Tyrannosaurus Dax
Index-Zusammensetzung
Tyrannosaurus Dax
Von Sebastian Schmid
Der Leitindex eilt von Rekord zu Rekord. Doch das Potenzial ist limitiert. Das liegt auch am hohen Anteil alter Industrien.
Der Dax hat seit einem Zwischentief Ende Oktober mehr als 2.000 Punkte gutgemacht und markiert in diesen Tagen Rekordstände in Serie. Das könnte leicht zu der Annahme verleiten, der deutsche Leitindex habe sein Potenzial mehr oder weniger ausgereizt und sei überfällig für eine Korrektur. Seit Jahresbeginn kommt der Index auf ein Plus von 19,5%. Das sind immerhin fast zwei Prozentpunkte mehr als der Euro Stoxx 50. Doch vergleicht man die Entwicklung mit Indizes jenseits des Atlantiks, fällt die Bilanz weniger günstig aus. Zwar hat der S&P 500 mit gut 21% nur unwesentlich besser abgeschnitten. Die technologielastigen Indizes Nasdaq Composite (+39%) und Nasdaq100 (+49%) lassen den Dax aber alt aussehen. Schlechter schneidet in den USA 2023 lediglich der Dow Jones Industrial Average mit einem Plus von 10% ab.
Tech-Riesen retten Dow
Doch der Dow leidet vor allem unter dem hohen Anteil von Unternehmen, die mit neuen Herausforderungen zu kämpfen haben. Traditionsreiche Firmen wie Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, Pharmariese Merck, Getränkekonzern Coca-Cola, Energieunternehmen Chevron oder Drogeriekette Walgreens Boots Alliance liegen allesamt in diesem Jahr im negativen Bereich. Ohne das außergewöhnlich starke Abschneiden von Tech-Größen wie Apple, Microsoft, Intel oder Salesforce wäre die Bilanz im Dow noch deutlich ungünstiger ausgefallen.
Kein Vertrauen in Autobauer
Und genau hier liegt auch ein Problem im Dax. Betrachtet man sich die Bewertungen, so sind diese in der Breite noch immer nicht außergewöhnlich hoch. Vor allem die traditionsreichen Automobilkonzerne Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz sind mit Kurs-Buchwert-Verhältnissen von weit unter 1 sogar auffällig niedrig bewertet. Das deutet aber nur darauf hin, dass bei den Investoren eine enorme Skepsis mit Blick auf deren Fähigkeit zur erfolgreichen Transformation besteht. Und dabei geht es längst nicht nur um die Elektrifizierung der Flotte. Vor allem der Weg zum softwaredefinierten Auto scheint Marktbeobachtern vorgezeichnet. Und Software ist der Bereich, in dem alle deutschen Autobauer bislang noch Anschluss suchen.
Alte Garde dominiert
Auch jenseits der Automobilindustrie dominiert den Dax eine alte Industriegarde. Mit Siemens Energy und Siemens Healthineers sind zwar zwei Unternehmen dabei, die noch recht frisch an der Börse sind. Allerdings blicken beide auf eine lange Tradition als Teil des Siemens-Konzerns zurück, der ebenfalls noch zu den Dax-Unternehmen zählt. SAP, die als einer von wenigen echten Tech-Werten im deutschen Leitindex im laufenden Jahr so gut abschneiden wird wie lange nicht, hat bereits im vergangenen Jahr ihren 50. Geburtstag feiern dürfen. Der Autozulieferer Continental, der gerade an seiner Neuaufstellung arbeitet, hatte 2021 sogar schon 150 Jahre Firmengeschichte feiern dürfen.
Wirecard: Schmach statt Aushängeschild
Ein echter Newcomer ist nur der 2008 gegründete Onlinehändler Zalando. Allerdings zählt dieser zu einer Branche, die sehr konjunktursensitiv ist und aktuell unter Inflation und gestiegenen Zinsen leidet. Andere Neulinge aus dem Technologieumfeld haben es – wie Hellofresh – meist nur kurze Zeit im Dax ausgehalten. Die größte Schmach in der Indexhistorie wird derweil aktuell vor der 4. Strafkammer des Landgerichts München verhandelt. Der 1999 gegründete Zahlungsabwickler Wirecard sollte ein neues Aushängeschild für die deutsche Wirtschaft werden und wurde dann zum glatten Gegenteil.
SAP sprengt Kappungsgrenzen
Insofern verwundert es nicht, dass mit SAP ein einzelner Konzern den Dax 40 mit einem Gewicht von mehr als 10% dominiert. Das mehr als 186 Mrd. Euro schwere Softwarehaus profitiert natürlich auch davon, dass die Deutsche Börse die Kappungsgrenze im Frühjahr von 10 auf 15% anheben will. Doch selbst 15% scheinen angesichts der Zusammensetzung des "Tyrannosaurus Dax" mittelfristig noch zu knapp gefasst. Das lauter schrillende Alarmsignal für die Bewertung des Standorts sollte aber ohnehin nicht der Dax und seine überwiegend global ausgerichteten Unternehmen sein. MDax und SDax spiegeln besser wider, wie deutsche Unternehmen von Investoren derzeit betrachtet werden. Und wenn dem so ist, sieht es düster aus. Der MDax hat seit dem Jahreswechsel nur 4,5% zugelegt, der SDax knapp 9%. Beide Werte sind ernüchternd.