Im Interview:Eric Robertsen

„Ein Handelskrieg trifft besonders Europa“

Am 20. Januar zieht Donald Trump wieder ins Weiße Haus ein. Der Regierungswechsel wird größere Auswirkungen auf die Geldpolitik von Fed und EZB haben, meint Eric Robertsen, Chefökonom von Standard Chartered.

„Ein Handelskrieg trifft besonders Europa“

Im Interview: Eric Robertsen

„Ein Handelskrieg trifft besonders Europa“

Der Chefökonom von Standard Chartered über die Geldpolitik von EZB und Fed in 2025, Deflationsgefahren in China und die Bedeutung von Brics

Am 20. Januar zieht Donald Trump wieder ins Weiße Haus ein. Der Regierungswechsel wird größere Auswirkungen auf die Geldpolitik von Fed und EZB haben, meint Eric Robertsen, Chefökonom von Standard Chartered. Bei der Höhe der Zölle hält Robertsen den Republikaner für kompromissbereit.

Herr Robertsen, vieles von dem, was Donald Trump plant, könnte die Inflation in den USA erhöhen. Könnte das zu einem abrupten Ende der Zinswende oder gar einer Zinserhöhung in 2025 führen?

Es ist schwer zu glauben, dass die Fed die Zinsen drastisch senken wird. Höhere Zölle, mehr Deregulierung und seine Steuerpolitik werden allesamt inflationär wirken. Und das zu einer Zeit, in der sich die US-Wirtschaft in einer recht gesunden Verfassung befindet. Ich sehe keine Anzeichen für eine Rezession. Ich glaube, die Fed wird die Zinsen auf ein neutrales Niveau senken und dann abwarten, welche Auswirkungen Trumps Politik auf die Inflation, das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt haben wird.

Wo verorten Sie denn den neutralen Zinssatz?

Ich würde sagen, dass die Leitzinsspanne der Fed Funds am Ende des Zyklus bei etwa 3,5 bis 3,75 % liegen wird.

Trump hat eine restriktive Einwanderungspolitik angekündigt. Welche Konsequenzen erwarten Sie für den US-Arbeitsmarkt, auf den die Fed wegen ihres dualen Mandats besonders achtet?

Die Regierung dürfte in erheblichen Umfang Migranten, die im Verdacht stehen, kriminell zu sein, ausweisen. Aber ich glaube nicht, dass die Trump-Administration wie angekündigt Millionen von Migranten abschieben wird. Daher dürften die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt nicht so gravierend sein.

Glauben Sie, dass Trump die Strafzölle wie angekündigt umsetzt oder könnten sie letztendlich niedriger ausfallen?

Trump wird die Zölle erhöhen, aber vermutlich nicht so stark wie in den aggressivsten Szenarien, die kursieren.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hält Trump für verhandlungsbereit bei den Zöllen, Sie also auch?

Definitiv. Wir haben aus seiner ersten Amtszeit gelernt, dass immer dann, wenn er hohe Forderungen oder Drohungen aufgestellt hat, er ein Zugeständnis erreichen wollte. Mit den angekündigten Zöllen gegen Mexiko will er das Land zu strengeren Grenzkontrollen bringen. Von Europa hätte er gerne Militärausgaben in Höhe von 3% des BIP sowie eine größere Abnahme von amerikanischem Gas.

China kann mit einem großen Fiskal-Stimulus reagieren, den sie schon länger in der Hinterhand haben. Europa kann das nicht.

Welche Folgen hätte ein Handelskrieg, sollte China oder die EU mit Gegenzollen auf US-Zölle reagieren?

Eine Eskalation des Konflikts ist für niemanden gut, auch nicht für die USA. Ich glaube, dass ein Handelskrieg Europa besonders stark trifft. China kann mit einem großen Fiskal-Stimulus reagieren, den sie schon länger in der Hinterhand haben. Europa kann das nicht. Außerdem dürfte China bei einem Einbruch der Exporte in die USA damit reagieren, dass es Europa mit seinen Produkten flutet. Das hätte negative Konsequenzen auf etwa die Autohersteller in Europa und würde zudem die Inflation in der Eurozone ungewollt stark senken.

Ein anderer Effekt der US-Zollpolitik dürfte ein im Vergleich zum Euro stärkerer Dollar sein. Welche Konsequenten hätte das?

Die Diskussion um den Wechselkurs ist interessant. Die Finanzmärkte erwarten derzeit, dass die EZB den Leitzins im kommenden Jahr auf circa 1,65% senkt und die Fed auf 3,75%. Sollte das so kommen, dürfte der Euro bei 1,03 bis 1,05 liegen. Muss die Fed jedoch wegen Trump restriktiver sein als angenommen und die EZB expansiver, das Zinsdifferential also noch größer werden, dann wird der Euro stärker abwerten. Dann ist die Frage, ob die EZB das akzeptiert oder versucht, dagegen zu steuern. Sollte die Abwertung schleichend sein, wird die EZB das vermutlich tolerieren.

