Aktives Primärmarkt-Jahr voraus
xaw Frankfurt
Die Société Générale erwartet im kommenden Jahr eine steigende Volatilität an den Märkten. So dürfte die instabile Entwicklung der Rohstoffmärkte ebenso wie Lieferkettenprobleme und das verlangsamte Wachstum Chinas für Schwankungen sorgen. Die Anleger hätten bereits im laufenden Jahr wiederholt zwischen Sektoren umgeschichtet, die Performance einzelner Branchen sei auseinandergelaufen. Versorger müssten die Energiewende in ihrem Erzeugermix abbilden und hätten stark darunter gelitten, während Bankaktien von einem anziehenden Geschäft mit Fusionen und Übernahmen (M&A) profitiert hätten.
Zudem habe die Pandemie Tech-Aktien angetrieben. „Allerdings ist der Stoxx-Index der Technologiebranche mit einem rekordhohen Kurs-Gewinn-Verhältnis inzwischen überhitzt“, sagte Ralf Darpe, Head of Equity Capital Markets bei der Société Générale, am Dienstag. Über alle Sektoren hinweg hätten sich die Bewertungen jedoch normalisiert. Aufgrund robuster Unternehmensgewinne und einer günstigen Zinssituation sei weiterhin eine positive Performance zu erwarten, die den Dax bis Ende 2022 auf das Niveau von 17000 Punkten führen werde. Das freundliche Umfeld für Aktien mache sich am Primärmarkt in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA) bemerkbar. Das Volumen der 1127 im laufenden Jahr vorgenommenen Transaktionen belaufe sich auf 240 Mrd. Euro, im Vorjahr waren es 970 Transaktionen im Umfang von 192 Mrd. Euro. „Die Aktivität hat sich 2021 im Gegensatz zum Vorjahr über das gesamte Jahr verteilt“, sagte Darpe.
Die Nachfrage nach Aktien werde hoch bleiben, da andere Assetklassen sich weniger attraktiv ausnähmen. Diese Alternativlosigkeit, kombiniert mit einer robusten Wirtschaftslage und einer hohen M&A-Aktivität, werde das Primärmarkt-Volumen in EMEA auf 263 Mrd. Euro treiben. Beschleunigte Bookbuilding-Verfahren (ABB) – bei denen gezielt potenzielle Investoren angesprochen werden, die innerhalb kurzer Zeit Orders abgeben müssen, – dürften sich laut Société Générale hoher Beliebtheit erfreuen. „In Zeiten erhöhter Volatilität eignet sich der ABB-Markt für Unternehmen durch seine Schnelligkeit und Flexibilität, um neues Kapital aufzunehmen“, so Darpe.
Dagegen böten Zeiten hoher Volatilität ein schwieriges Umfeld für IPOs. Dies sei 2020 zu beobachten gewesen, als viele Unternehmen nicht in einer Phase starker Marktverwerfungen an die Börse hätten gehen wollen. In der Folge habe sich die Pipeline aufgestaut und habe sich 2021 entladen. „Mit einem Volumen von 77 Mrd. Euro hat die Region EMEA das stärkste IPO-Jahr seit einer Dekade verzeichnet“, betonte Darpe. Im kommenden Jahr sei dagegen mit 60 Mrd. Euro zu rechnen.
Inwieweit sich Börsengänge via Special Purpose Acquisition Company (Spac) durchsetzen werden, dürften laut der französischen Großbank die kommenden zwei Jahre zeigen. „Es steht zu erwarten, dass auf regulatorischer Seite noch Nachbesserungen kommen. Denn es muss sichergestellt sein, dass das jeweilige Portfoliounternehmen die gleichen Anforderungen erfüllt wie jede andere börsennotierte Gesellschaft auch“, sagt Darpe. Wer Spacs platzieren wolle, müsse zudem über Manager mit einer starken Erfolgshistorie verfügen sowie dem Markt eine spannende Wachstumsstory anbieten. Damit dürften sich Spac-Deals weiterhin vor allem im Tech-Sektor abspielen.
Auch auf Anleiheseite ist die Inflationsentwicklung laut Société Générale ein Schlüsselthema für das kommende Jahr. „Dabei wird die grüne und nachhaltige Wende eine besondere Rolle spielen“, sagte Martin Wagenknecht, Head of Debt Capital Markets bei dem Geldhaus. So dürfte die CO2-Bepreisung zu unterschiedlichen Preisentwicklungen in verschiedenen Sektoren führen, was sich auf den Markt für Unternehmensanleihen auswirken und Renditeabstände zwischen Branchen vergrößern werde.
Am Primärmarkt trage Nachhaltigkeit indes entscheidend zum Wachstum bei. Im laufenden Jahr seien Green, Social, Sustainability und Sustainability-Linked Bonds mit 758 Mrd. Euro für 15% der gesamten Emissionsvolumina verantwortlich. Im kommenden Jahr werde das Volumen im Nachhaltigkeitsbereich auf 1 Bill. Euro steigen. Unterdessen habe sich das Greenium, also die Renditedifferenz zwischen vergleichbaren grünen und konventionellen Anleihen eines Emittenten, zuletzt eingekürzt. „Wenn der Anteil von Nachhaltigkeitsbonds am Gesamtmarkt steigt, werden Investoren nicht mehr über die teurere Bepreisung dieser Anleihen, sondern zunehmend über die Nachteile konventioneller Titel sprechen“, sagt Wagenknecht.
Blockchain im Trend
Ein weiteres Trendthema, das die französische Großbank ausgemacht hat, ist die Emission von Anleihen auf Blockchain-Basis. Die Société Générale hat im April gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank (EIB), Goldman Sachs und Santander einen solchen digitalen Titel begeben. „Wenn sich Anleihen auf Blockchain-Basis durchsetzen, – und das ist eher eine Frage der Zeit – wird dies zu gravierenden Veränderungen führen“, sagt Wagenknecht. Der Verwaltungs-, Verarbeitungs- und Handelsprozess werde sich dadurch signifikant vereinfachen. Auf der Bankenseite ist angesichts der in Aussicht stehenden Effizienzgewinne laut Société Générale schon viel Dynamik entstanden, auf der Investorenseite sei das Interesse aber noch nicht so fortgeschritten. Bis alle europäischen Fixed-Income-Investoren bereit für Blockchain-Emissionen seien, werde es noch einige Jahre dauern.