SERIE: BUNDESTAGSWAHL (2)Versprechen der Parteien an die Wirtschaft

Steuerentlastung soll Wirtschaft ankurbeln

Die deutsche Industrie ersehnt von einem Regierungswechsel nach Jahrzehnten des Stillstands wettbewerbsfähige steuerliche Bedingungen. Union und FDP dürften dies erfüllen, SPD und Grüne setzen auf ein anderes Konzept.

Steuerentlastung soll Wirtschaft ankurbeln

SERIE: BUNDESTAGSWAHL (Teil 2)

Steuerentlastung soll Wirtschaft ankurbeln

Industrie hofft auf wettbewerbsfähiges Steuerniveau – Union und FDP wollen Systemveränderung – SPD und Grüne versprechen Investitionsbonus

Von Angela Wefers, Berlin

Für Ökonomen ist es klar und für Wahlkämpfer auch. Die Bundestagwahl wird mit über die Frage entscheiden, wer am besten der deutschen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen kann. Impulse für Investitionen und Wachstum verspricht eine attraktiver Steuerstandort. Dies gilt nicht nur für die hiesigen Unternehmen, sondern auch für mögliche Investoren aus dem Ausland.

Deutschland ist im Steuerwettbewerb seit Jahrzehnten deutlich zurückgefallen. Die Unternehmenssteuerbelastung von Kapitalgesellschaften liegt mit fast 30% im internationalen Vergleich in der Spitze. Der OECD-Durchschnitt beträgt 23,6%, der EU-Durchschnitt 21,1%. Hierzulande hat sich zudem der Aufkommensanteil der Steuern auf Unternehmensgewinne am Gesamtsteueraufkommen laut Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo deutlich erhöht – und liegt mit rund 13% um 3 Prozentpunkte höher als vor einer Dekade.

Standortnachteil wird größer

Der Industrieverband BDI wird nicht müde, den Standortnachteil für deutsche Unternehmen anzuprangern. „Die Steuerbelastung der Unternehmen muss auf ein wettbewerbsfähiges Niveau von maximal 25% gesenkt werden“, fordert BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Die Steuerpolitik der nächsten Legislaturperiode müsse wieder für Wettbewerbsfähigkeit sorgen und den Standort stärken.

Der Standortnachteil erstreckt sich dem BDI zufolge aber nicht nur auf die Steuersätze, sondern auch auf die überbordende Steuerbürokratie. Ein durchgreifender Bürokratieabbau, auch unter Nutzung von KI, und effizientere Prozesse zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung können unsere Unternehmen von unnötigen administrativen Kosten und Aufwand entlasten, ist Gönner überzeugt. „Die künftige Bundesregierung sollte sich auch für den Abbau redundanter internationaler Steuervorschriften und Berichtspflichten für Unternehmen einsetzen.“

Komplexe Interessenlage

Einer steuerliche Entlastung von Kapitalgesellschaften lässt sich über die Körperschaftsteuer oder Gewerbesteuer realisieren. Die Körperschaftsteuer hat mit 15% indes nicht mehr viel Spielraum. Das jährliche Aufkommen von rund 40 Mrd. Euro teilen sich Bund und Länder. Die Gewerbesteuer mit einem spürbar höheren Aufkommen von rund 75 Mrd. Euro steht allein den Kommunen zu und ist eine ihrer Haupteinnahmequellen. Änderungen dort sind politisch wegen der komplexen Interessenlage schwer durchsetzbar. Nach den Forderungen des BDI zur Bundestagswahl 2025 wäre es möglich, das Belastungsniveau von maximal 25% durch volle Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer sowie die Abschaffung des Solidaritätszuschlags zu erreichen.

Der Soli wird zwar nur noch von den oberen 10% der Einkommen getragen, spielt mit 13 Mrd. Euro, damit aber beim Bund noch die Hälfte des ursprünglichen Aufkommens ein. Geschultert werden die Steuerzahlungen zu rund 40% von Gewerbetreibenden und Selbständigen. Damit ist der Soli eine veritable Last für den Unternehmenssektor.

