflationsausgleich und dann auch noch höhere Kosten auf der Finanzierungsseite. Im Jahr 2023 als Jahr des Übergangs wird sich zeigen müssen, welche Unternehmen sich mit ihren Geschäftsmodellen dagegen behaupten können. Insolvenzen werden in diesem Umfeld zunehmen. Zwar gehen die meisten Volkswirte nicht von einer Lawine an Pleiten aus, aber eben doch von einem Anstieg. Und dann wird sich auch zeigen, wie weit die Zentralbanken noch Leitzinsanhebungen vornehmen können oder ob sie nicht vielmehr ihre Leitsätze senken müssen.

An den Anleihemärkten wird dies vorweggenommen. Die langfristigen Zinsen liegen dort bereits unter den kurzfristigen Sätzen. Die Marktteilnehmer gehen davon aus, dass im zweiten Halbjahr vielerorten das Ende der Leitzinserhöhungen erreicht sein wird und die internationalen Notenbanken dann umschwenken – wie so oft in der Vergangenheit, die aber keinen Garanten für die Zukunft darstellt. Und hinzu kommt ein weiterer Faktor: In Erwartung weiter sinkender Bondrenditen werden viele Anleger bei Anleihen zugreifen. Das drückt die Renditen zusätzlich.

Von Kai Johannsen, Frankfurt