Jason Guthrie

„Regulierung ist positiv für den Kryptomarkt“

Laut dem ETF-Anbieter Wisdomtree begünstigt die zunehmende Regulierung eine Massenadaption von Kryptowährungen. Die Verbannung der Miner aus China sei unter ESG- und Transparenzaspekten positiv.

„Regulierung ist positiv für den Kryptomarkt“

Alex Wehnert.

Herr Guthrie, die Exchange Traded Notes (ETN) von Wisdomtree Bitcoin- und Ethereum sind seit April über Xetra handelbar, kurz darauf folgte der Krypto-Markteinbruch und nun eine volatile Erholungsphase. Inwiefern hat dies dem Interesse an Ihren Produkten geschadet?

Die Kursstürze zwischen Mai und Juli haben natürlich einen Einfluss, da der Kryptomarkt sehr stark vom Investorensentiment getrieben ist. Aufschwünge werden so schnell zum Hype, Rücksetzer führen häufig zu großvolumigen Mittelabflüssen. Al­lerdings glauben wir, dass der Bitcoin-Absturz eine kurzfristige Belastung für das Anlegerinteresse dargestellt hat. Wir registrieren jedenfalls, dass enorm viele institutionelle Investoren sich über den Kryptomarkt informieren und entsprechende Produkte nachfragen.

Gerade für diese Anleger spielt das Argument, Bitcoin biete einen effektiven Inflationsschutz, eine große Rolle. Ist dieses Narrativ denn noch intakt, obwohl andere Assetklassen im laufenden Jahr trotz steigender Inflationsraten wesentlich stabilere Aufschwünge hingelegt haben als die führende Digitalwährung?

Die deflationären Charakteristika von Bitcoin bestehen auf jeden Fall weiterhin. Schließlich ist die Menge der Kryptowährung auf insgesamt 21 Millionen Einheiten begrenzt, von denen die letzte im Jahr 2140 geschürft werden wird. Zudem ist Bitcoin unabhängig von der Geldpolitik der internationalen Notenbanken. Natürlich ist der Kurs aber auch hochvolatil, die Analyse, woher bestimmte Ausschläge kommen, ist schwierig. Wie effektiv Bitcoin als Inflationshedge wirklich ist, muss sich daher erst noch zeigen – die kommenden zwölf bis 18 Monate sollten diesbezüglich Aufschluss bieten. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass diejenigen Investoren, die Bitcoin bisher als Inflationsschutz allokieren, dies auch weiterhin tun werden.

Die jüngste Talfahrt am Kryptomarkt wurde durch regulatorischen Druck, insbesondere aus China, noch befeuert. Auch US-Finanzministerin Janet Yellen hat sich kritisch zu Cyberdevisen geäußert. Welchen Einfluss dürften weitere regulatorische Schritte in den Vereinigten Staaten auf die Kurse haben?

Im Grundsatz ist Regulierung sogar positiv für den Kryptomarkt. Natürlich war Bitcoin in der Anfangsphase attraktiv für bestimmte Investoren, weil er außerhalb des traditionellen Regelwerks existierte. Langfristig kommen große Kursgewinne aber durch eine Massenadaption zustande. Es sollten nicht nur die Investoren der ersten Stunde und besonders technologiekundige Marktteilnehmer im Segment vertreten sein, sondern auch Mainstream-Anleger. Und diese müssen eben erst davon überzeugt werden, dass das System, in das sie ihre Mittel stecken sollen, auch wirklich stabil ist und nicht plötzlich auseinanderbrechen wird. Regulierung spielt für den Aufbau dieses Zutrauens eine entscheidende Rolle, obwohl sie die Geschäftsmodelle einiger bestehender Player am Markt kurzfristig negativ beeinflusst.

Wie stufen Sie denn die bisherigen Regulierungsbemühungen in westlichen Märkten ein?

Meiner Meinung nach muss die Regulierung für Krypto-Assets anders aussehen als für andere Vermögenswerte. Bisher kontrollieren die Regulatoren nicht die Assetklasse an sich, sondern die auf diesem Feld aktiven Unternehmen – dies ist aber nur effektiv möglich, wenn der jeweilige Dienstleister auch in ihrer Jurisdiktion sitzt. Historisch gesehen mag dieser Ansatz wirksam gewesen sein, doch im heutigen internetzentrierten Zeitalter und angesichts der dezentralen Natur von Cyberdevisen ist es für Krypto-Dienstleister nicht mehr nötig, physisch in vielen verschiedenen Märkten präsent zu sein und dort Firmenstandorte zu unterhalten, um die dortige Nachfrage abzuschöpfen. Regulatoren müssen Krypto-Anbieter daher aktiv dazu motivieren, sich innerhalb ihres Einflussgebiets niederzulassen. Strikte Verbote sind also ineffektiv.

Viele Regulatoren und auch institutionelle Investoren führen in Bezug auf Krypto-Assets allerdings Nachhaltigkeitsbedenken ins Feld. Wie bewerten Sie die Debatte um den hohen Stromverbrauch, unter anderem durch Bitcoin-Mining?

Bitcoin stellt die einzige große technologische Innovation dar, die für den CO2-Ausstoß kritisiert wird, der durch ihre Anbindung an den traditionellen Energiekreislauf entsteht. Elektroautos gelten beispielsweise als Zukunftslösung, obwohl der Strom, den sie nutzen, häufig ebenfalls aus fossilen Quellen stammt. Außerdem ist zu beachten, dass Bitcoin-Mining aktuell 0,5% der globalen Energieproduktion in Anspruch nimmt. Die Videoplattform Youtube verbraucht beispielsweise 2,5%.

