Machtwechsel in den USA wird die Märkte aufmischen
US-Machtwechsel wird Märkte aufmischen
Zahlreiche Sektoren am US-Aktienmarkt betroffen – International gibt es Chancen und Risiken – Kurzfristig ist Druck auf den Dollar möglich
Die Binsenweisheit, dass politische Börsen kurze Beine haben, gilt für den Regierungswechsel in Washington diesmal möglicherweise nicht. Der radikale Kurswechsel in der US-Politik hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Aktienmärkte in den USA und international und betrifft viele Branchen.
ku Frankfurt
Die ersten Marktreaktionen auf die Amtsübernahme des neuen US-Präsidenten Donald Trump waren in den USA positiv mit spürbaren Anstiegen der großen Aktienindizes. In Europa gab es wenigstens keine größeren Verluste an den Börsen. Dies lag wohl daran, dass es trotz fieberhafter Aktivitäten mit zahlreichen Executive Orders des neuen Präsidenten noch keine Strafzölle gegen andere Länder gab. Dennoch sind sich die meisten Analysten einig, dass der Machtwechsel in Washington diesmal durchaus weitreichende Folgen für die Finanzmärkte und die einzelnen Assetklassen haben kann – dass also die alte Börsenweisheit, dass politische Börsen kurze Beine haben, diesmal nicht unbedingt zutreffen muss.
Die Analysten von Goldman Sachs merken an, dass es unmittelbar nach der Wahl bereits weitreichende Marktreaktionen gab, die sich seither aber teilweise sogar vollständig wieder abgebaut hätten. Damit gebe es für Anleger interessante Gelegenheiten, um sich am Aktienmarkt zu positionieren und von dem politischen Kurswechsel in Washington zu profitieren.
Gegenwind für asiatische Technologiewerte
Zu dem aus Marktsicht wohl wichtigsten Thema, den in Aussicht gestellten umfangreichen Strafzöllen merken die Analysten an, dass insbesondere für den Konsumgütersektor wegen der Zölle mit Gegenwind zu rechnen sei. Dass es am ersten Tag in dieser Hinsicht noch keine Beschlüsse der neuen US-Regierung gegeben hat und möglicherweise auch in den nächsten Tagen noch nicht geben wird, misst Alec Philips, Chief Political Strategist von Goldman Sachs, keine große Bedeutung bei. Er geht davon aus, dass Trump großen Wert darauf legt, dass es in den ersten Tagen seiner Amtszeit positive Reaktionen der Medien und insbesondere auch der Märkte gibt. Letztlich erwartet Philips aber, dass umfangreiche Zölle komnen werden, die bei chinesischen Gütern bis zu 60% ausmachen können. Auf Autos aus Europa rechnen die Analysten mit einem Anstieg der Zölle um im Durchschnitt 22,5% Punkte. Die Zölle auf in Mexiko produzierte chinesische Elektroautos könnten gar um 97,5% Punkte klettern. Damit dürften Europas Autokonzerne, aber auch chinesische Hersteller von Elektroautos, zu den großen Verlieren zählen. Neue Restriktionen im Bereich der Hochtechnologie werde nach Einschätzung viele Analysten vor allem auch die asiatischen Technologiewerte in ihren Geschäftsmöglichkeiten und ihrer Börsen-Performance begrenzen. Demgegenüber könnte insbesondere die koreanische Schiffbaubranche von den Plänen der neuen Regierung profitieren, deutlich mehr LNG-Erdgas zu exportieren, sowie auch von den Plänen, deutlich mehr Kriegsschiffe für die US-Marine zu bauen.
Gefahr für den US-Einzelhandel
Auf dem amerikanischen Aktienmarkt werden für viele Branchen Gefahren gesehen. In ihrem Basis-Szenario rechnet Goldman Sachs damit, dass es auf sämtliche amerikanischen Importe aus China Zölle in Höhe von durchschnittlich 20% geben wird, dass Trump aber letztlich keine flächendeckenden Zölle auf Produkte aus Mexiko und Kanada erheben wird. Durch die neuen Zölle, die gemäß den Schätzungen von Goldman Sachs bezogen auf sämtliche amerikanischen Importe zusätzliche 3,4 Prozentpunkte ausmachen sollen, seien in erster Linie amerikanische Einzelhandelswerte gefährdet, die seit den Wahlen aufgrund der mit Trump verbundenen Konjunkturhoffnungen überdurchschnittlich abschnitten. Die Analysten von Goldman sind nun der Meinung, dass sich dieser Trend umkehren wird, weil viele Unternehmen nun von höheren Kosten betroffen seien. Trump hat inzwischen angekündigt, dass es bereits ab dem 1. Februar Zölle von 25 % auf Importe aus Kanada und Mexiko geben soll. Dies würde die Belastungen beispielsweise für den amerikanischen Einzelhandel noch weiter erhöhen.
