Ausblick auf 2023

Finanzmarkt­reformen auf der Agenda

In ihrem zweiten Jahr will die Ampel-Koalition die Finanzmarktpolitik selbst stärker gestalten. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz steht auf der nationalen Reformagenda. Viele Vorhaben werden in Brüssel verhandelt.

Finanzmarkt­reformen auf der Agenda

Von Angela Wefers, Berlin

Die Zeit drängt, wenn das Zukunftsfinanzierungsgesetz so in Kraft treten soll, wie es sich Bundesfinanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann vorgenommen haben. Die Zielmarke der beiden FDP-Politiker, die in der Bundesregierung für das Thema federführend sind, ist die erste Hälfte der Legislaturperiode. Das wäre bis Ende Oktober 2023 – zur Konstituierung des Bundestags – oder bis Anfang Dezember zur Vereidigung des Kanzlers. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz ist das zentrale Vorhaben der Ampel zur Finanzmarktreform. Die grüne und die digitale Transformation bringt erheblichen privaten Finanzierungsbedarf. Deshalb ist dem Finanzministerium ein verbesserter Zugang von Unternehmen zu den Kapitalmärkten sehr wichtig.

Marktzugang für Start-ups

Das Gesetzesvorhaben umfasst ein Bündel vielfältiger Maßnahmen zur Modernisierung des Kapitalmarkts und zum leichteren Finanzmarktzugang, vor allem für Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleine und mittlere Firmen (KMU). Eckpunkte hatten Lindner und Buschmann Ende Juni 2022 bekannt gegeben. Der Gesetzentwurf ist weit gediehen und wird dem Vernehmen nach derzeit in der Bundesregierung abgestimmt. Dabei wird sich erweisen, inwieweit die Koalitionspartner SPD und Grüne bei den Plänen der FDP mitziehen. Länder und Verbände dürften auch noch konsultiert werden.

Zu den verschiedenen Punkten zählen unter anderem erleichterte Börsenzulassungsanforderungen für KMU und Wachstumsunternehmen sowie ein geringeres Mindestkapital von künftig 1 Mill. Euro für einen Börsengang. Auf Aktien bezogene Optionsrechte (naked warrants) und Spacs als Akquisitionsgesellschaften sollen den Finanzstandort stärken und die Finanzierungsmöglichkeiten verbessern. Dual-class-shares sollen Kapitalerhöhungen und damit die Eigenkapitalbeschaffung erleichtern. Die Finanzaufsicht BaFin wird den Plänen zufolge Muster für Standardverträge über Finanzdienstleistungen zwischen professionellen Vertragsparteien – vor allem für den Handel mit Finanzinstrumenten – anerkennen können. Ein schon in der schwarz-roten Koalition anvisiertes Vorhaben ist auch unter den Eckpunkten: die Ausgabe von Aktien über die Blockchain-Technologie. Für elektronische Anleihen besteht bereits das entsprechende Recht.

Steuerlich will Lindner die Rahmenbedingungen von Mitarbeiterkapital verbessern. Dazu soll der Freibetrag deutlich auf 5000 Euro steigen und die Besteuerung des geldwerten Vorteils weit in die Zukunft verlagert werden. Bei der Umsatzbesteuerung des Fondsmanagements will Deutschland wettbewerbsfähiger werden. Diese Punkte dürften innerhalb der Koalition unstrittig sein. Lindner wollte allerdings auch das Aktiensparen attraktiver machen und dazu einen steuerlichen Freibetrag für private Veräußerungsgewinne aus Aktien und Aktienfonds einführen. Auch Verluste aus diesen Geschäften sollten unter bestimmten Bedingungen wieder steuerfrei sein. Dies riecht geradezu nach Widerstand von SPD und Grünen.

Dieser Punkt ist nun vertagt und soll zusammen mit der Reform der privaten Altersvorsorge diskutiert werden. Nachdem auch unter der Vorgängerregierung keine Reform der gefloppten Riester-Rente gelungen ist, hat das Bundesfinanzministerium dazu eine Fokusgruppe aus Ministerialen, Vertretern der Finanzbranche und Verbraucherschützern eingerichtet. Sie soll bis Sommer die Möglichkeit eines öffentlich verantworteten Fonds prüfen, der ein kostengünstiges und effizientes Altersvorsorgeprodukt anbietet. Zudem soll die Fokusgruppe prüfen, ob private Produkte für die Altersvorsorge anerkannt werden können. Für die gesetzliche Altersvorsorge stellt der Bund in diesem Jahr noch kreditfinanzierte 10 Mrd. Euro bereit, die in eine noch zu gründende Stiftung „Generationenkapital“ fließen und am Kapitalmarkt angelegt werden sollen. Das Assetmanagement übernimmt den Plänen zufolge zunächst der Staatsfonds Kenfo, der auch die Gelder zur kerntechnischen Entsorgung verwaltet und vermehrt.

Kapitalmarktunion im Blick

Vieles in der Finanzmarktregulierung wird europäisch verhandelt. Um die Kapitalmarktunion voranzubringen, stehen zahlreiche Dossiers auf der Agenda – u.a. der Listing Act. Dieser soll Unternehmen – besonders KMU – den Kapitalmarktzugang erleichtern. Die EU-Kommission wird 2023 zudem ihren Vorschlag für eine Retail Investment Strategy vorlegen. Dabei geht es um Rahmenbedingungen für Kleinanleger.

Trilogverhandlungen sollen 2023 das Bankenpaket zu Basel III finalisieren. Im ersten Halbjahr dürfte die EU-Kommission zur Weiterentwicklung der Bankenunion Vorschläge zu einem verbesserten Krisenmanagementrahmen machen. Auch im Versicherungssektor steht ein Trilog an: zu Solvency II und dem Vorschlag für ein Abwicklungsregime.

Aktiv gegen Geldwäsche

Im Kampf gegen Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung stehen in Brüssel ebenso Trilogverhandlungen für ein umfangreiches Legislativpaket an. Es sollen einheitliche europäische Regeln eingeführt und die neue, europäische Antigeldwäschebehörde, kurz AMLA (Anti-Money Laundering Authority), errichtet werden. Die Bundesregierung wirbt intensiv für den Standort Frankfurt als Sitz. Hierzulande soll Geldwäsche durch eine neue „Bundesoberbehörde zur Bekämpfung der Finanzkriminalität“ (BBF) stärker ins Visier genommen werden. Dazu soll es 2023 einen Gesetzentwurf geben.

Formell offen ist in Brüssel noch der europäische Krypto-Regulierungsrahmen (Markets in Crypto Assets, Mica). 2023 werden die Umsetzungen von Mica und Dora – die 2022 abgeschlossene Verordnung zur digitalen operationellen Resilienz – hierzulande in nationales Recht umgesetzt werden. Fortgesetzt werden die EU-Verhandlungen über Echtzeitüberweisungen. Der digitale Euro dürfte ebenfalls wichtig bleiben. Die EU-Kommission hat einen Legislativvorschlag ins Auge gefasst.

An nachhaltigen Finanzen arbeitet in Berlin der Sustainable-Finance-Beirat. Denn Deutschland soll laut Koalitionsvertrag zum „führenden Standort nachhaltiger Finanzierung“ werden. Das International Sustainability Standards Board (ISSB) dürfte erste Standards zur Klimaberichterstattung für Unternehmen veröffentlichen. Die EU-Kommission plant weitere Umweltziele in Taxonomie-Kriterien zu fassen.

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