Im Blickfeld: Zinswende

Durchwachsenes Zwischenzeugnis für Banken

Deutsche Banken haben 2022 deutlich weniger von der Zinswende profitiert als gedacht, zeigt eine Analyse der Bundesbank. Das liegt vor allem an Problemen bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Durchwachsenes Zwischenzeugnis für Banken

Durchwachsenes Zwischenzeugnis für Banken

Deutsche Banken haben 2022 deutlich weniger von der Zinswende profitiert als gedacht, zeigt eine Analyse der Bundesbank

Von Philipp Habdank, Frankfurt

Die Bundesbank stellt deutschen Banken ein deutlich schlechteres Zwischenzeugnis zur Zinswende aus, als man auf den ersten Blick vielleicht vermuten würde. Übersetzt in ein Schulnotensystem lässt sich das Jahr 2022 wohl bestenfalls mit dem Prädikat "befriedigend" beschreiben. In ihrem Monatsbericht für den September hat die Bundesbank die HGB-Abschlüsse der in Deutschland aktiven Banken genau analysiert und die erfolgssteigernden und erfolgsmindernden Effekte der Zinswende gegenübergestellt.

Das Gesamtergebnis ist ernüchternd: Zwar konnten alle Bankengruppen ihre operativen Erträge getragen von einem deutlich höheren Zinsüberschuss wenig überraschend steigern. Aggregiert legten die Erträge um 11,8% auf über 140 Mrd. Euro zu. Tendenziell hat sich die Ertragslage der Banken verglichen mit 2021 laut Bundesbank aber sogar verschlechtert. Denn der ohnehin nur geringfügig um 1,4% auf 27,4 Mrd. Euro angestiegene Jahresüberschuss vor Steuern sei einem Sondereffekt bei einer Großbank geschuldet, ohne den der Jahresüberschuss gegenüber 2021 gesunken wäre.

Monatsbericht September 2023, Deutsche Bundesbank

In der Gesamtbetrachtung sank die Eigenkapitalrendite der Banken leicht auf 4,85%. Außer bei den Großbanken, Landesbanken und Bausparkassen hat sich die Eigenkapitalrentabilität bei allen anderen Bankengruppen verschlechtert. Größter und einziger Gewinner waren die Großbanken, deren Rendite von −2,26 auf 9,12% drehte. Größter Verlierer hingegen sind die Realkreditinstitute, deren Eigenkapitalrenditen sich von knapp 17,5% auf rund 6% fast gedrittelt haben. Ihre Kapitalkosten, die im Schnitt mit 10% angesetzt werden, verdiente damit weiterhin keine einzige Bankengruppe – Zinswende hin oder her.  

Wachsende Erträge

Die positiven Ertragseffekte durch das höhere Zinsniveau sind da. Es trug maßgeblich zum höheren Zinsüberschuss der Banken bei. Mit 11,4% war die Wachstumsrate 2022 achtmal so hoch wie im Vorjahr. Nach der eingeleiteten Zinswende sind die Zinserträge der Banken absolut betrachtet um 34,6 Mrd. Euro gestiegen, während sich die Zinsaufwendungen nur um 26 Mrd. Euro erhöhten. Banken konnten die höheren Zinssätze für Neukredite laut Bundesbank „sehr schnell und unerwartet stark“ an die Kunden weiterreichen – während die Zinsen für täglich fällige Einlagen, die 2022 rund zwei Drittel des Einlagenvolumens ausmachten, nur geringfügig stiegen.

Lukrative Geschäfte mit der EZB

Auf der anderen Seite machten Banken auch 2022 lukrative Geschäfte mit der EZB. Zwar leistete Guthaben auf Girokonten bei der Zentralbank im vergangenen Jahr keinen nennenswerten Beitrag mehr zum Ertragswachstum, da die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte der Europäischen Zentralbank ausliefen. 2021 ging davon noch der stärkste Wachstumsimpuls aus.

