Klima-Offenlegungspflichten

US-Börsen­aufsicht lässt Realitäts­bezug vermissen

Die SEC plant umfassende Klima-Offenlegungspflichten – muss nach heftigem Gegenwind aber wohl zurückrudern. Nun sollte sich die US-Aufsicht fragen, ob ihr konfrontatives Vorgehen wirklich sinnvoll ist.

US-Börsen­aufsicht lässt Realitäts­bezug vermissen

Um nachhaltige Investments und Anlagekriterien tobt in den USA ein politisch aufgeladener Streit. Regulatorische Schritte in Bezug auf den Umweltschutz, soziale Faktoren und eine gute Unternehmensführung stehen daher stark im Fokus – insofern ist äußerst aufschlussreich, dass die derzeit demokratisch dominierte US-Börsenaufsicht SEC bei geplanten Klima-Offenlegungspflichten nun offenbar zurückrudert. Noch im Frühjahr 2022 stellte die Behörde einen umfangreichen Katalog an Regeln vor, gemäß denen Unternehmen zahlreiche neue Daten in ihre testierten Finanzberichte aufnehmen müssten. Dazu zählen nicht nur der eigene Kohlendioxid-Ausstoß und Energieverbrauch, sondern auch Emissionen entlang der Lieferkette. Firmen müssten klimabezogene Kosten und Risiken und deren Einfluss auf jede Komponente ihres Zahlenwerks prüfen – zum Beispiel Schäden und Gefahren durch Waldbrände, aber auch Belastungen infolge der Einführung einer CO2-Obergrenze.

Investoren, Unternehmen und – vor allem republikanische – Politiker sind in den vergangenen Monaten gegen das Vorhaben Sturm gelaufen. Laut Insidern erwägt die SEC in der Folge nun weniger strenge Regeln als ursprünglich avisiert. Nach den im vergangenen Jahr vorgelegten Plänen der Aufsicht müssten Unternehmen alle Kosten transparent machen, die ein Volumen von 1% der zugehörigen Kennzahl im Finanzbericht überstiegen – der Vermögensverwalter Blackrock kritisierte, dies werde zu hochgradig unpräzisen Offenlegungen und einer unmäßigen Belastung durch höhere Compliance-Kosten führen. Einer der Kompromissvorschläge der Aufsicht besteht nun wohl darin, die Untergrenze heraufzusetzen.

Aus Behördenkreisen ist unterdessen zu hören, wie überrascht SEC-Offizielle über den heftigen Gegenwind für ihre Pläne waren. Dies lässt am Realitätsbezug der Aufsicht zweifeln. Denn dass sich Wirtschaftssubjekte gegen Regeln wehren, die für sie steigende Kosten und eine komplexere Bilanzierung nach sich ziehen, sollte sich von selbst verstehen. Der E-Commerce-Riese Amazon betont, infolge der geplanten Regulierung müssten Unternehmen „extrem schwierige, wenn nicht unmögliche“ Analysen vornehmen. Viele der in diesem Zuge berechneten Werte würden dann auf Spekulationen und subjektiven Einschätzungen beruhen. Gegenüber dem jetzigen Zustand, in dem Unternehmen die klimaverbundenen Kosten und Risiken offenlegen, die ihrer Auffassung nach signifikant sind, wäre also keine Verbesserung erreicht – vielmehr dürfte der steigende Kostendruck auch zur Belastung für Anleger werden.

Dies soll nicht bedeuten, dass die SEC mit ihren Plänen kein reales Problem adressiert. Zahlreiche Analysen zeigen, dass amerikanische Unternehmen Klimarisiken in ihren Finanzberichten zu wenig berücksichtigen – mit potenziell erheblichen Folgen für die internationalen Finanzmärkte, denen die US-Berichtsaison wiederholt entscheidende Impulse liefert. Allerdings sollte die SEC prüfen, ob sie mit ihrem konfrontativen Vorgehen wirklich die besten Ergebnisse für Investoren und den Gesamtmarkt erzielt.

Denn die Behörde ist unter ihrem demokratischen Vorsitzenden Gary Gensler in zahlreichen weiteren Fällen vorgeprescht, ohne sich tiefer mit betroffenen Unternehmen und Finanzdienstleistern abzustimmen. Dies gilt auch für eine derzeit in der Konsultation befindliche Reform des Aktienhandels, mit der die SEC die Praxis des Payment for Orderflow ins Visier nimmt. Durch die Einführung eines Einzelauktionssystems für Orders will Gensler einen höheren Wettbewerb unter Handelsdienstleistern und damit Vorteile für Anleger schaffen. Dass Brokern durch den Wegfall von Rückvergütungen aber eine wichtige Einnahmequelle fehlt und viele dies durch die Wiedereinführung von Handelsgebühren ausgleichen müssten, ist in die Betrachtung offenbar nur unzureichend eingeflossen.

Natürlich sollte die Aufsicht nicht in vorauseilendem Gehorsam gegenüber Wirtschaftssubjekten handeln. Doch dürfte es häufig taktisch klüger sein, Unternehmen in die Erstellung neuer Regelwerke einzubinden – statt sie mit erschöpfenden Katalogen zu konfrontieren, die sie rundheraus ablehnen. Denn die Folge letzteren Vorgehens sind zumeist lange Rechtsstreitigkeiten, die weder den Markt noch die Regulierungsbehörde voranbringen. Mit dem aktuellen Zurückrudern will die SEC wohl solchen Prozessen vorbeugen oder zumindest vor Gericht ihre Verhandlungsbereitschaft nachweisen können. Dass hinter der Gesprächsoffenheit künftig mehr als ein juristischer Schachzug steht, wäre wünschenswert – gerade in Bezug auf das politisch umkämpfte Thema ESG.