Glauben Sie denn, dass sich Krypto-Skeptiker von solchen Vergleichen überzeugen lassen? Wer Nachhaltigkeitsbedenken trägt, der dürfte doch eher an pragmatischen Lösungen für das Problem des hohen Stromverbrauchs interessiert sein.

Mein Argument bezieht sich eher darauf, dass wir Innovationen nicht abwürgen sollten, weil sie Energie verbrauchen. Jede inkrementelle technologische Neuerung besitzt einen höheren Strombedarf als die Vorgängervariante. Die Lösung für dieses Problem besteht darin, die gesamte globale Energieproduktion grüner und nachhaltiger zu gestalten. Dies stellt natürlich eine gewaltige Herausforderung dar, sie zu bewältigen ist aber unumgänglich notwendig. Denn wenn eine Technologie einen echten Mehrwert für eine große Zahl an Menschen bietet, dann werden diese Menschen auch Wege finden, sie zu nutzen. So wird auch die Bitcoin-Nutzung weiter voranschreiten.

Auch wenn die Energiequellen grüner werden, bleibt der Stromverbrauch des Minings doch unverändert hoch – einige Beobachter befürchten in der Folge einen Ressourcenkonflikt. Sehen Sie technologische Lösungen, um die Effizienz im Bitcoin-Netzwerk zu steigern?

Eine Umstellung des bei der Generation neuer Bitcoin-Einheiten genutzten Verfahrens von Proof-of-Work auf Proof-of-Stake, wie sie Ethereum gerade vollzieht, halte ich für unwahrscheinlich. Dies würde einen zu großen Eingriff in die Grundprinzipien von Bitcoin bedeuten. Allerdings dürfte die rund um den Mining-Prozess genutzte Hardware und Software effizienter werden. In den vergangenen Jahrzehnten haben ja sowohl Computer- als auch Chiphersteller unglaubliche Effizienzsteigerungen bei ihren Produkten erreicht – und weitere dürften folgen. Hinzu kommt, dass die Miner selbst auf eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien drängen. Die Produktion der Mitglieder der North American Mining Association etwa speist sich nach eigenen Angaben bereits zu 56% aus erneuerbaren Energien.

Ist es für Sie als Produktanbieter überhaupt möglich, solche Statistiken zu verifizieren?

Es stimmt, dass zu diesem Thema viele Zahlen im Umlauf sind, die nicht unbedingt miteinander übereinstimmen oder einfach zu überprüfen sind. Allerdings dürfte sich die Transparenz allein schon dadurch erhöhen, dass es innerhalb der Krypto- und Blockchain-Industrie, die momentan von Start-ups und Privatunternehmen dominiert wird, zu mehr und mehr Börsengängen kommt und bereits gelistete Unternehmen verstärkt in dem Markt aktiv werden. Wer notiert ist, hat eben größere Offenlegungsverpflichtungen und muss höhere regulatorische Anforderungen erfüllen. Auch die Verbannung der Miner aus China ist unter Transparenz- und ESG-Gesichtspunkten positiv, denn Daten aus der Volksrepublik zur Nutzung erneuerbarer Energien beim Mining standen immer unter gewissen Vorbehalten.

Ihre positive Einschätzung zum Kryptomarkt scheinen inzwischen auch viele andere Vermögensverwalter zu teilen, jedenfalls ist die Zahl der verfügbaren Bitcoin-Produkte im vergangenen Jahr stark gestiegen. Wie heben Sie sich von den Wettbewerbern ab?

Unser Angebot ist eigentlich relativ unkompliziert. Wir haben regulierte Vehikel an den Markt gebracht, die Zugang zum Krypto-Segment bieten, dabei aber das Ökosystem nutzen, mit dem institutionelle Investoren bereits vertraut sind. Für diese Kundengruppe ist eben nicht entscheidend, dass ein Produkt eine besondere Struktur aufweist, sondern dass die eingebundenen Dienstleister zuverlässig sind und das Vehikel möglichst transparent und günstig ist. Als wir Ende 2019 die ersten Krypto-Vehikel aufgelegt haben, lagen die laufenden Kosten bei anderen Anbietern im Durchschnitt bei 2%. Wir haben auf langfristige Kundenbindung abgezielt und 0,95% erhoben.

Gerade für institutionelle Investoren gelten jedoch auch Bitcoin- und Ether-Futures, wie sie zum Beispiel an der Chicago Mercantile Exchange handelbar sind, als Mittel der Wahl. Wo liegen die Vorteile von ETNs gegenüber solchen Terminkontrakten?

Beide Arten von Produkten haben ihre Daseinsberechtigung. Futures sind das richtige Mittel, wenn ein Investor kurzfristig plant. Bei langfristigen Anlagen sind sie jedoch äußerst ineffizient. Schließlich existiert die gesamte Liquidität im jeweils aktuellen Kontrakt. Wer den Future länger halten möchte, muss ihn monatlich rollen, was einen hohen operativen Aufwand bedeutet. Außerdem ist der Vorgang aufgrund des am Kryptomarkt vorherrschenden Contango sehr teuer. Soll heißen, der Terminkurs eines Futures liegt in den meisten Fällen über dem aktuellen Kassakurs – wer den Kontrakt monatlich rollt, hat im Jahr schnell laufende Kosten von 10%. Bei ETNs belaufen sich die Kosten in der Regel auf weniger als ein Zehntel dessen. Da die meisten institutionellen Investoren langfristig planen, erhoffen wir uns also eine robuste Nachfrage nach Exchange Traded Notes.

Das Interview führte

BZ+
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