Wirbel um Osteuropas Währungen
kjo/xaw Frankfurt
Die Währungen Osteuropas überraschen Investoren derzeit mit ihrer uneinheitlichen Entwicklung. Nicht nur gegenüber dem Euro schneiden die häufig gemeinsam als CEE3-Devisen betrachteten Valuten Tschechiens, Polens und Ungarns unterschiedlich ab. Auch die gegen Verbraucherpreisindizes gewichteten realen effektiven Wechselkurse divergieren derzeit stark.
Gerade die Stärke der tschechischen Krone ist nach Ansicht der Schweizer Großbank UBS auffällig. Devisenmarktinterventionen der Zentralbank CNB hätten der Devise zuletzt den Rücken gestärkt. „Wenngleich die Markteingriffe der CNB dafür sorgen sollten, dass sich die Krone weiterhin auf im historischen Vergleich robusten Niveaus bewegt, so stehen wir einer weiteren Aufwertung der Krone in den kommenden Monaten eher etwas skeptisch gegenüber“, sagt Sandra Striffler, Devisenmarktanalystin bei der DZ Bank, der Börsen-Zeitung. So habe die CNB angesichts konjunktureller Risiken wohl kein Interesse an einer übermäßig aufwertenden Krone.
Spekulation um Zinssenkung
Auch gelte es zu bedenken, dass Investoren fortan nicht mehr auf Leitzinserhöhungen zur Stützung der Valuta setzen könnten. „Zudem dürften sich zum Ende des Jahres hin marktseitig Spekulationen hinsichtlich einer ersten Leitzinssenkung mehren“, prognostiziert Striffler. Sofern die tschechische Konjunktur in der ersten Jahreshälfte 2023 wieder Fahrt aufnehmen sollte, werde die Krone Auftrieb erhalten.
Gestiegene Rezessionssorgen im gesamten Euroraum und auch in Tschechien sowie die Annahme, dass die CNB die Leitzinsen nun nicht mehr weiter anheben dürfte, haben die tschechischen Staatsanleiherenditen zusammen mit den deutschen Bund-Vorgaben zuletzt wieder etwas nachgeben lassen. „Wir gehen davon aus, dass die tschechischen Renditen perspektivisch weiter zurückkommen werden. Einen dämpfenden Effekt erwarten wir hierbei von der sich in der zweiten Jahreshälfte abzeichnenden spürbaren konjunkturellen Verlangsamung“, sagt Striffler. Auch der im kommenden Jahr wieder deutlich nachlassende Preisdruck in Tschechien sowie die auf Jahressicht prognostizierte erste Leitzinssenkung stützten die Erwartung niedrigerer Renditen.
Notenbankchef im Fokus
Die CNB hat den Leitzins zuletzt auf 7% angehoben. Damit dürfte der Erhöhungszyklus nach Ansicht von Striffler zunächst am Ende angekommen sein. Dabei spielt laut Marktteilnehmern auch eine Rolle, dass der als geldpolitische Taube bekannte Ales Michl zum 1. Juli den Vorsitz bei der CNB übernommen hat. Er wird im August erstmals die Zinssitzung der Währungshüter leiten. Michl habe im aktuellen Erhöhungszyklus stets gegen Leitzinsanhebungen gestimmt. Zudem seien zuletzt weitere Posten des geldpolitischen Gremiums der CNB neu besetzt worden. Dieses dürfte somit insgesamt „dovisher“ geworden sein. „Angesichts der prognostizierten konjunkturellen Eintrübung sowie aufgrund des in 2023 erwarteten spürbar nachlassenden Preisdrucks rechnen wir auf Jahressicht mit einer ersten moderaten Senkung des Leitzinses um 25 Basispunkte“, sagt Striffler.
Im Gegensatz zur tschechischen Krone steht der ungarische Forint derzeit unter Druck. Sorgen vor einem russischen Gaslieferstopp und einer Rezession setzen der Devise zu, hinzu kommen fiskalpolitische Probleme und politische Konflikte mit Brüssel. „Wenngleich die Unsicherheit, wie es mit den russischen Gaslieferungen künftig weitergehen wird, sehr hoch ist, so gehen wir bislang davon aus, dass es lediglich zu temporären Lieferunterbrechungen kommen wird. Daher erwarten wir derzeit auch keine Rezession. Unter diesen Vorzeichen sollte sich der Forint auf Sicht von drei Monaten wieder in einer weniger schwachen Verfassung zeigen“, sagt Striffler. Sollte die ungarische Wirtschaft bei einem zugleich etwas niedrigeren Preisdruck auf Jahressicht wieder Fahrt aufnehmen, sei dies positiv für die Währung des Landes zu werten. „Auch unter Realzinsaspekten sowie mit Blick auf den dann wieder deutlich festeren Euro sollte der Forint einen besseren Stand haben. Bleibt zudem der Krieg auf Russland und die Ukraine beschränkt und gelingt den Ländern längerfristig eine Neuordnung ihrer Beziehungen, so sollte auch dies für den Forint perspektivisch Mut machen“, betont Striffler.
Ungeachtet gestiegener Rezessionsrisiken befinden sich die Renditen zehnjähriger ungarischer Staatsanleihen in luftigen Höhen. Ursächlich hierfür dürften die Erwartungen einer zunächst weiter steigenden Inflation sowie die Aussicht auf neuerliche Leitzinsanhebungen der Zentralbank MNB sein. „Wenngleich die dortigen Renditen auf kurze Sicht zunächst hoch bleiben sollten, so rechnen wir im Verlauf unseres Prognosehorizonts wieder mit allmählich moderat niedrigeren Renditeniveaus“, sagt Striffler.
Zwischen den Extremen der Krone und des Forint hat sich zuletzt der Zloty eingependelt. Während Ungarns Valuta gegenüber dem Euro seit Jahresbeginn um nahezu 10% abgewertet hat, summiert sich der Verlust der polnischen Devise auf 4%. Die UBS verweist darauf, dass das reale Bruttoinlandsprodukt Polens im Frühjahr robust gewachsen sei. Inzwischen habe sich der Ausblick aber eingetrübt.
Die Verbraucher litten unter der hohen Inflation, die restriktivere Geldpolitik werde die wirtschaftliche Aktivität voraussichtlich weiter einschränken. Zwar habe die polnische Notenbank NBP mit ihrer Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte im Juli unter den Markterwartungen gelegen. Allerdings habe sich die Teuerung zum Vorjahr im Juni auf 15,5% belaufen, weitere Zinserhöhungen stünden also zu erwarten. Eine weitere Schwäche des Zloty werde der NBP die Inflationsbekämpfung erschweren und Eingriffe am Devisenmarkt wahrscheinlicher machen.
Hoffnung mache indes, dass die EU-Kommission den polnischen Aufbau- und Resilienzplan inzwischen akzeptiert habe, obwohl wichtige Punkte noch zu klären seien. Erhalte Warschau Zugang zu großvolumigen Zuschüssen aus Brüssel, würde dies viele Sorgen bezüglich des Zloty dämpfen. Blieben die EU-Mittel aber aus, würde dies angesichts des Leistungsbilanzdefizits Polens einen herben Rückschlag darstellen. Wenngleich Osteuropas Währungen also derzeit auseinanderlaufen: Um sie alle dürfte in den kommenden Monaten noch viel Wirbel entstehen.