Kartellverfahren

In der Schwebe

Das hart erkämpfte Instrument des Paragrafen 19a im Kartellrecht, das den Behörden schnelle Eingriffe erlaubt, um einen Machtmissbrauch von Unternehmen mit „marktübergreifender Bedeutung“ zu verhindern, sollte vor allem zielsicher eingesetzt werden. Es ist höchste Zeit, den rechtlichen Schwebezustand zu beenden, kommentiert Heidi Rohde.

In der Schwebe

Es hat viel Zeit gekostet, das Schwert der Wettbewerbsbehörden im Umgang mit Unternehmen der Digitalwirtschaft zu schärfen. Das hierzulande hart erkämpfte Instrument des Paragrafen 19a im Kartellrecht, das den Behörden schnelle Eingriffe erlaubt, um einen Machtmissbrauch von Unternehmen mit „marktübergreifender Bedeutung“ zu verhindern, ist auch EU-weit als Vorbild anerkannt worden und hat Eingang in die laufende Gesetzgebung zum Digital Markets Act (DMA) gefunden.

Die stetig neu aufgenommenen Fälle beim Bundeskartellamt, das just das dritte Verfahren gegen Google bzw. Alphabet gestartet hat, zeigen einen breiten Anwendungsbedarf. Umso wichtiger erscheint, dass das neue Instrument nicht nur baldmöglichst auch von der EU, sondern vor allem zielsicher eingesetzt wird.

Bisher war nämlich nicht nur die Dauer von Wettbewerbsverfahren ein großes Problem, sondern auch die Zielsicherheit. Das bisherige Recht stellt aus Sicht der Behörden so erhebliche Anforderungen an die Beweisführung, dass selbst nach jahrelangen Ermittlungen getroffene Entscheidungen häufig vor Gericht angreifbar sind. So musste sich das Bundeskartellamt im vielbeachteten Verfahren gegen die damalige Facebook noch vor einem Oberlandesgericht ge­schlagen geben, bis letztlich vor dem Bundesgerichtshof ein Sieg errungen werden konnte. Trotz der Bedeutung dieses Urteils ist die Sache aber weiterhin in der Schwebe, denn der Fall wird in nächster Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt, und von dort erreichen das Kartellamt auffallend viele Fragen zu formalen Verfahrensgesichtspunkten.

Das lässt nichts Gutes ahnen, denn auch die EU-Kommission hat vor dem EuGH nun schon mehr als einmal wegen formaler Gründe eine Schlappe einstecken müssen. Zuletzt kassierten die Richter eine milliardenschwere Kartellstrafe gegen den US-Chipriesen Qualcomm. Die Folgen können deftig ausfallen, wie der Fall Intel zeigt. Der Halbleiterkonzern war 2009 von der EU mit einer Strafe über 1 Mrd. Dollar belegt worden. Nach mehr als zehn Jahren konnte der Konzern nun durchsetzen, dass das Urteil für nichtig erklärt wurde. Folge: Intel verklagt die Kommission über mehr als 500 Mill. Dollar Schadenersatz.

Derlei spektakuläre Fehlschläge schaden dem Ansehen der Wettbewerbshüter. Sie laden überdies Unternehmen dazu ein, ihre Grenzen auszutesten – wenn sie sich das leisten können, was bei allen großen Digitalkonzernen der Fall ist. Höchste Zeit, den rechtlichen Schwebezustand zu beenden.

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