Deutsche Wirtschaft

Deutsche Wirtschaft vor schweren Zeiten

Trübe Aussichten für die deutsche Wirtschaft: Die Rezessionwahrscheinlichkeit ist hoch, der Mittelstand wird skeptischer, die Auftragspolster der Industrie dünner und die Wohnungsbaugenehmigungen brechen ein.

Deutsche Wirtschaft vor schweren Zeiten

Deutsche Wirtschaft vor schweren Zeiten

Rezessionswahrscheinlichkeit weiter hoch – Mittelstand skeptischer – Auftragspolster der Industrie schwindet

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft hält sich angesichts des anhaltenden Gegenwinds zwar noch ganz ordentlich. Neue Konjunkturdaten verstärken allerdings die Sorgen, ob dies so bleibt. Denn der jüngst ausgebrochene Israel-Konflikt ist in den Zahlen noch nicht abgebildet und auch die Folgen der Zinswende schlagen erst allmählich auf die Realwirtschaft in der Breite durch. Im August sind die Auftragspolster der Industrie schmäler geworden, die Rezessionswahrscheinlichkeit ist auf hohem Niveau nur geringfügig gesunken und der Mittelstand ist skeptisch, was die weitere Geschäftsentwicklung angeht.

Im Schlussquartal ist allenfalls ein kleines Plus drin

Der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt für August eine "fast unverändert hohe" Rezessionswahrscheinlichkeit. Die Wirtschaftsleistung dürfte also "allenfalls geringfügig zunehmen", heißt es beim IMK. Für das vierte Quartal signalisiert der Indikator, der die neuesten verfügbaren Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt, eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 73,0%. Anfang September zeigte das Barometer für die folgenden drei Monate eine 74,0-prozentige Wahrscheinlichkeit an. Als wichtigste Bremsfaktoren benennt das IMK teure Energie, die schwache Weltkonjunktur und die hohen Zinsen.

Positiv auf den Indikatorwert wirkten sich laut IMK die zuletzt deutlich gestiegenen Auftragseingänge aus dem In- und Ausland aus. Negative Impulse von den Finanzmärkten, die erneute Stimmungseintrübung in der Wirtschaft sowie die erschwerten Finanzierungsbedingungen der Unternehmen infolge der Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) verhinderten aber eine stärkere Erholung des IMK-Konjunkturindikators.

2022 war ein Kreditboomjahr

Dass der Kreditzugang schwieriger wird und das Zinsniveau besonders belastet, gehört zu den Erkenntnissen aus dem jährlichen Mittelstandspanel der KfW. Aktuell zeichne sich der der Markt für Unternehmenskredite "eher durch eine unterdurchschnittliche Verhandlungsneigung, eine gedämpfte Kreditnachfrage sowie einen schwierigeren Kreditzugang" aus, hieß es bei der Förderbank. 2022 hingegen sei noch ein Boomjahr gewesen: 534.000 kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) hätten mit Banken und Sparkassen über Investitionskredite verhandelt – so viele wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Und mit 763.000 KMU, das sind 42% mehr als im Jahr zuvor, lag die Zahl der Kreditnehmer so hoch wie zuletzt vor 15 Jahren.

Trotz der hohen Fremdkapitalaufnahme betrug der Anteil von KMU mit einer kritischen Schuldentragfähigkeit – den sogenannten Zombieunternehmen – 2022 "sehr niedrige 3,24%“. In der Breite sei die Liquiditätslage komfortabel, die Eigenkapitalausstattung trotz Energiekrise stabil geblieben. Zudem wurde 2022 mehr investiert: Schub gaben Corona-Nachholeffekte, Vorzieheffekte wegen der sich eintrübenden Finanzierungsbedingungen und steigenden Investitionsgüterpreise. Die weiteren Konjunkturaussichten sowie Umsatz- und Investitionserwartungen trübten sich der KfW zufolge aber ein.

Auftragspolster verlieren Volumen

Nicht viel besser sieht es im gesamten verarbeitenden Gewerbe aus: Der Auftragsbestand ist im August um 0,7% zum Juli gesunken. Ursächlich waren hier insbesondere die Rückgänge in der Automobilindustrie (–2,8%) und im Maschinenbau (–1,0 %). Im Vergleich zum Vorjahr fiel der Auftragsbestand um 4,7%, wie das Statistische Bundesamt berichtete. Die Reichweite, also die Zeit, die die Unternehmen bei gleichbleibendem Umsatz theoretisch produzieren müssten, um die bereits vorhandenen Aufträge abzuarbeiten, ging auf 7,1 Monate zurück – nach 7,2 Monaten im Juli.

Baugenehmigungen brechen ein

War die Industrie nun des längeren das Sorgenkind der deutschen Wirtschaft, übernimmt zusehends die Baubranche diese Position. Im August ist nun die Zahl der Baugenehmigungen im Jahresvergleich um 31,6% auf 19.300 Wohnungen eingebrochen. Für den Zeitraum Januar bis August meldet Destatis einen Rückgang gegenüber Vorjahr von 28,3% oder um 69.100 auf 175.500 Wohnungen. Geht es nach der Bundesregierung, so sollten jährlich 400.000 neue Wohnungen entstehen. Studien zufolge wären schon 200.000 pro Jahr ein Erfolg. Destatis zufolge gab es im August deutliche Rückgänge der Baugenehmigungen bei allen Gebäudearten außer in Wohnheimen – hier gab es von Januar bis August ein Plus von 13,5%.

Die Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser reduzierten sich um über ein Drittel (–37,8%) auf 34.400, bei den Zweifamilienhäusern betrug der Rückgang mehr als die Hälfte (–52,5% auf 10.100). Bei den Mehrfamilienhäusern verringerte sich die Zahl der genehmigten Wohnungen deutlich um mehr als ein Viertel, und zwar um 28,0% auf 93.600. Zum Rückgang der Bauvorhaben dürften auch im August vor allem steigende Baukosten und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen beigetragen haben, kommentierten die Wiesbadener Statistiker.

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