Dafür haben deutsche Banken laut Bundesbank im September 2022 "in großem Umfang" Girokontenguthaben in die Einlagenfazilität umgeschichtet, deren Verzinsung damals auf 0,75% anstieg und seitdem parallel mit dem Leitzins auf inzwischen 4% angehoben wurde. Laut Bundesbank entfielen 2022 rund 2,4% der gesamten Zinserträge deutscher Banken auf Zinserträge aus der Einlagefazilität und aus Refinanzierungsgeschäften mit dem Eurosystem. In diesem Jahr dürfte der Effekt weitaus größer ausfallen.

Monatsbericht September 2023, Deutsche Bundesbank

Im Kreditgeschäft profitierten die Banken unter anderem von der Not der Unternehmen, die Anfang 2022 einen hohen Finanzierungsbedarf für Lagerhaltung und Betriebsmittel hatten – eine Folge von seit der Pandemie global bestehenden Lieferkettenproblemen und Materialengpässen. Mit durchschnittlich 5,4% verzeichneten die Banken im vergangenen Jahr die höchste Kreditwachstumsrate seit 20 Jahren.

Temporäre Effekte

Das war allerdings nur ein temporärer Effekt, da sich die Lieferkettensituation inzwischen wieder entspannt hat und die entsprechende Kreditnachfrage der Unternehmen deutlich zurückgegangen ist. Die Bundesbank weist außerdem auf einen Sondereffekt im dritten Quartal hin. Demnach entfiel ein großer Teil der Netto-Kreditvergabe auf von der KfW vergebene Hilfskredite an Energieunternehmen. Kredite mit mittel- und langfristiger Laufzeit – die nachhaltigen Ertragsquellen – seien 2022 aber auch gewachsen.

Insgesamt machte der Zinsüberschuss damit unverändert 65% der operativen Erträge deutscher Banken aus. Dieser wiederum war laut Bundesbank der Haupttreiber für die deutlich höheren operativen Erträge. Aber auch ein deutlich verbessertes Handelsergebnis hat dazu beigetragen. Der Anstieg um 4,8 Mrd. auf rund 10 Mrd. Euro trug rund ein Drittel zum gesamten Wachstum der operativen Erträge bei.

In Zeiten hoher Volatilität war die Kundennachfrage nach Absicherungsprodukten mit Blick auf Zinsen, Währungen oder Rohstoffpreise enorm. Profitiert haben davon allerdings überwiegend die Großbanken mit ihren Investment-Banking-Einheiten und weniger die kleineren Banken. Auf die Großbanken entfielen gut 40% des gesamten Handelsergebnisses. 20% entfielen auf Landesbanken.

Schwache Provisionserträge

Bei den Provisionserträgen hingegen ging im vergangenen Jahr nichts. Ihr Anteil an den operativen Erträgen ging auf rund 27% zurück und trug laut Bundesbank damit „nicht zur Verbesserung der operativen Erträge“ bei. Weil die Provisionserträge ebenso stiegen wie die Aufwendungen, verharrte der Provisionsüberschuss bei 37,9 Mrd. Euro. Für die Bundesbank bedeutet das, dass die deutschen Banken das gestiegene Geschäftsvolumen nicht zur Stärkung des Provisionsgeschäfts nutzen konnten.

Während die Fremdkapitalmärkte von steigenden Zinsen tendenziell profitiert haben, zeigte sich an den Aktienmärkten das genaue Gegenteil. Folglich verbuchten Banken weniger Wertpapier- und Depotgeschäft mit Kunden. Im Investment Banking fehlten zudem Provisionserträge aus dem Emissions- und Beratungsgeschäft.

Den größten Provisionsrückgang verbuchten deshalb wenig überraschend die im Investment Banking engagierten Großbanken (−7,6%), wohingegen Landesbanken ( 15,1%), Sparkassen ( 4,6%) und Genossenschaftsbanken ( 1,6%) zulegen konnten.