Steuerbürokratie abbauen

Für Mittelstand und Personengesellschaften hofft der BDI auf geringere Besteuerung der einbehaltenen und reinestierten Gewinne. Zudem müsse die Gewerbesteuer reformiert werden, verlangt die Industrie. Die zahlreichen Hinzurechnungen und Kürzungen verursachten einen hohen bürokratischen Aufwand. Ziel ist eine stringente Angleichung der Gewerbesteuerbemessungsgrundlage an die Einkommen- und Körperschaftsteuer.

Die Schwäche der deutschen Wirtschaft haben alle Parteien im Blick. Bei ihren Wahlversprechen folgen sie unterschiedlichen Ansätzen, wie sie die Lage verbessern wollen. CDU/CSU und FDP setzen auf Entlastungen bei der Einkommensteuer sowie bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Die Einkommensteuer ist für Personengesellschaften relevant und damit auch für den Unternehmenssektor. Den Solidaritätszuschlag wollen beide komplett abschaffen. Das geplante Entlastungsvolumen bei der Einkommensteuer fällt bei der FDP mit 95 Mrd. Euro deutlich höher aus als bei der Union mit 41 Mrd. Euro. Bei Körperschaft- und Gewerbesteuer will die Union um 20 Mrd. Euro entlasten, die FDP um 17 Mrd. Euro. Die fiskalischen Folgen der Wahlprogramme haben die Forscher des IW Köln berechnet.

Prämie für alle soll es richten

SPD und Grüne sehen auch Entlastungsbedarf bei der Einkommensteuer – die SPD von 8 Mrd. Euro, die Grünen von 11 Mrd. Euro. Direkte Pläne für Körperschaft- und Gewerbesteuersätze gibt es dort nicht. Vielmehr setzen beide auf eine Investitionsprämie – die SPD etwa als Made-in-Germany-Bonus von 10% . Das Konzept ist angelehnt an den Inflation-Reduction-Act der USA. Das Verfahren gilt als unbürokratisch. Im Unterschiede zur Senkung von Steuersätzen oder verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten profitieren von einem Investitionsbonus auch Unternehmen in der Verlustzone. Das IW setzt für das Konzept beider Parteien fiskalische Kosten von 20 Mrd. Euro an.

Planungssicherheit gefragt

Der BDI setzt für Investitionsanreize – auch für den Transformationsprozess der Wirtschaft – auf „langfristig planbare und erhöhte Abschreibungsbedingungen“, aber auch auf eine Investitionsprämie. Der Industrieverband hat dabei auch die fiskalische Seite im Auge: Höhere Abschreibungen erhöhten die Liquidität der Unternehmen, wirke sich jedoch nicht auf das Steueraufkommen aus. Eine Investitionsprämie steht beim BDI zusätzlich auf der Wunschliste, wie auch die Ausweitung der Forschungszulage.

SPD und Grüne wollen mit einer verschärften Erbschaftsteuer und der Widerbelebung der Vermögensteuer ihre Steuer- und Investitionsanreizpläne zumindest zum Teil gegenfinanzieren. Das IW setzt für die Erbschaftsteuer Mehreinnahmen von 3 Mrd. Euro und für die Vermögensteuer 2 Mrd. Euro an. Die SPD will zudem Kapitalerträge wieder dem Einkommensteuertarif unterwerfen. Das bringt laut IW 7 Mrd. Euro mehr für den Fiskus. Das Ifo-Institut hatte jüngst vor den Folgen eine Vermögensteuer mit Blick auf den Wirtschaftsstandort gewarnt. Investoren würden abgeschreckt und Kapitalflucht angereizt. Bei einer konsequentere Besteuerung von Erbschaften auch bei Unternehmensübergänge ist eine Netto-Vermögensteuer den Münchner Wissenschaftlern zufolge zudem obsolet.

Die deutsche Industrie ersehnt von einem Regierungswechsel nach Jahrzehnten des Stillstands wettbewerbsfähige steuerliche Bedingungen. Union und FDP dürften dies erfüllen, SPD und Grüne setzen indes auf ein anders Konzept und auch eine höhere Belastung für Wohlhabende. Dies würde auch Unternehmen treffen.

Zuletzt erschienen: Wahlkampf der Verzagten und Mutlosen (23.01.)

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