Neuer Stabilisierungsversuch des Dax
Der zuletzt schwächelnde Dax hat am Donnerstag erneut einen Stabilisierungsversuch unternommen. Ungeachtet der Risiken durch die am Nachmittag anstehenden neuen US-Inflationszahlen drehte er nach anfänglichen Verlusten ins Plus und gewann gegen Mittag 0,83% auf 12.266 Punkte. Damit blieb der deutsche Leitindex zudem klar oberhalb der viel beachteten 12.000-Punkte-Marke. Der MDax der mittelgroßen deutschen Unternehmen schaffte ein Plus von 0,25%, während der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 um 0,3% zulegte.
„Ritt auf der Rasierklinge“
Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar von RoboMarkets sprach indes von einem „Ritt auf der Rasierklinge“. Bereits am Mittwoch hatten die Erzeugerpreise aus den USA einen Erholungsversuch des Dax durchkreuzt. Das am Mittwochabend veröffentlichte Protokoll von der September-Sitzung der US-Notenbank Fed hatte zudem deutlich gemacht, dass die Währungshüter keine größere Neigung zeigen, in der Bekämpfung der hohen Inflation durch weitere Leitzinsanhebungen nachzulassen.
Eine weitere Erhöhung um 0,75 Prozentpunkte im November hält Molnar daher für sicher. „Die Inflationszahlen heute dürften allerdings darüber mitentscheiden, was danach kommt: Wie viel Zinserhöhungen werden noch folgen und wann kann die Notenbank das hohe Tempo in Sachen Zinserhöhungen endlich drosseln und die Märkte beruhigen.“
Ein wenig zuversichtlicher zumindest für die kurzfristigen Dax-Aussichten äußerte sich Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. Die US-Verbraucherpreise hätten zwar „das Potenzial, die Widerstandskraft des Dax der vergangenen Tage zu brechen und den Index auf neue Jahrestiefs zu befördern“. Im Falle einer positiven Überraschung – also einer geringer als erwarteten Teuerung – könnte der Index aber eine ähnliche Erholungsrally hinlegen wie zu Monatsbeginn. Denn laut der US-Investmentbank Goldman Sachs hätten Anleger zuletzt wieder vermehrt Wetten auf fallende Kurse abgeschlossen. Gingen diese nicht auf, wären die Leerverkäufer zu Deckungskäufen gezwungen, um ihre Verluste zu begrenzen, und würden den Dax damit zusätzlich nach oben treiben.
Ölpreise leicht gestiegen
Die Ölpreise sind am Donnerstag leicht gestiegen und haben die jüngsten Kursverluste vorerst reduziert. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete gegen Mittag 92,94 US-Dollar. Das waren 49 Cent mehr als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der US-amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 38 Cent auf 87,65 Dollar. Damit hat sich die Verlustserie der vergangenen drei Handelstage vorerst nicht fortgesetzt. Zuletzt hatten Sorgen über ein Abflauen der Weltwirtschaft und einen damit verbundenen Rückgang der Nachfrage die Ölpreise belastet, nachdem der Internationale Währungsfonds (IWF) die Prognose für das globale Wirtschaftswachstum gesenkt hatte.
Gewinnsprung überzeugt nicht
Am deutschen Markt standen die Zahlen von Südzucker im Mittelpunkt. Ein überraschend deutlicher Gewinnsprung im ersten Geschäftshalbjahr sowie ein erneut angehobener Umsatzausblick überzeugte die Anleger allerdings nur kurz: Nach einem freundlichen Auftakt drehten die Aktien des Zuckerproduzenten ins Minus und verloren knapp 2,5% auf 12,33 Euro. Damit zählten sie zu den schwächsten Werten im Nebenwerte-Index SDax und rutschten zudem unter die 200-Tage-Linie, die als Indikator für die längerfristige Kursentwicklung gilt.
Einem Händler zufolge liegt die neue Umsatzprognose zwar über der Konsensschätzung. Er hatte aber schon vorbörslich vor möglichen Gewinnmitnahmen nach der jüngsten Erholung gewarnt und mit Blick auf die nur bestätigten Gewinnziele moniert, dass die Ergebnisdynamik den Erlösen hinterher hinke.
Vor diesem Hintergrund zollten auch die Südzucker-Tochter Cropenergies dem gestrigen Kurssprung nach guten Zahlen Tribut: Mit minus 7,5% rutschten die Titel des Biokraftstoffherstellers ans Indexende ab.
Tech-Titel unter Druck
Aktien aus dem Chipsektor standen nach negativen Branchennachrichten ebenfalls unter Druck: So verloren die Titel des Dax-Konzerns Infineon 0,6%, und für die Titel des Branchenausrüsters Aixtron ging es um knapp 2% nach unten.
Der US-Branchenausrüster Applied Materials kürzte seinen Ausblick auf das Schlussquartal wegen zuletzt erlassener Beschränkungen der USA für die Geschäftsbeziehungen mit China. Laut Händlern ist dies kein gutes Omen für die Perspektiven in der Branche allgemein. Hinzu kam, dass der taiwanesische Chipkonzern TSMC ankündigte, seine geplanten Investitionen in Anlagen in diesem Jahr um 10% zu kürzen. Börsianer werteten dies als „dramatisches Signal für die derzeitige Verfassung der Tech-Branche“.
Aroundtown verliert weiter
Beim Gewerbeimmobilien-Spezialisten Aroundtown belastete eine gestrichene Kaufempfehlung der Citigroup: Die Aktien sanken um fast 6,5% auf ein erneutes Rekordtief und waren zudem größter Verlierer im MDax. Analystin Aakanksha Anand geht inzwischen von einer schwereren Rezession aus und spricht nur noch ein neutrales Anlagevotum aus. Immobilienwerte insgesamt litten weiter unter dem steigenden Zinsniveau