Hohe Abschreibungen bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken

Dass die Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Zwischenzeugnis trotz großer Ertragszuwächse dennoch am schlechtesten abschneiden, liegt daran, dass sie verglichen mit den anderen Bankengruppen deutlich größere Probleme mit den Zinsänderungsrisiken hatten. Hohe Abschreibungen auf festverzinsliche Wertpapiere und mehr Risikovorsorgebedarf im Kreditgeschäft haben laut Bundesbank den Netto-Bewertungsaufwand der deutschen Banken 2022 stark ansteigen lassen. Mit 16,2 Mrd. Euro betrug der Bewertungsaufwand das Viereinhalbfache des Vorjahres und lag über dem langfristigen Mittel von 13,6 Mrd. Euro.

Er war auch höher als 2020, als die Kreditrisikovorsorge aufgrund der Pandemie anstieg. „Der Zuwachs des Netto-Bewertungsaufwands wog die Verbesserungen der operativen Erträge im Jahr 2022 zu rund 85% auf“, schreibt die Bundesbank. Der Großteil entfiel auf Sparkassen (4,7 Mrd. Euro) und Genossenschaftsbanken (4,1 Mrd. Euro), die zusammen für fast 70% des Anstiegs verantwortlich waren. Bei dem Problem handelte es sich dabei keineswegs um Einzelfälle: Mehr als 80% der Sparkassen und mehr als 90% der Kreditgenossen meldeten Anstiege.

Hinzu kommt, dass die allgemeinen Verwaltungsaufwendungen über alle Bankengruppen hinweg verglichen mit dem Vorjahr leicht gestiegen sind – um 3,3% oder 3 Mrd. Euro. Das ist zwar angesichts der hohen Inflation nicht dramatisch und die Aufwand-Ertrags-Ratio sank insgesamt von 72,9% auf 67,3%. Doch zusammen mit dem deutlich höheren Netto-Bewertungsaufwand haben die Kostensteigerungen die operative Ertragssteigerung mehr als aufgewogen.

Kritischer Ausblick

Um das Abschneiden der Banken in der Zinswende vollumfänglich beurteilen zu können, braucht es noch das laufende Jahr, wenn sich die Sondereffekte abschwächen, die nachhaltige Ertragslage der Banken sich herauskristallisiert und sich Risiken materialisieren. Der Ausblick der Bundesbank ist daher durchaus kritisch: So dürfte der Margenanstieg im Kredit- und Einlagengeschäft sich als nicht nachhaltig erweisen und stattdessen dürften die ertragsbelastenden Risiken zunehmen. Eine schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung könnte beispielsweise zu mehr Kreditausfällen führen.

Mit weiteren großen Zinsschritten ist seitens der EZB vorerst nicht zu rechnen. Gleichzeitig gehören die risikolosen Erträge der Banken aus den langfristigen Refinanzierungsgeschäften mit der Zentralbank endgültig der Geschichte an. Stattdessen gibt es innerhalb der EZB Gedankenspiele, die unverzinste Mindestreserve der Banken zu erhöhen und diese gleichzeitig bei der Einlagenfazilität zu beschneiden – Überlegungen, die die Banken-Lobby überhaupt nicht lustig findet, da dies den Zinsüberschuss erheblich belasten würde.

Zumal sich der Druck auf die Banken ohnehin erhöht hat, die gestiegenen Zinsen auf der Einlagenseite an die Kunden weiterzugeben. Erste Banken bieten bereits 4% aufs Tagesgeld und der Wettbewerb um Kundeneinlagen dürfte sogar noch zunehmen. Versetzungsgefährdet sind deutsche Banken nicht, doch ein wenig Nachhilfe im Management von Zinsänderungsrisiken dürfte dem ein oder anderen Haus sicherlich nicht schaden.

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