„Positives Signal für europäische Aktien“
Im Gespräch: Reinhard Pfingsten
„Positives Signal für europäische Aktien“
Der CIO der Apobank über die Auswirkungen des Finanzpakets, die hohe Bewertung von US-Aktien und steigende Bundrenditen
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Der CIO der Apobank wertet im Gespräch mit der Börsen-Zeitung das Finanzpaket als positiv für europäische Aktien. In den USA habe die Korrektur der Magnificent Seven erst begonnen. Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen dürften ansteigen und der Euro werde sich gegenüber dem Dollar weiter befestigen.
Im laufenden Jahr haben deutsche und europäische Aktien deutlich zugelegt, während die zuvor lange Zeit favorisierten US-Titel korrigiert haben. Dabei wird insbesondere die Zeitenwende in Deutschland mit der Verabschiedung eines umfangreichen Finanzpakets für Verteidigung und Infrastruktur positiv bewertet. „Die Verabschiedung des Finanzpakets ist ein positives Signal für europäische Aktien“, erklärt Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer (CIO) der Apobank, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Der Effekt des Investitionspakets ist bis zu 1% zusätzliches Wachstum in Europa für die kommenden zehn Jahre. Zusätzliches Wachstum schlägt natürlich dann entsprechend auch auf die Unternehmensgewinne durch.“
EZB wird weiter senken
Schon seit Beginn des Jahres habe die Apobank europäische Aktien mit Übergewichten eingestuft. Die Verabschiedung des Finanzpakets bestätige diese Einschätzung. „Wir sehen daher auf absehbare Zeit mehr Potenzial für europäische Aktien, zumal auch die EZB die Leitzinsen weiter senken wird“, sagt Pfingsten. „Die drei großen Treiber sind dabei Binnenmarkt, Infrastruktur und Verteidigung.“ Sowohl in europäische ETFs als auch in europäische Aktienfonds seien nun Nettozuflüsse zu sehen. Die Investoren würden nun Gelder in Richtung Europa umlenken.
„Im Vergleich dazu sind US-Aktien mit einem Shiller-KGV von rund 37 noch immer hoch bewertet“, sagt der CIO der Apobank. „Wir haben seit geraumer Zeit US-Titel untergewichtet und halten auch daran weiter fest. Insgesamt sind wir für Aktien ein wenig vorsichtig.“ Die Politik des früheren und neuen US-Präsidenten Donald Trump sei inzwischen zu einem Belastungsfaktor für die Märkte geworden. „Trumps Zollkrieg und dass Trump wahnsinnig erratisch ist, sorgen natürlich für Unsicherheit, was vor allem auch auf den US-Aktienmarkt durchschlägt.“
Chancen bei Autos
Aufgrund der Unsicherheiten und einer gewissen Konsumzurückhaltung habe man auch die Konjunkturprognose für die USA ein wenig zurückgenommen. „In den USA ist die Korrektur der Magnificent Seven noch nicht vorbei, sondern hat erst begonnen“ erklärt Pfingsten. „Doch sind die US-Tech-Unternehmen fast alle hochprofitabel. Auf niedrigerem Kursniveau dürften diese Titel dann wieder interessant werden.“
Die landläufige Meinung sei, dass wenn der US-Aktienmarkt korrigiere, dann treffe dies die europäischen Märkte oder den Dax deutlich mehr. Empirisch sei dies aber gar nicht so. Bei Aktienmarktkorrekturen in den USA schaffe es Europa durchaus häufiger, sich besser zu entwickeln. Nun bestehe die Zuversicht, dass wir in Europa tatsächlich mehr Wachstum generieren könnten. Auch in Brüssel sei die Sichtweise auf viele Dinge plötzlich eine andere, wie zum Beispiel das Thema CO2-Flottenemissionen zeige, die man den Automobilproduzenten auferlegt habe. Per Federstrich habe man diese Auflagen plötzlich zeitlich nach hinten gezogen. Für die kommenden Monate biete die Autoindustrie daher durchaus Chancen. Das sei aber kein langfristiges Investment. „Vor allem Nebenwerte profitieren in Europa von der Deregulierung und der Stärkung des Binnenmarkts“, erläutert der Stratege. „Hinzu kommt, dass Nebenwerte relativ günstig bewertet sind.“
Über 4 Prozent möglich
Auch auf den Anleihemarkt hätten die jüngsten Beschlüsse Auswirkungen. „Das Finanzpaket führt dazu, dass die Renditen von zehnjährigen Bundesanleihen ansteigen und ein Niveau von 3% bis 4% erreichen dürften“, meint Pfingsten. „Mit ein wenig Überschießen ist auch ein Niveau von mehr als 4% möglich. Da die EZB die Leitzinsen weiter senken wird, bekommen wir eine wesentlich steilere Zinskurve.“ Gleichwohl würden Anleihen durchaus Chancen bieten. „Anleger müssen ja nicht zehnjährige Bundesanleihen kaufen“, sagt Pfingsten. „Der Laufzeitenbereich von 5 bis 6 Jahren ist wesentlich attraktiver. Darüber hinaus bieten ausgewählte Unternehmensanleihen zusätzliche Rendite-Pick-ups.“
Für den Goldpreis ist der Apobank-CIO zuversichtlich. „Wir sind weiterhin übergewichtet in Gold, vor allem weil wir eine starke externe Nachfrage nach dem gelben Metall feststellen“, erklärt Pfingsten. „So ist die Nachfrage von ausländischen Notenbanken nach Gold im vergangenen Jahr um 50% gestiegen.“
In Deutschland und Europa würden wir jetzt stärkeres Wachstum bekommen, während das Wachstum in den Vereinigten Staaten sich abschwäche. Dies habe dann natürlich auch Auswirkungen auf den Devisenmarkt. „Durch das Finanzpaket und die Zeitenwende wird auch der Euro fester gehen“, erläutert Pfingsten. „Wir können uns dabei durchaus Niveaus in Richtung 1,15 Dollar für einen Euro vorstellen.“