KommentarEuropäische Energieversorgung

Neue Unsicherheit treibt Gaspreis hoch

Russland steuert trotz aller Boykottbemühungen nach wie vor 18% des in der EU verbrauchten Erdgases bei. Für diese Gasmengen, auf die Europa nicht einfach verzichten kann, bestehen erhebliche Gefahren.

Neue Unsicherheit treibt Gaspreis hoch

Erdgasmarkt

Neue Unsicherheit für Europa

Von Dieter Kuckelkorn

Der Preis für Erdgas am europäischen Spotmarkt ist wieder deutlich gestiegen, er befindet sich auf dem höchsten Niveau seit rund einem Jahr. Mit aktuell mehr als 46 Euro pro Megawattstunde am virtuellen niederländischen Übergabepunkt TTF ist Erdgas damit inzwischen wieder mehr als doppelt so teuer wie vor Beginn der europäischen Energiekrise, der Sprengung der Nordstream-Pipelines und dem Beginn der westlichen Sanktionen gegen Russland.

Brief von Habeck

Aktuell sind es drei Faktoren, die den Gaspreis nach oben treiben. So gibt es nach wie vor keine Anschlussregelung für die Durchleitung von russischem Erdgas durch die Ukraine ab der Jahreswende. Bislang gilt, dass die ukrainische Regierung keine weitere Durchleitung zulassen will. Zweitens hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck jetzt die sich im Bundesbesitz befindlichen deutschen LNG-Füssiggasterminals angewiesen, kein russisches Gas mehr anzunehmen.

Streit mit Gazprom

Und drittens gibt es einen Streit zwischen der österreichischen OMV als Gasabnehmer und der russischen Gazprom. Die Österreicher hatten vor dem Schiedsgericht International Chamber of Commerce (ICC) unregelmäßige Lieferungen aufgrund von Wartungsarbeiten bei Gazprom moniert, worauf ihnen die ICC jetzt 230 Mill. Euro zugesprochen hat. Nun will OMV diese Summe mit den Zahlungen an Gazprom aufgrund des noch bis 2040 laufenden Liefervertrags verrechnen. Die Ansprüche werden von Gazprom aber bestritten, so dass OMV vor einer Verschlechterung der Vertragsbeziehungen mit Gazprom mit der Möglichkeit eines Lieferstopps durch den russischen Konzern warnt. Das Unternehmen sowie die österreichische Energieministerin betonen zwar, das Land sei mit einem Füllstand der eigenen Gasspeicher von mehr als 90% auf alle Eventualitäten vorbereitet. Am Markt ist man sich allerdings nicht so sicher, dass die EU die Versorgungslage bei einem Komplettausfall des russischen Erdgases unter Kontrolle hat. Aktuell steuert Russland nämlich trotz aller Boykottbemühungen gemäß den Zahlen des Thinktanks Bruegel für die ersten acht Monate des Jahres 18% des in der EU verbrauchten Gases bei.

Für Österreich ist die Lage dramatischer, denn Gazprom liefert 86% der im Land verbrauchten Menge.

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