Proteste bei Betriebsversammlung

VW-Vorstand und Betriebsrat gehen auf Kollisionskurs

Arbeitnehmervertreter haben die neuen Sparpläne für die kriselnde Marke Volkswagen in einer Betriebsversammlung in Wolfsburg scharf kritisiert. Der Vorstand des Autobauers verteidigt den Kurs: Man habe noch ein bis zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen.

VW-Vorstand und Betriebsrat gehen auf Kollisionskurs

VW-Spitze und Betriebsrat auf Kollisionskurs

Arbeitnehmervertreter sprechen von Bankrotterklärung – Politik ist alarmiert

ste/jh/ahe Hamburg/München/Berlin
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Der Streit um den zu Wochenbeginn verschärften Sparkurs bei Volkswagen nimmt Fahrt auf. In einer Betriebsversammlung im Wolfsburger Stammwerk übten Arbeitnehmervertreter scharfe Kritik an den Plänen des Managements, für weitere Kostensenkungen möglicherweise erstmals Werke in Deutschland zu schließen und betriebsbedingt Stellen abzubauen. Die Antwort des Vorstands auf die Krise bei der Marke Volkswagen sei nicht nur ein Armutszeugnis des Vorstands, sagte VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo. „Das ist eine Bankrotterklärung.“ Volkswagen kranke nicht an seinen deutschen Standorten und an den deutschen Personalkosten. „Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht.“

Das Management verteidigte unter Pfiffen der Beschäftigten die Sparpläne. „Wir haben noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen“, sagte Finanzchef Arno Antlitz. Bezahlbare, wettbewerbsfähige Preise für Fahrzeuge könne man nur anbieten, wenn man eine wettbewerbsfähige Kostenbasis habe. Vorstandschef Oliver Blume betonte, die Autoindustrie habe sich im Volumensegment in wenigen Jahren massiv verändert. „Die aktuelle Lage bei VW berührt uns alle emotional, auch mich persönlich.“ Gemeinsam werde man passende Maßnahmen umsetzen, um wirtschaftlicher zu werden.

Schwache E-Auto-Nachfrage

VW trifft unter anderem die derzeit schwache Nachfrage nach Elektroautos. Auf dem deutschen Markt hat sich die Misere im August verschärft. Die Neuzulassungen stürzten um knapp 68% auf rund 27.000 batterieelektrische Pkw ab. Vor einem Jahr hatte die Zahl noch mehr als das Dreifache erreicht. Auch wenn ein Basiseffekt den Vergleich verzerrt, zeigt der Trend nach unten. Der gesamte deutsche Pkw-Markt schrumpfte im August ebenfalls erheblich: Die Neuzulassungen verringerten sich um knapp 28% auf etwas mehr als 197.000.

Die schwierige Lage beim größten Volumenhersteller Volkswagen beschäftigt auch die Politik. Das am Wolfsburger Konzern beteiligte Land Niedersachsen hat angekündigt, sich an Gesprächen über Kostensenkungen „sehr aktiv“ zu beteiligen. „Dabei erwarten wir, dass sich die Frage einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt“, so Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Die Bundesregierung will sich vorerst nicht direkt in die Debatten einmischen. Dies stellte ein Sprecher in Berlin klar. Er verwies zwar auf Gespräche, die Bundeskanzler Olaf Scholz bereits mit Konzernführung und -betriebsrat geführt habe. VW sei aber ein privates Unternehmen, das seine Probleme erst einmal selbst lösen müsse.

Sorge um Autostandort

Ähnlich äußerte sich auch Arbeitsminister Hubertus Heil (ebenfalls SPD), zeigte sich aber zugleich auch offen für arbeitsmarktpolitische Hilfen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, die Entscheidungen bei VW müssten in enger Abstimmung mit den Sozialpartnern erfolgen und müssen das Ziel im Blick behalten, dass Deutschland ein starker Automobilstandort bleibe.

Das Bundeskabinett gab am Mittwoch grünes Licht für weitere wirtschaftliche Hilfen für die Elektromobilität: Zum einen wird bis 2028 eine beschleunigte Abschreibung für neu angeschaffte Elektrofahrzeuge eingeführt. Zum anderen wird bei Dienstwagen künftig auch für teurere Autos eine Elektrofahrzeugbegünstigung greifen. Der Höchstwert wird von 70.000 auf 95.000 Euro angehoben. „Mit beiden Maßnahmen erhöhen wir die Attraktivität von Elektrofahrzeugen in Deutschland weiter und unterstützen die Industrie“, betonte Habeck in Berlin. Das Finanzministerium kalkuliert deswegen mit Steuermindereinnahmen bis 2028 von insgesamt rund 2,9 Mrd. Euro.

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