Anleihemärkte

Klare Signale

Die Zinsstrukturkurve des Bundes ist mittlerweile im Bereich von zehn bis 30 Jahren komplett flach. Das Signal daraus: Die Konjunktur schwächt sich ab. Die Rezession könnte bald folgen.

Klare Signale

Die Stimmung an den Anleihemärkten hat kräftig gedreht. Immer mehr Akteure gehen mittlerweile davon aus, dass die Wirtschaft in der Eurozone in die Rezession abrutschen wird. Fast könnte man schon sagen, es geht schon lange nicht mehr um die Frage, ob die wirtschaftliche Kontraktion eintreten wird, sondern nur noch darum, wie heftig sie ausfallen wird, also wie lange es dauert und wie tief es hinabgeht. Die Kurve der Bundesanleihen, der Benchmarkpapiere der Eurozone, zu denen sämtliche Zinsabstände anderer Länder gemessen werden und die als Wegweiser für den Euroraum gelten, hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten immer mehr verflacht, d. h., die Renditen entlang der Laufzeitenkurve bewegen sich immer mehr auf ein einheitliches Niveau zu. Bei den zweijährigen Bundesschatzanweisungen ist aktuell eine laufende Marktverzinsung von 1,91% zu beobachten. In der zehnjährigen Frist, die am stärksten beobachtet wird, ist der Satz mit 2,30% zwar höher, aber der Abstand zu dem kürzeren Markt­ende ist eben auch nicht mehr enorm groß. Komplett flach ist die Kurve dann im Bereich von zehn bis 30 Jahren Fälligkeit. Denn wer sein Geld dem Bund in der längsten vom Zentralstaat angebotenen Fristigkeit bei den Bundesanleihen anlegt, bekommt nun 2,31%. Das ist praktisch die gleiche Marktverzinsung zum zehnjährigen Laufzeitenbereich.

Und flache Zinsstrukturkurven sind gute Indikatoren für die wirtschaftliche Entwicklung. Eine flache Kurve zeigt an, dass sich die wirtschaftliche Aktivität verlangsamen wird. Sollte die Kurve dann in die Inversion übergehen, was bei der Bund-Kurve im Bereich von zehn bis 30 Jahren nun durchaus zu erwarten ist bzw. sogar relativ zügig zur länger anhaltenden Realität werden kann, dann signalisiert diese Kurveninversion, dass der Wirtschaft eine Rezession bevorsteht. Allein der Vorlauf dieser Inversion zum Eintritt der Rezession war in der Vergangenheit unterschiedlich. Aber der Indikator selbst war doch immer sehr verlässlich, ging in den USA doch praktisch jeder Rezession in den vergangenen 50 bis 60 Jahren eine Inversion der Zinskurve voraus. Zum Ende des ersten Quartals invertierte auch in diesem Jahr die US-Staatsanleihekurve: Die USA befinden sich aktuell in der Rezession.

Nun scheint sich in den USA auch die Gemengelage in dem zinsbeschlussfassenden Gremium der Fed ein wenig zu verändern, andere Töne werden angeschlagen, wie aus dem Protokoll zur jüngsten Zinssitzung hervorgeht. Da heißt es nun, dass es zu einem Zeitpunkt in der Zukunft durchaus angemessen sein könnte, langsamer in der restriktiven Geldpolitik zu werden. Hört, hört! Da stellen wohl auch die ersten Verantwortlichen in der Fed fest, dass man bei den Zinsanhebungen durchaus über das Ziel hinausschießen kann und dies dann der Wirtschaft und den Verbrauchern mehr schadet, als ihnen die Inflationsbekämpfung nützt.

Ähnliche Entwicklungen könnte es schon bald bei der Europäischen Zentralbank geben (EZB). Während der niederländische Notenbankchef Klaas Knot es noch für richtig erachtet, in der Geldpolitik weiter auf Straffung zu setzen, hebt sein portugiesischer Kollege Mario Centeno etwa bereits warnend den Finger: Die EZB könnte später womöglich dazu gezwungen sein, bei den Zinsen wieder zurückzurudern. Bei der nun Ende Oktober anstehenden Sitzung wird allgemein am Markt aber noch mit einem weiteren Straffungsschritt der europäischen Währungshüter gerechnet.

Bleibt abzuwarten, wann sich die ersten Unternehmen zu Wort melden und die zu hohen Finanzierungskosten beklagen, die ihnen die Lage, die aufgrund der hohen Energiekosten für viele schon prekär genug ist – gerade im Mittelstand –, noch weiter verschärfen. Wenn zu rückläufigen Umsatzerlösen sich höhere Energiekosten gesellen und dann noch spürbar höhere Finanzierungskosten auf die Firmen zukommen, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass viele Adressen das nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag durchhalten werden. Die Wirtschaft insgesamt dürfte darunter kräftig leiden; die Konjunkturabschwächung wäre dann auf der Tagesordnung. Das erste Signal des Bondmarktes in Form der flachen Zinskurve ist hierfür bereits vorhanden. Es fehlt jetzt als Signalgeber nur noch die Inversion der Bund-Kurve: Dann dürfte bald im gemeinsamen Währungsraum auch die Rezession wirtschaftliche Realität werden. Die EZB könnte dann zum Handeln gezwungen sein. Und genau dafür wird sie sich Ende Oktober wohl noch ein bisschen Pulver zur Seite legen wollen. Sie wird es gewiss brauchen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.