Requiem für einen Traum
Es war einmal, vor gar nicht allzulanger Zeit, als man glaubte, das Ende der Geschichte sei gekommen. Man war, frei nach Deng Xiaoping, der Meinung, dass alle fortan einfach nur reich werden wollen. Es waren die Jahre der Denkfaulheit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, in denen der britische Ölkonzern BP – wie viele andere Unternehmen aus dem siegestrunkenen Westen – in der Zusammenbruchsregion im Osten expandierte. Dort winkten traumhafte Renditen. Statt sich mit russischen Oligarchen über sibirische Ölfelder zu streiten, tat man sich mit ihnen zusammen. Und schon sprudelten die Dividenden aus dem Joint Venture TNK-BP, das schließlich in Rosneft aufging.
Im vergangenen Jahr steuerte die daraus resultierende Beteiligung von rund einem Fünftel an der staatlichen russischen Ölgesellschaft 2,7 Mrd. Dollar zum bereinigten Ergebnis von BP bei. Die erhaltenen Dividendenzahlungen sind für den Cashflow des Ölkonzerns von großer Bedeutung. Solch eine Cashcow gibt man nicht gern her, selbst wenn Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Doch offenbar entfaltete der britische Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng bei einem Treffen mit BP-Chef Bernard Looney große Überzeugungskraft. Der Shell-Rivale kündigte an, sich von seiner Beteiligung zu trennen und die Mandate im Board von Rosneft aufzugeben. Looney zog sich sogar aus dem Kuratorium der Russischen Geografischen Gesellschaft zurück.
Die Beteiligung stand bei BP zuletzt mit 14 Mrd. Dollar in den Büchern. Ein Abnehmer aus dem energiehungrigen Reich der Mitte wird sich sicher finden lassen. BP wird davon allerdings nicht profitieren, denn selbst chinesische Staatskonzerne zahlen nicht zu viel für toxische Assets. Peking stärkt zwar Moskau den Rücken, nicht aber westlichen Konzernen bei ihren Absetzbewegungen. Bei BP steht zudem nicht nur der Buchwert der Beteiligung im Feuer. Da sind auch noch Wechselkursverluste in Höhe von 11 Mrd. Dollar, die man seit 2013 vor sich herschiebt.
BP ist der erste Konzern mit wesentlichen Assets in Russland, der sich der neuen Wirklichkeit stellt. Die norwegische Equinor kündigte ebenfalls den Ausstieg aus dem Russlandgeschäft an, war dort aber in viel kleinerem Umfang tätig. Vielleicht regt das Fiasko ja manchen dazu an, China-Engagements zu überdenken, die bei einem Angriff auf Taiwan ähnlich unhaltbar würden. Der Scherbenhaufen wäre ungleich größer. Und nach dem Angriff auf die Ukraine hätte man es wissen können.