Bei Rechenzentren droht ein Kostenschub
Bei Rechenzentren droht ein Kostenschub
Energiebedarf und knappe Flächen hemmen Ausbau am Hotspot Frankfurt – M&A boomt
Von Heidi Rohde, Frankfurt
Wenn frustrierte Investmentbanker nach einem Jahr der Dürre ihre Hoffnungen auf 2024 setzen, lohnt vor allem hierzulande ein Blick auf Datencenter. Auf diesem M&A-Parkett ist von Tristesse keine Spur. „Wir haben in den beiden vergangenen Jahren mehr Transaktionen in diesem Bereich begleitet als in den 10 Jahren davor“, erklärt Dietmar Koesling, EY-Partner in München, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Tatsächlich ist das Investoreninteresse an dieser Assetklasse stark gestiegen, die Zahl der Transaktionen kletterte einer Studie von Linklaters zufolge zwischen 2017 und 2022 jährlich im Durchschnitt um 32%. In den ersten neun Monaten des zu Ende gehenden Jahres flossen global 16 Mrd. Dollar in den Sektor. Die Musik spielt dabei vor allem in Europa, das seinen Deal-Anteil von 6% im Vorjahr auf 36% im Jahr 2023 ausgeweitet hat.
Hohe Margen
Die Entwicklung ist für Sören Grabowski, Partner bei EY-Parthenon, wenig verwunderlich. Denn Datencenter sind eine stark wachsende und noch dazu äußerst ertragsstarke Branche, in der Regel mit einem sehr hohen Anteil von wiederkehrenden Erlösen. „Für effizient betriebene Datencenter ist eine Ebitda-Marge von 30% bis 40% ohne weiteres erreichbar“, so Grabowski.
Entsprechend zeigt die Assetklasse eine hohe Resilienz in den Bewertungen. So wurden zwischen 2017 und 2022 Ebitda-Multiples im Mittel zwischen 20 und 40 gezahlt. Finanzinvestoren stachen EY zufolge sogar strategische Käufer deutlich aus. Sie zahlten Spitzen- Multiples von fast 50, während Strategen im Durchschnitt einen Ergebnisfaktor von 28,5 aufriefen. 2023 lag bisher das Mittel der Multiples bei 31,5.
Rückgrat der Wirtschaft
Während sich der Investorenhype um andere Infrastruktur-Assets wie Mobilfunktürme oder Glasfaser inzwischen deutlich abgekühlt hat und die Anleger bereits wieder in Scharen zum Ausgang laufen, bekommen Datencenter immer mehr Zulauf. Denn die Triebfedern für ein anhaltendes Wachstum der Branche sind mächtig. Der durch den Textroboter ChatGPT angefachte Hype um künstliche Intelligenz (KI) hat globale Wellen geschlagen, die zu verstärkten Investitionen der Unternehmen in entsprechende Softwareprogramme geführt haben, um in der Digitalisierung Schritt zu halten.
Außerdem expandiert das industrielle Internet der Dinge (IoT), also die Verknüpfung von Maschinen, die in Europa von 2,3 Milliarden im Jahr 2020 auf 7 Milliarden bis Ende 2030 anschwellen dürfte. Aber auch der vor allem von den US-Technologieriesen verursachte massive „Video-Load“ durch Streaming von Filmen und Serien führt zu einem rasanten Anstieg von Datenmengen. Nicht zuletzt wird der 5G-Mobilfunkstandard die Datenmengen erhöhen.
Schritt halten muss dabei allerdings auch die notwendige digitale Infrastruktur. „Die ebenfalls nötige Expansion von Datencentern als zentrales Rückgrat einer digitalen Wirtschaft ist am Standort Deutschland bisher noch nicht hinreichend auf dem Radarschirm“, meint Grabowski. Expertenschätzungen zufolge wird der Bedarf an Servern und Rechenleistung im Rest der laufenden Dekade um jährlich 36% wachsen. Im Auge des Orkans ist in Europa neben London vor allem der Internetknotenpunkt Frankfurt. Das rasant expandierende Volumen elektronischer Handelsaktivitäten der ansässigen Finanzinstitute treibt die Nachfrage nach lokalen Server-Kapazitäten, denn viele der gewünschten Dienste erfordern eine extrem geringe Latenzzeit, die nur durch räumliche Nähe gewährleistet werden kann.
Kapazitäten knapp
Hyperscaler wie Microsoft und Google empfehlen sich als finanzstarke und langfristige Abnehmer für Datacenter-Betreiber. Im laufenden Jahr wird ihr Anteil an der Datencenter-Belegung in Frankfurt geschätzt 67 von insgesamt ausgelagerten 120 Megawatt erreichen nach 34 Megawatt im Vorjahr.
Obwohl auch die Kapazitäten für Daten-Outsourcing kontinuierlich wachsen, bleibt das Tempo derzeit hinter der Datenexplosion zurück. Geschätzt wird bis 2032 ein durchschnittliches jährliches Plus von 11%. Europa und speziell Deutschland offenbart damit bei den Kapazitäten pro Kopf eine erhebliche Lücke im Vergleich zu den USA. „Hierzulande haben wir derzeit ein Zwölftel der entsprechenden Kapazitäten der USA“, so Grabowski. Und der Ausbau wird nicht leichter, „denn für viele Rechenzentren fehlen die nötige Energieversorgung und oft auch geeignete Immobilien oder Flächen“, erklärt der Experte. Dies gelte vor allem für Innenstadtlagen in Frankfurt oder London „Wir reden da bei größeren Datencentern von dem Energiebedarf einer Kleinstadt“, unterstreicht Grabowski. Der Immobiliendienstleister CBRE schätzt, dass 70% der von IT-Infrastruktur und -Applikationen benötigten Energie in Deutschland am Standort Frankfurt verbraucht werden.
Bis 15 Prozent teurer
Eine solche Konzentration treibt schon allein die Preise. Hinzu kommt der Energiepreisanstieg als solcher und knappe Flächen. „Ein Preisanstieg von 10 bis 15% steht für die Betreiber in jedem Fall im Raum“, so der Manager. Den müssen sie an ihre Kunden weiterreichen, um wirtschaftlich zu sein. Investoren schauen sich die Geschäftsmodelle und Risikoprofile der Datacenter-Betreiber genau an, schon weil der Bau eine sehr kapitalintensive Angelegenheit ist. „Da benötigt man zwischen 8 und 11 Mill. Euro per Megawatt“, so Grabowski. Bei einem entsprechend großen Rechenzentrum mit 300 Megawatt Leistung sind das 3,3 Mrd. Euro. Betreiber sind bemüht, die Kosten „durch intelligente Co-Locations zu senken“, sagt Koesling.
Als wegweisend sehen die Berater das vom Frankfurter Energieversorger Mainova angekündigte Mainova Webhouse. Das Datencenter wird nicht nur durch Energieversorger mit Strom beliefert, sondern gewinnt unter anderem durch eine eigene Fotovoltaikanlage Grünstrom und will die erzeugte Abwärme zum Heizen nutzen oder weiterverkaufen. Entsprechende nach ESG-Maßstäben attraktive und auch finanziell „runde“ Geschäftsmodelle dürften künftig das größte Investoreninteresse anziehen.
Datacenter erleben einen Boom als neue Assetklasse nach Glasfaser. Jedoch drohen Kostenschübe wegen steigender Energiepreise, die die Investoren mittragen müssen. Investoren schauen sich die Geschäftsmodelle der Datacenter-Betreiber genau an, weil der Bau eine sehr kapitalintensive Angelegenheit ist.