Immobilienmarkt

Es droht eine Überhitzung

Die Assetklasse Immobilien ist für institutionelle Investoren als Ertragsquelle unverzichtbar geworden. Doch die Entwicklung an den Märkten hat auch ihre Tücken. Die Preise für Liegenschaften können nicht ewig steigen.

Es droht eine Überhitzung

Von Thomas List, Frankfurt

Schreibtisch aufräumen, nach Monaten (oder Jahren) des Homeoffice. Das viele Papier ordnen, Privates wegräumen, ablegen, abheften, bleibt noch viel „Dienstliches“ der vergangenen Wochen. Immer wieder taucht viel Papier zum Thema Immobilien auf. Darum soll es hier gehen.

Da ist die Umfrage von EY, die auch in diesem Jahr wieder zeigt, dass Immobilien bei Versicherern eine sehr gesuchte Assetklasse sind. Altersvorsorgeeinrichtungen, eine der wichtigsten institutionellen Investorengruppe, setzen schon seit Jahren immer stärker auf Immobilien, allerdings mit wechselnden Schwerpunkten bei den Nutzungsarten. Standen früher Büros und der Einzelhandel im Fokus, sind es nun Wohnobjekte und Logistik.

Das hat natürlich seinen Grund. Da gibt es das klassische Argument: Ge­wohnt werden muss immer. Aber früher, Ende der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts und noch zu Beginn der 2000er Jahre, galten Wohnungen als sehr aufwendig zu bewirtschaften, da kleinteilig, und wenig ertragsreich. Gerade Versicherer trennten sich von ihren direkt gehaltenen Beständen. Seit etwa zehn Jahren hat sich das geändert. Wohnungen sind jetzt auch für Institutionelle attraktiv, da die Mieten (und Kaufpreise) stark gestiegen sind und sie von Spezialisten effizient bewirtschaftet werden können. Die Kehrseite ist allerdings, dass sich viele Leute Wohnen in zentraler Lage nicht mehr leisten können – weder zur Miete noch gar im Eigentum. Letzteres wäre im Sinne einer soliden Altersvorsorge aber notwendig.

Stark aufgeholt

Deutschland hat aber nicht nur bei den Wohnpreisen im internationalen Vergleich stark aufgeholt. Deutschland steht seit etwa 15 Jahren wirtschaftlich deutlich besser da. Vom kranken Mann Europas wurde Deutschland zum bevorzugten Investitionsziel nicht nur einheimischer Investoren, sondern auch europäischer, nordamerikanischer und asiatischer Anleger. Das zeigt sich am gewerblichen Transaktionsvolumen, bei dem Deutschland 2016 erstmals Großbritannien hinter sich ließ (s. Grafik). Das Königreich bleibt aber auch nach dem Brexit ein international begehrter Bürostandort. Am Horizont taucht China als Investmentziel für ausländische Institutionelle auf, muss aber noch viele Hürden bis zum Durchbruch überwinden.

Hinter dem (gewerblichen) Wohnen sind Büros für Investoren hierzulande die zweitwichtigste Nutzungsart. Büros werden seit Ausbruch der Pandemie und der damit verbundenen starken Verbreitung des Homeoffice besonders kritisch betrachtet. Sind sie ein Auslaufmodell oder bleiben sie Dreh- und Angelpunkt der Wirtschaft, wie eine Studie der Deutschen Bank überschrieben ist? Die Phase der großen Unsicherheit und damit der Zurückhaltung von Investoren und anderen Geldgebern scheint dem Ende zuzugehen. Ein gewisser Marktkonsens schält sich heraus: Büros werden nach wie vor gebraucht als Treffpunkt der Mitarbeiter eines Unternehmens, als Kreativzentrum, als Austauschplatz, um ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen bzw. um dieses zu erhalten. Den informellen Austausch am Kaffeeautomaten gibt’s eben nur bei persönlicher Anwesenheit im Büro. Gemeinsames Kaffeetrinken am Bildschirm ist und bleibt eine Krücke (auch wenn der Espresso zu Hause besser schmeckt).

Das Büro von morgen

Das heißt nun aber nicht, dass das Büro von gestern auch das Büro von morgen ist. Es muss diese Kommunikation ermöglichen, ja fördern. Dass Büros dem neuesten technischen Stand, Stichwort Vernetzung, entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Und: Die Vorstellungen und Standards in Frankfurt sind nicht unbedingt die gleichen wie in London (und anderswo).

Ein, wenn nicht der zentrale Punkt insbesondere bei Büros ist die Nachhaltigkeit. Das gilt für den Neubau, aber immer mehr auch für Bestandsobjekte. Wobei Nachhaltigkeit sich (trotz Klimakrise) nicht nur auf Umweltaspekte („E“ für Environment) bezieht, sondern auch auf soziale Aspekte („S“) und solche der Unternehmensführung („G“ für Go­vernance). Ressourcen sparen bei Bau und Unterhalt ist heute schon fast selbstverständlich, auch wenn sich da durch Automatisierung und Big Data noch einiges herausholen lässt.

