Durchwachsener Jahresendspurt
Durchwachsener Jahresendspurt
Sechstes Quartalsplus bei Reallöhnen in Folge − Jobmarkt wird rauer − Einzelhandel setzt weniger um
Die Jobsorgen der Verbraucher nehmen zu. Daher halten sie sich trotz weiterer Reallohnzuwächse beim Einkaufen zurück, sodass die Einzelhändler weniger umsetzen. Die Wirtschaftsflaute zeigt auch immer tiefere Spuren am Arbeitsmarkt. Die Marke von drei Millionen Arbeitslosen ist nicht mehr ganz so fern.
ba Frankfurt
Die deutschen Verbraucher holen zwar die Kaufkraftverluste, die sie in Folge von Corona-Pandemie und Energiekrise erlitten haben, wieder auf − allerdings verlangsamt sich das Tempo und die Jobsorgen nehmen zu, da sich die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt eintrüben, die Zahl der Insolvenzen steigt und zunehmend große Konzerne massive Stellenstreichungen verkünden. Daher starten die Einzelhändler schwächer als erwartet in das für sie so wichtige Weihnachtsgeschäft.
Im Sommer kletterten die Nominallöhne um 4,9% zum Vorjahr. Da die Inflationsrate im selben Zeitraum um 1,9% zulegte, ergibt sich ein Reallohnplus von 2,9%, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte. „Mit diesem sechsten Anstieg in Folge setzte sich der positive Trend der Reallohnentwicklung fort“, erklärten die Statistiker. In den Quartalen von Ende 2021 bis Anfang 2023 hatten die Beschäftigten noch durchschnittlich Reallohnverluste zu verzeichnen. Neben der sich abschwächenden Teuerung trugen auch die Auszahlungen von Inflationsausgleichsprämien sowie die unter anderem in Tarifverträgen beschlossenen Lohnsteigerungen und Einmalzahlungen zum Reallohnanstieg bei. Laut Destatis verzeichneten Geringverdienende einen überdurchschnittlichen Nominallohngewinn.
Wieder mehr Kurzarbeit
Derweil trübt sich die Lage am Jobmarkt aber ein: Im November ist die Arbeitslosigkeit zwar gesunken, doch weniger dynamisch als zuletzt und die Kurzarbeit nimmt wieder zu. Nachdem die Herbstbelebung auch im November nicht in Schwung gekommen ist, könnte im Winter die Schwelle von 3 Millionen Arbeitslosen überschritten werden. Dies war zuletzt vor zehn Jahren der Fall. „Die Entwicklung geht seit Herbst 2023 in die falsche Richtung“, zitiert dpa-afx die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles.
Im November ist die Zahl der Arbeitslosen um 17.000 auf 2,774 Millionen gesunken. Das sind 168.000 mehr als im vergangenen November. Die Arbeitslosenquote sank im Monatsvergleich um 0,1 Prozentpunkte auf 5,9%. „Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung haben im November zwar abgenommen“, betonte Nahles. Die Rückgänge seien aber – wie schon im Vormonat – gering: „Die Wirtschaftsschwäche belastet weiterhin den Arbeitsmarkt.“ Um jahreszeitliche Schwankungen bereinigt stieg die Arbeitslosigkeit um 7.000 − Ökonomen hatten einen Anstieg von 20.000 erwartet nach dem Plus von 26.000 im Monat zuvor.
Jobsorgen nehmen zu
Zuletzt hatten große Industriekonzerne etwa aus dem Automobilsektor wie VW, Bosch, Continental und ZF Friedrichshafen den Abbau tausender Jobs angekündigt. Aber auch die Kurzarbeit wird verstärkt in Anspruch genommen: Zum Großteil wohl aus dem verarbeitenden Gewerbe, schätzt Behördenchefin Nahles. So wurde vom 1. bis einschließlich 25. November für 64.000 Personen konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt. Die hochgerechneten Daten zur tatsächlichen Inanspruchnahme, die bis September zur Verfügung stehen, zeigen, dass in diesem Monat für 268.000 Beschäftigte konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt wurde − nach 175.000 im August und 194.000 im Juli.
Dass die zunehmenden Jobsorgen den Konsum belasten, zeigt nicht nur die GfK Verbraucherumfrage im November, sondern auch die Einzelhandelsumsätze. Diese sind im Oktober um 1,1% geringer als im Vormonat ausgefallen. Inflationsbereinigt vermeldet Destatis einen noch kräftigeren Rückgang von 1,5%. Ökonomen hatten lediglich mit einem Minus von 0,3% gerechnet.
Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, wertet den Umsatzrückgang auch als Gegenbewegung zu den beiden guten Vormonaten. Für beständig kräftige Umsatzzuwächse reiche das Konsumumfeld nicht aus. „Konsumenten sind wegen vieler Ereignisse der vergangenen Jahre verunsichert“, sagte Krüger. Im dritten Quartal hatten sich die Verbraucher noch konsumfreudiger gezeigt und ihre Ausgaben um 0,3% im Quartalsvergleich gesteigert und so zum Wirtschaftswachstum von 0,1% beigetragen. Die Wachstumserwartungen der Ökonomen ruhen auch im kommenden Jahr auf dem privaten Konsum − aber: „Hinter der weiteren Entwicklung stehen einige Fragezeichen“, mahnt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Zwar verschafften die gefallenen Inflationsraten den Konsumenten wieder mehr Luft beim Konsum, doch gleichzeitig verunsichern die Entlassungsmeldungen. „Wenn der Job in Gefahr ist, steigt die Sparquote zulasten der Konsumausgaben.“