„Wir müssen stärker kooperieren“
Von Alex Wehnert, Frankfurt
Während die Kurse am Kryptomarkt unter Druck stehen, breiten sich Digital-Assets-Lösungen zunehmend in der Realwirtschaft aus. So auch am Markt für Schiffskredite, an dem die Hamburger Reederei H. Vogemann in Kooperation mit dem Fintech iVE.ONE grüne Finanzierungstoken lanciert hat. Auf die digitalen Wertpapiere in Form von unverbrieften, nachrangigen Genussrechten, die im Juli 2020 aufgelegt wurden, erhalten Investoren eine Verzinsung von 8% per annum sowie eine variable Gewinnbeteiligung. Eine solche Renditezahlung wurde im August 2022 erstmals ausgeschüttet.
„Vogemann hat 2019 nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten gesucht und dabei digitale Assets in den Fokus genommen – über die Anwaltskanzlei Fin Law ist das Unternehmen mit uns als Infrastrukturprovider für digitale Assets in Kontakt gekommen“, sagt Phong Dao, CEO und Mitgründer von iVE.ONE, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Gegenüber klassischen Schiffskrediten sei der Vorteil bei der Begabe von Token, dass Reedereien illiquide Assets handelbar machen und neue Investoren ansprechen könnten.
Grüne Finanzierungen
„Es gab bisher nicht oft die Gelegenheit, als Retail-Investor an nachhaltigen Schiffsfinanzierungen zu partizipieren“, betont Dao – das über den Vogemann Green Ship Token eingeworbene Kapital wird für Investitionen in Schüttgutfrachter eingesetzt, die gegenüber dem Großteil der weltweiten Flotte 40% an Treibstoff einsparten und deutlich weniger CO2 ausstießen. Verwendet werden die Handysize-Bulker beispielsweise für den Transport von Getreide, Stahlprodukten, Erz und Kohle.
„Langfristig geht der Blick natürlich auch auf einen liquiden Sekundärmarkt für Schiffstoken, über den zusätzliche Liquidität generiert werden kann“, sagt Dao. Momentan sei ein solcher Börsenplatz noch nicht vorhanden, infolge der Einführung des Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG) in Deutschland im Juni 2021 sollten sich laut Dao künftig aber Möglichkeiten diesbezüglich ergeben. Durch das eWpG wurde die Urkundenpflicht für Wertpapiere abgeschafft und die Grundlage für die Emission von Inhaberschuldverschreibungen und Krypto-fondsanteilen auf Blockchain-Basis geschaffen.
„Künftig dürften große Finanzdienstleister und Unternehmen die Entwicklung eines Sekundärmarkts für Security Token vorantreiben und so perspektivisch für mehr Liquidität sorgen“, betont Dao. So bestünde die Möglichkeit, den Vogemann-Token zu listen, falls der Emittent das wünsche. Dafür müsse das Investoreninteresse am Handel solcher Vermögenswerte aber noch wachsen und die Infrastruktur ausgebaut werden.
Das Interesse an dem Vogemann-Token stammt laut Dao derzeit hauptsächlich von Privatanlegern. Die Mindestanlagesumme betrage 1000 Dollar, gezeichnet worden sei indes die ganze Bandbreite bis hin zu Volumen von 50000 oder 100000 Dollar. „Für Retail-Investoren dürfte die jährliche Rendite von 8% besonders attraktiv gewesen sein – das ist eine wesentlich höhere Verzinsung, als sie sich zum Zeichnungszeitpunkt von ihrer Bank erwarten konnten“, sagt Dao. Die Auslastung der Schiffe von Vogemann sei momentan sehr hoch, weshalb für das laufende Jahr schon eine höhere variable Gewinnbeteiligung in Aussicht sei.
