Freihandel

London blickt weit nach Osten

Großbritannien wird dem transpazifischen Handelsabkommen CPTPP beitreten. Der Rückweg in die EU-Zollunion ist damit verbaut. Zugleich gibt es Hoffnung auf Zugang zum US-Markt durch die Hintertür.

London blickt weit nach Osten

hip London

Großbritannien und die Mitgliedsstaaten des Comprehensive & Progressive Agreement for Trans Pacific Partnership (CPTPP) haben in der Nacht zum Freitag eine Einigung erzielt. Die Übereinkunft zeige, „was wir erreichen können, wenn wir die Vorteile des Brexits freisetzen“, sagte Premierminister Rishi Sunak. Die britische Mitgliedschaft verschaffe der Finanzdienstleistungsbranche und den damit verbundenen professionellen Dienstleistern einen „massiven Schub“, sagte Chris Hayward, der Chairman der City of London Corporation.

Großbritannien wird das erste neue Mitglied seit Gründung des Handelsblocks vor fünf Jahren. Es ist das erste Land, das sich nicht in der Asien-Pazifik-Region befindet.

Für Sunak und Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch ist der Deal ein großer Erfolg auf der Weltbühne. Die CPTPP-Staaten haben zusammen mit dem Vereinigten Königreich ein vergleichbares wirtschaftliches Gewicht wie die EU ohne Großbritannien und Nordirland. Zudem eröffnet ein Beitritt die Hoffnung auf Zugang zum US-Markt durch die Hintertür. Denn unter Führung der Demokraten können sich die Vereinigten Staaten vielleicht wieder für den Freihandel im Asien-Pazifik-Raum erwärmen, nachdem Donald Trump den Verhandlungsprozess 2017 abrupt beendet hatte. Die Hoffnung auf ein bilaterales Freihandelsabkommen mit Washington hat man in London mehr oder weniger aufgegeben – nicht allein wegen der ablehnenden Haltung von Joe Biden gegenüber Brexit Britain, sondern auch wegen des zu erwartenden öffentlichen Aufschreis gegen Chlorhühnchen, Hormonfleisch und den vermeintlichen Ausverkauf des öffentlichen Gesundheitswesens NHS. Bleiben die USA dem CPTPP fern, ist der Nutzen des Beitritts begrenzt. Wie das UK Trade Policy Observatory ermittelte, tragen die Mitgliedstaaten zwar einen nicht unwesentlichen Teil zum britischen Außenhandel bei (siehe Grafik). Mit vielen von ihnen unterhält das Land aber bereits Freihandelsabkommen. „Kein Gamechanger, aber willkommen“, urteilte Atul Bhakta, der CEO des Logistikdienstleisters One World Express. Man dürfe den Deal nicht kleinreden. Alles, was für weniger Bürokratie sorge, und den Export erleichtere, verdiene es, gefeiert zu werden.

Im Verhandlungsprozess mit dem Handelsblock gab es immer wieder Rückschläge, vor allem wenn es um den Zugang zum britischen Markt für landwirtschaftliche Erzeugnisse, insbesondere Fleisch, ging. Bevor Schatzkanzler Jeremy Hunt diesen Monat seinen Haushalt vorstellte, hieß es, der Beitritt Großbritanniens könne sich deshalb verzögern.

Kein Weg zurück in die EU

Aus Sicht von Shanker Singham, dem CEO der Beratungsgesellschaft Competere, wäre eine Mitgliedschaft nicht möglich gewesen, wenn es den Brexit nicht gegeben hätte. Ein Beitritt bedeute, dass das Vereinigte Königreich der EU-Zollunion nicht wieder beitreten könnte, schrieb der ehemalige Berater des Außenhandelsministeriums in einem Gastbeitrag für den „Telegraph“. „Er würde den Punkt markieren, an dem der Brexit nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.“ Das CPTPP-Abkommen setze voraus, dass Mitglieder die Kontrolle über ihr aufsichtsrechtliches System haben. Eine dynamische Anpassung der britischen Regulierung an die der EU wäre nicht machbar, außer wenn die EU-Regulierung den Anforderungen der CTPP entspreche. Das Abkommen wurde mit Blick darauf entworfen, den Export von Produkten kleiner und mittlerer Unternehmen einfacher und billiger zu machen. Es dreht sich um klassische Maßnahmen wie die Abschaffung von Zöllen und Quoten. Dabei ist es nicht besonders restriktiv. In Großbritannien hofft man auf mehr digitales Geschäft, mit Finanzdienstleistungen etwa, oder im E-Commerce. Dabei muss man sich nicht an die EU-Datenschutzrichtlinie GDPR halten, denn der Datenschutz ist Sache der Mitgliedstaaten.

Kate Andrews vom britischen Magazin „Spectator“ betonte einen anderen Punkt: Die Mitgliedsstaaten haben ein Veto, wenn es um den Beitritt weiterer Länder geht. Damit könne Großbritannien im Falle eines Verhandlungserfolgs die Aufnahme der Volksrepublik China verhindern – vielleicht der wichtigste Aspekt einer CPTPP-Mitgliedschaft.

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