Anders sieht es dagegen beim „S“ aus. Themen wie angemessene Be­zahlung von Mitarbeitern und Zulieferern, fairer Umgang mit Kunden, aber auch Chancengleichheit in der Bildung , um nur einige „S“-Kriterien zu nennen, tauchen erst langsam auf der Agenda von Bauherren und Investoren auf – nicht zuletzt, weil sie schwerer zu fassen sind als Umweltaspekte.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels wird ESG auch durch die Regulierung in den Vordergrund gerückt. So verlangt der europäische Gesetzgeber von den Fondsanbietern offenzulegen, ob ihre Fonds nachhaltig sind und wenn ja, in welchem Ausmaß. Erste Immobilienfonds haben sich bereits als „hellgrün“ oder „dunkelgrün“ klassifiziert. Es wird sich zeigen, welchen Wert die Anleger auf nachhaltige Produkte legen. Das Interesse ist durchaus groß, wie sich in den Beratungsgesprächen der Vermittler zeigt. Die Anbieter müssen dabei allerdings auch aktiv über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte informieren. Entscheidend ist aber letztlich, ob die Kunden die nachhaltigen Produkte auch kaufen – und ob früher angenommene Renditenachteile „grüner“ Produkte gegenüber konventionellen tatsächlich der Vergangenheit angehören.

ESG-Kriterien spielen auch bei der Kreditvergabe von Banken eine Rolle. Angefangen bei der Möglichkeit, grüne Immobilienkredite durch entsprechende „grüne“ Pfandbriefe zu refinanzieren, geht es auch um die Frage, ob „grüne“ Immobilienkredite bei der Eigenkapitalunterlegung einen Bonus erhalten sollen. Es zeichnet sich aber schon jetzt ab, dass nach Basel III Banken als Fremdkapitalgeber für Immobilien im Vergleich zu anderen Kapitalgebern (wie zum Beispiel Versicherern) stärker (durch die Unterlegung von Eigenkapital) belastet werden.

Megatrend Digitalisierung

Ein weiterer Megatrend ist die Digitalisierung. Sie ermöglicht das einfache Bestellen von Waren, die dann nach Hause geliefert werden. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf den Handel. Stationäre Angebote müssen etwas Besonderes bieten, sonst werden sie vom E-Commerce verdrängt. Das gilt ganz besonders für Warenhäuser und Einkaufszentren. Warenhäuser versuchen, sich als lokaler und regionaler Marktplatz zu etablieren, Einkaufszentren als Erlebnisraum mit Restaurants, Kinos und Eventflächen.Bei den erforderlichen, nicht unerheblichen Investitionen müssen auch die Immobilieneigentümer, häufig große Fonds, mitziehen. Das kräftige Wachstum des E-Commerce ist nur mit einer entsprechenden Logistik möglich. Kein Wunder, dass Logistik in den vergangenen Jahren eine von Investoren immer stärker nachgefragte Nutzungsart geworden ist.

Bei diesem insgesamt sehr positiven Bild der Immobilien dürfen die Gefahren aber nicht übersehen werden. Der starke Miet- und Preisanstieg bei Wohnen in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass sich viele, selbst gut verdienende Doppelverdienerpaare (mit Kindern) keine größere Wohnung in zentraler Lage oder gar Eigentum leisten können. Dies könnte zu einer weiteren Zersiedelung führen, aber auch den Staat zu verschärften Regulierungen veranlassen – für Investoren macht dies die Anlage in diesen Bereich immer aufwendiger.

Aber auch die Preisentwicklung hat ihre Tücken. Die starke Nachfrage bei überschaubarem Angebot hat sie in einigen Lagen in solche Höhen getrieben, dass Bundesbank und EZB vor einer Überhitzung warnen (die sie allerdings mit den dauerhaft niedrigen Zinsen selbst fördern). Klar ist: Die Preise können nicht ewig steigen. Wann Schluss ist, weiß naturgemäß keiner. Die Kunst, im letzten Moment am Höhepunkt auszusteigen, ist keine, sondern Glück. Die Ankündigungen der Notenbanken lassen erwarten, dass die Zinsen noch einige Zeit niedrig bleiben und damit die Investoren ihr Geld weiterhin in alternative Assetklassen wie Immobilien stecken werden.

In der mit diesem Beitrag be­ginnenden Serie „Gefährdete Statik“ will die Börsen-Zeitung die wichtigsten Aspekte des Immobilieninvestments beleuchten. Dabei geht es um Nutzungsarten, Einflussfaktoren (wie die Covid-19-Pandemie), Neubauprojekte, Finanzierung und Regulierung. Entstehen soll ein Gesamtbild, das Immobilien als eine nach wie vor attraktive, ertragreiche Assetklasse zeigt, dabei aber die Gefahren nicht ausblendet.