In Deutschland stehen Neuwahlen an. In Frankreich ist die politische Lage sehr instabil. Wie sehr besorgt sie die politische Unsicherheit, gerade vor dem Hintergrund, dass die Wachstumsperspektiven für Europa derzeit ohnehin nicht rosig sind?

Deutschland und Frankreich sind eigentlich die wirtschaftlichen und politischen Anker der EU. Da sind sie derzeit nicht, dafür läuft die Wirtschaft in anderen Euroländern wie Spanien relativ rund. Die Frage ist jedoch, ob das länger so bleiben wird, wenn die Lage in den zwei größten Volkswirtschaften der Eurozone instabil bleibt und sich Deutschland in einer Rezession befindet.

Welchen Wunsch haben Sie an die neue deutsche Regierung im Bereich der Wirtschaftspolitik?

Deutschland muss mehr in seine Infrastruktur investieren. Vor allem aber braucht es ein Umfeld, in dem Unternehmen wieder investieren und Privathaushalte mehr konsumieren. Dazu muss Deutschland etwa seine Bürokratie deutlich abbauen. Manchmal höre ich, dass das nicht möglich sei. Das glaube ich nicht. Deutschland war in den 1990er Jahren der kranke Mann Europas und hat sich mit den Harz-Reformen neu erfunden. So etwas in der Art braucht es wieder, dazu muss nur der politische Wille da sein.

Es braucht Reformen, an deren Ende der globale Süden mehr Einfluss bekommt.

Blicken wir auf die Geopolitik. Während die globalen Konflikte zunehmen, hat Brics 2024 neue Mitglieder gewonnen. Welche Rolle wird Brics künftig in der Geopolitik spielen?

Bei Brics versammeln sich Staaten, die unzufrieden mit der Dominanz der USA und Europas sind. Ein Großteil der staatenübergreifenden Transaktionen wird in Dollar oder Euro abgewickelt. Verständlich, dass die Brics-Länder die dadurch entstehende Abhängigkeit vom Wechselkurs stört. Eine eigene Brics-Währung ist dennoch utopisch. Indien etwa, wird sich niemals von seiner stabilen Währung verabschieden, um eine neue nicht-liquide Währung einzuführen. Ich sehe Brics eher als eine Plattform für Staaten, die ein größeres Gewicht in der Geopolitik wollen.

Müssten Organisationen wie die WTO, die Weltbank oder die UN so reformiert werden, dass der sogenannte globale Süden dort mehr Einfluss hat?

Ja, diese Organisationen sind ungemein wichtig für den Multilateralismus. Aber sie sind derzeit wie gelähmt durch Blockbildungen. Deshalb braucht es Reformen, an deren Ende der globale Süden mehr Einfluss bekommt.

Eines der Länder, das in der internationalen Politik immer wichtiger wird, ist Indien. Außerdem wächst die Wirtschaft dort sehr stark. Was ist ihre ökonomische Prognose für die kommenden Jahre?

Indien ist ein Lichtblick in der globalen Konjunktur. Anders als China hat es eine erfreuliche demografische Entwicklung, die der Wirtschaft zugutekommt. Die Regierung hat in den vergangenen Jahren auch vieles richtig gemacht in der Wirtschaftspolitik. So wurde unter anderem viel in die Infrastruktur investiert. Hinzu kommt, Indien hat eine vergleichsweise geschlossene Volkswirtschaft. Daher ist es nicht so abhängig vom Welthandel, der unter den geopolitischen Konflikten leidet.

Die demografischen Probleme in China haben Sie bereits angesprochen. Wie beurteilen Sie dort die ökonomischen Perspektiven?

Die Regierung hat erkannt, dass sie größere Konjunkturpakete braucht, um ihr Wachstumsziel zu erreichen. Im kommenden Jahr dürfte wegen Trump noch ein größerer fiskalischer Impuls folgen. Dennoch geht der Trend in China zu einem langsameren Wachstum in den kommenden Jahren. Der kriselnde Immobilienmarkt hat einen Anteil von über 20% am BIP. Boomende Sektoren wie der Automobilmarkt nur von rund 6%. Die Umstrukturierung der Wirtschaft braucht also seine Zeit.

Bekommt China denn seine Deflationsgefahr gebannt?

In den boomenden Branchen wie dem Automobilmarkt dürfte es zu einer Konsolidierung kommen, was deflationär wirkt. Von daher könnte das Problem sogar noch größer werden. Die chinesische Regierung muss es schaffen, dass der private Konsum und auch die Kreditnachfrage anziehen. Dazu muss die Stimmung der Verbraucher und der Unternehmen deutlich besser werden. Das wird der Schlüssel sein.

Das Interview führte Martin Pirkl.

Das Interview führte Martin Pirkl.

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