In Italiens Finanzsektor könnten die Karten neu gemischt werden
Italiens Finanzsektor
Italiens Finanzsektor steht vor entscheidenden Weichenstellungen
Praktisch alle führenden Institute des Landes sind an einer möglichen Neuordnung beteiligt – Am Donnerstag Hauptversammlung der Monte dei Paschi
Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand
In Italiens Banken- und Versicherungsmarkt beginnt am 17. April mit der Hauptversammlung der Monte dei Paschi di Siena (MPS) die heiße Phase. Bis Ende dieses Monats könnten die entscheidenden Weichenstellungen für die Zukunft des Sektors erfolgen. Aktuell laufen fünf inneritalienische Übernahmeangebote: BPM-Anima, Unicredit-BPM, MPS-Mediobanca, Banca Ifis-Illimity und BPER-Volksbank von Sondrio.
Trotz der jüngsten Turbulenzen an den Aktienmärkten halten die Protagonisten an ihren Plänen fest. Bei der Hauptversammlung am Donnerstag geht es um die Offerte, die die teilstaatliche Monte dei Paschi für die Investmentbank Mediobanca vorgelegt hat: Die Aktionäre sollen die für die Übernahme im Volumen von ursprünglich 13,3 Mrd. Euro nötige Kapitalerhöhung absegnen. Dazu braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen des anwesenden Kapitals. Das Ergebnis ist offen. „Ich denke, die Entscheidung wird relativ knapp ausfallen“, glaubt Stefano Caselli, Dekan der renommierten Mailänder Bocconi School of Management.
Präsenzquote entscheidend
Zustimmen wollen der italienische Staat (11,7%) sowie die politisch eng mit der Regierung verbandelten Unternehmer Francesco Caltagirone und die Holding Delfin der Erben des Brillenkonzerns EssilorLuxottica, die zusammen auf 20% der Anteile kommen. Wahrscheinlich unterstützen das Vorhaben auch die Aktionäre BPM (5%) und Anima (4%) sowie weitere Aktionäre. Schätzungen zufolge sind das zwischen 44 und 46% des Kapitals. Entscheidend ist die Präsenzquote.
Sollte die nötige Mehrheit zustande kommen, ging es in der nächsten Runde um die Übernahme der Mediobanca. Auch da könnte es knapp werden: Caltagirone und Delfin kontrollieren zusammen 30% der Anteile. Mediobanca-CEO Alberto Nagel organisiert den Widerstand. Er ist der Ansicht, die Kombination zwischen der stark vom Zinsüberschuss abhängigen MPS passe nicht mit einer stark auf Assetmanagement, Konsumentenkredite und Investment Banking ausgerichteten Mediobanca zusammen. Es gebe keinerlei Synergien oder Skaleneffekte, und es drohe die Abwanderung von Spitzenbankern. Die von der MPS angepeilten Einsparungen seien unrealistisch. Die MPS hält es gerade für einen Vorteil, dass beide Institute unterschiedliche Schwerpunkte haben.
Showdown bei Generali
Beobachter sind sich einig, dass es Caltagirone und Delfin eigentlich nicht um die Mediobanca geht, sondern um die Generali. 2022 hatten sie vergeblich versucht, dort die Macht zu übernehmen. Sollte Monte dei Paschi die Mediobanca, die mit einem Anteil von 13% größter Generali-Aktionär ist, übernehmen, kämen sie ihrem Schritt deutlich näher.
Schon vorher kommt es bei der Generali-Hauptversammlung am 24. April zum Showdown. Caltagirone und Delfin sind mit 16% an dem Versicherer beteiligt. Sie können womöglich auf die Unterstützung der Benettons (4,8%) und weiterer Aktionäre zählen und haben eine eigene Liste für die Besetzung des neuen Verwaltungsrats vorgelegt. Aufgrund des von ihnen mitinitiierten neuen Kapitalmarktgesetzes könnten sie bereits mit einem Anteil von 20% der Stimmen de facto für eine Blockade im Verwaltungsrat sorgen und die Generali damit lähmen. Das würde ihre Mitspracherechte deutlich stärken.
Zünglein an der Waage
Zünglein an der Waage könnte die Unicredit sein, die sich mindestens 5,5% der Generali-Anteile, womöglich aber sogar 9%, gesichert hat. Es gibt auch Spekulationen über ein Eingreifen der Intesa Sanpaolo. Italiens größte Bank hat schon einmal versucht, die Generali zu übernehmen. Mit einem Einstieg bei der Generali könnte sie ihre starke Position im Versicherungsmarkt und im Assetmanagement stark ausbauen.
Auch die Regierung kann über die Golden-Power-Regelung unliebsame Entwicklungen verhindern. Über ihre Monte-dei-Paschi-Beteiligung ist sie zudem einer der Akteure. Rom will eine dritte große italienische Bankengruppe schaffen, unter Führung der Monte dei Paschi. Außerdem steht die Regierung dem geplanten Joint Venture von Generali und der französischen Natixis im Assetmanagement sehr kritisch gegenüber.
Die HVB-Mutter Unicredit hat noch andere Projekte. Nachdem die BPM sich 90% des Vermögensverwalters Anima gesichert hat, ist die Übernahme für die Unicredit weniger attraktiv: Denn der Erwerb kostet die BPM bei der Kapitalquote bis zu 268 Basispunkte.
Thema Commerzbank liegt auf Eis
Eine Unicredit-Hauptversammlung hat die für eine Übernahme nötige Kapitalerhöhung mit riesiger Mehrheit genehmigt. Das Angebot läuft vom 28. April bis zum 23. Juni. Doch Caselli hat nach eigenen Worten den Eindruck, "dass CEO Orcel eher an der Commerzbank interessiert ist. Das würde seine internationale Präsenz deutlich erhöhen. Er hat erklärt, dass er das Übernahmeangebot für die BPM nicht um jeden Preis aufrechterhalten will.“ Unicredit hat keine Einigung mit BPM-Großaktionär Crédit Agricole erzielt, der 19,8% der BPM-Anteile hält. Die Franzosen haben eine Reihe von für sie attraktiven Kooperationen mit der BPM laufen, die sie nicht aufgeben wollen. Und das Thema Commerzbank liegt auf Eis.