Das Projekt habe auch bei anderen Reedereien und Unternehmen für Aufmerksamkeit gesorgt. „Das Interesse an innovativen Finanzierungsmöglichkeiten ist da, nur müssen die Marktteilnehmer das Potenzial neuer Technologien wie Blockchain erst verstehen“, betont Dao. „Reale Anwendungsfälle, in denen tatsächlich Renditen ausgezahlt werden, machen die Chancen von Lösungen wie unserer besser anschaulich.“
Trotz der Verwerfungen im Kryptomarkt müssten sich Finanzdienstleister und Unternehmen mit Blockchain auseinandersetzen, um zukunftsfähig zu bleiben. „Finanzinstitute wollen ihre Kunden nicht an Digital-Assets-Plattformen wie Coinbase, Binance oder Kraken verlieren“, sagt Dao. „Wenn die Tokenisierung von Wertpapieren auch über Schuldverschreibungen und Fondsanteile hinaus möglich wird, dürften Krypto-Assets nicht mehr als reine Spekulationsobjekte wahrgenommen werden“, betont Dao.
Projekte im Nahen Osten
Für iVE.ONE bestünden die größten Interaktionsmöglichkeiten neben der Reedereibranche im Immobiliensektor. „Dort sind die Anwendungsfälle einfach zu verstehen, die Relation vom Token zur Immobilie ist für Investoren klar ersichtlich“, sagt Dao. So könnten Anleger die Immobilien, in die sie investierten, besichtigen und einschätzen, welches Renditepotenzial sie dem jeweiligen Objekt zutrauten. Der Markt für Security Token auf Immobilien sei nicht nur in Deutschland in Bewegung, sondern auch in der Schweiz, in Großbritannien oder Saudi-Arabien. Im letztgenannten Königreich habe iVE.ONE bereits ein Projekt rund um Immobilien und Krypto-Trading gestartet.
„Wenngleich also auch andere Länder das Thema vorantreiben, positionieren sich Kunden innerhalb der Europäischen Union in Bezug auf Blockchain und digitale Assets doch besonders stark“, führt Dao aus. Die Chancen für die Weiterentwicklung innerhalb der Staatengemeinschaft stünden gut, weil Brüssel mit der Verordnung Markets in Crypto Assets (Mica) einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen wolle, durch den für digitale Anlagen in Bezug auf den Verbraucherschutz und die Marktintegrität vergleichbare Standards gälten wie für andere Assetklassen.
„Allerdings kann Regulierung den Fortschritt auch an bestimmten Stellen hemmen“, wendet Dao ein. So müssten sich die Mitgliedstaaten bezüglich ihrer Gesetzgebung besser abstimmen – Deutschland beispielsweise sei mit Auflagen für verschiedene Kryptodienstleistungen vorgeprescht und habe sich dadurch für einige Anbieter als Standort unattraktiver gemacht. „Wir haben Deutschland in einem Projekt explizit ausgeschlossen, weil wir somit keine Kryptoverwahrlizenz benötigen“, führt Dao aus.
Konkurrenz nimmt zu
Dennoch wachse die Zahl der Infrastrukturanbieter für digitale Anlagen auch in der Bundesrepublik deutlich. „Für uns ist das ein positives Signal, weil es zeigt, dass auch andere in unserem Geschäftsmodell eine Zukunft sehen“, unterstreicht Dao. „Allerdings müssten wir innerhalb der Branche noch stärker miteinander kooperieren – wenn wir aufhören, Insellösungen zu bauen, können wir gemeinsam ein breiteres Ökosystem aufbauen.“
iVE.ONE will mit ihrem Angebot Unternehmen verschiedener Größe und aus verschiedenen Sektoren ansprechen und diese beim Aufbau ihrer eigenen Digital-Assets-Anwendungen unterstützen – ob bei der Tokenisierung von Vermögenswerten, dem Kryptohandel oder dezentralen Finanzdienstleistungen. „Das Vogemann-Projekt hat uns da erheblich weitergebracht, in der Folge haben wir unsere Technologie stark erweitert“, sagt Dao.
Das Fintech will indes keine auf einzelne Kunden zugeschnittenen Nischenangebote schaffen, sondern setzt auf eine Plattform mit verschiedenen modularen Lösungen und einem technologischen Kern. Wer eine Digital-Assets-Handelsplattform aufbauen wolle, könne bei iVE.One die dafür passenden Module auswählen – wer eine dezentralisierte Dienstleistung erbringen wolle, entscheide sich für andere Pakete. „Das Produkt ist also stark standardisiert, aber für Kunden trotzdem konfigurierbar“, sagt Dao. „So verzetteln wir uns nicht und können unser Angebot schnell skalieren.“