SEC-Handelsreform droht zum Eigentor zu werden
Die US-Börsenaufsicht SEC will mit einer tiefgreifenden Reform des Aktienhandels die Interessen von Privatanlegern schützen – droht mit dem Vorhaben aber ein Eigentor zu schießen. Dabei nehmen sich die Vorschläge der Behörde, die sie in der vergangenen Woche zur Konsultation an den Markt weitergereicht hat, oberflächlich betrachtet vernünftig aus: Die SEC will unter anderem ein Einzelauktionssystem einführen, das darüber entscheiden soll, welcher Handelsdienstleister eine über einen Broker gestellte Order ausführen darf. Damit nimmt die Aufsicht die umstrittene Praxis des Payment for Orderflow (PFOF) ins Visier, bei der Broker Vergütungen dafür erhalten, dass sie Orders an Handelsdienstleister routen. In einigen Fällen gehen diese an Börsen wie die New York Stock Exchange (Nyse), in anderen aber an Wholesaler wie Citadel Securities und Virtu Financial. Diese Dienstleister verdienen daran, im Rahmen der Orderausführung Aktien zu erwerben und zu einem geringfügig höheren Preis weiterzuverkaufen.
Broker verweisen darauf, dass die Wholesaler bessere Preise stellten als öffentliche Börsen. Nach Ansicht von SEC-Chef Gary Gensler zieht die Praxis jedoch Interessenkonflikte nach sich. Seine Argumentation leuchtet dabei durchaus ein – schließlich könnten Broker aufgrund des PFOF in Versuchung geraten, einzelne Orders gemäß der Höhe der gesamten vom Wholesaler gezahlten Vergütung zu routen und die Ausführungsqualität dabei hintanzustellen. Befürworter der SEC-Reformpläne erhoffen sich, dass die Einführung eines Auktionssystems zu mehr Wettbewerb unter Handelsdienstleistern und einer insgesamt steigenden Ausführungsqualität der Orders führen würde.
Für aktiv gehandelte Aktien mag die Idee aufgehen. Doch bei weniger liquiden Titeln würde es für Handelsdienstleister in dem neuen System wesentlich unattraktiver, sich auf die Orderausführung zu bewerben. Damit dürften bei solchen Auktionen auch weniger Teilnehmer aufschlagen und die Preisfindung ineffizienter ablaufen – Privatanleger könnten dann schlechter gestellt sein als aktuell. Kritiker von PFOF dürften darauf einwenden, dass die Vorteile beim Handel liquider Werte die Nachteile beim Trading von Aktien außerhalb der Standardindizes überwiegen. Dabei sollten sie aber bedenken, dass die SEC-Pläne eine Reaktion auf die Verwerfungen um Meme Stocks darstellen, die im Januar 2021 Schockwellen durch den Markt sandten. Damals versuchten binnen weniger Tage hunderttausende Neukunden, Accounts bei Brokern wie Robinhood zu eröffnen. Titel mit niedriger Marktkapitalisierung und hohem Short Interest legten Kursexplosionen hin und stürzten danach umso heftiger ab. Privatanleger, die sich von der Rally mitreißen ließen, mussten heftige Verluste verkraften – zumal sowohl die Broker als auch Wholesaler wie Virtu massive Schwierigkeiten hatten, die Fülle an Orders auszuführen, und den Handel mit bestimmten Werten beschränkten. Dass in einem Einzelauktionssystem mehr Adressen bereitstehen und für Liquidität sowie einen reibungslosen Handelsablauf sorgen würden, steht nicht zu erwarten – sondern eher das Gegenteil.
Die SEC schätzt indes, dass durch ihren Reformplan bei der Orderausführung für Investoren 1,5 Mrd. Dollar pro Jahr freigeschaltet werden könnten. Abgesehen davon, dass sich diese Summe bei einer Aufteilung auf Millionen von Privatanlegern nicht mehr ganz so beeindruckend ausnimmt, ist auch die Grundlage der Rechnung zu hinterfragen. Denn wenn den Brokern ihre PFOF-Erträge wegbrechen, müssen sie sich zwangsläufig andere Einnahmequellen suchen – dies könnte auch die Wiedereinführung von Provisionen oder anderen Handelsgebühren beinhalten.
Dies soll nicht heißen, dass die aktuelle Praxis im Aktienhandel den Optimalzustand darstellt oder keine Neuregelung notwendig wäre. Dass die SEC den Investorenschutz stärken will, ist angesichts der Marktverwerfungen der abgelaufenen drei Jahre vielmehr zu befürworten. Andere Vorschläge der Behörde sind auch durchaus geeignet, den Wettbewerb der Handelsdienstleister zu fördern – so sollen auch Börsen Kursentwicklungen künftig in Abstufungen von weniger als 1 Cent abbilden dürfen. Folglich könnten Wholesaler die Preise der Nasdaq und der Nyse künftig nicht mehr so einfach um ein Hundertstel Cent schlagen. Auch höhere Standards für Ausführungsqualität und eine Pflicht für Broker, den Orderprozess transparenter offenzulegen, ergeben Sinn. Mit dem Einzelauktionsplan hat die Börsenaufsicht ihr Reformvorhaben aber zu weit gedreht. Die Konsultation dazu läuft bis Ende März. Bleibt zu hoffen, dass sich möglichst viele Marktteilnehmer beteiligen – und der SEC dabei helfen, ein Eigentor zu vermeiden.