Knappheit an Arbeitskräften
Ein weiterer für die Märkte wichtiger Punkt ist nach Einschätzung der Experten die von Trump in Aussicht gestellte starke Einschränkung der Migration, die zu Knappheit an Arbeitskräften führen könne. Davon betroffen seien in erster Linie Restaurantketten und Lebensmitteleinzelhändler, Hotels und auch die Bauindustrie. In diesem Branchen hätten Arbeitskosten einen hohen Anteil, gleichzeitig seien die Löhne und Gehälter unterdurchschnittlich. In diesem Branchen habe es bereits negative Reaktionen auf die Wahl Donald Trumps gegeben, mit einer Fortsetzung dieses Trends sei zu rechnen. Allerdings gehen die Ökonomen der US-Großbank nicht davon aus, dass sich für die gesamte amerikanische Volkswirtschaft eine Art Schock aufgrund stark steigender Arbeitskosten geben werde. Ihrer Meinung nach sind die Reaktionen im wesentlichen auf die genannten Branche begrenzt.
Angst vor Robert Kennedy jr.
Eine von Trump in Aussicht gestellte Personalie, nämlich die geplante Ernennung des Pharma-Kritikers und früheren Verbraucheranwalts Robert F. Kennedy jr., hat bereits zu deutlichen Reaktionen im Bereich der amerikanischen Pharma-Aktien geführt, die sich deutlich schlechter entwickelten als der Gesamtmarkt. Hier sehen die Analysten vor allem Probleme für Pharmaunternehmen, die Impfstoffe herstellen mit Blick auf eine zunehmende öffentliche Kritik an Impfungen sowie der Tatsache, dass amerikanische Schulen künftig weniger Impfungen verpflichtend machen könnten. Probleme durch Kennedy werden aber auch in ganz anderen Bereichen gesehen. So könne es für die Lebensmittelindustrie, insbesondere die Hersteller stark verarbeiteter verpackter Lebensmittel und Getränke, striktere Anforderungen für den Einsatz von Zusatzstoffen sowie sonstiger Chemikalien und auch Düngemittel geben, was zu einem deutlichen Anstieg der Kosten führen könne, der womöglich nicht an die Konsumenten weitergegeben werden könne.
Gegenwind nehmen die Experten der Bank auch für Unternehmen an, die stark auf Aufträge der Regierung ausgerichtet sind. Die Analysten spielen hier auf das neue, gemäß den bisherigen Planungen von Elon Musk geleitete Gremium zur Förderung der Effizienz der Regierung an. Negativ betroffen seien hier unter anderem Rüstungskonzerne, deren Gewinne seit dem Beginn der Corona-Pandemie nur um 12% gestiegen, deren Bewertungen aber nach wie vor hoch seien. Ebenfalls leiden könnten diejenigen börsennotierten Unternehmen aus dem Gesundheitssektor, die nach wie vor Zahlungen der Regierung erhielten im Zusammenhang mit der Pandemie. Darüber hinaus werden Probleme gesehen für Beratungsunternehmen und Datendienstleister, die für die Regierung keine essentiell wichtigen Dienstleistungen erbringen.
Probleme mit Schulden
Die von Trump geplanten Steuererleichterungen bei weiterhin hohen Ausgaben haben bereits dazu geführt, dass die Rendite zehnjähriger amerikanischer Treasuries seit Mitte September um mehr als einen vollen Prozentpunkt gestiegen ist. Damit sehen die Analysten Probleme für Aktien von Unternehmen mit einem hohen Anteil an Fremdkapital sowie insbesondere auch für Technologieunternehmen, die noch keine Gewinne erzielen und daher auf Finanzierungen angewiesen sind.
Gefahren sehen zumindest kurzfristig viele Analysten für den Dollar, der sich bislang seit den Wahlen im historischen Vergleich weit überdurchschnittlich fest gezeigt hat (vgl. Grafik). Er könnte, so wird erwartet, durch die Verkündung weitreichender Zölle zunächst spürbar unter Druck geraten. Dafür spricht auch, dass es zuletzt einen starken Anstieg der Netto-Long-Positionen auf den Dollar-Index gegeben hat. Mit Blick auf die von vielen Analysten erwartete langfristige Stärke des Dollar raten die Experten der amerikanischen Großbank auch dazu, auf Unternehmen mit einem hohen Anteil von in den USA erzielten Erlösen long zu gehen, demgegenüber aber bei Aktien von Unternehmen mit einem hohen Anteil internationaler Umsätze Short-Positionen einzugehen.
Einfluss auf den Ölpreis
Deutliche Auswirkungen könnte es auch auf den Ölpreis geben, wobei aber die von der US-Regierung in Aussicht gestellten Initiativen den Ölpreis sowohl stützen als auch unter Druck setzen könnten. So will Trump die Erschließung neuer Öl- und Gasquellen in den USA nach Kräften fördern, was das Angebot vergrößert. Gleichzeitig will er die von der Biden-Administration weitgehend geplünderte strategische Ölreserve der USA wieder auffüllen, was für zusätzliche Nachfrage sorgen würde. Im Hinblick auf den Iran plant Trump offensichtlich keinen Krieg, der die Exporte der iranischen Ölindustrie lahmlegen würde, allerdings droht er mit neuen Sanktionen gegen das Land, die sich auf die Ölexporte auswirken würden. Und ob Trump die jüngst von Biden verhängten zusätzlichen Sanktionen gegen die russische Ölindustrie aufheben wird, steht noch in den Sternen.