Kapitalmarktausblick

LBBW warnt vor scharfer Rezession

Ein Stopp russischer Gaslieferungen könnte die Eurozone laut der LBBW in eine lang anhaltende Rezession stürzen. Eine Eurokrise sei zwar unwahrscheinlich, nicht aber eine Bankenkrise in Italien.

LBBW warnt vor scharfer Rezession

xaw Frankfurt

Laut der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) müssen sich die Anleger in der Eurozone auf das Risiko einer scharfen, bis zu zwei Jahre andauernden Rezession einstellen. Eines der beiden Hauptrisiken sei dabei ein vollständiger Stopp der russischen Gaslieferungen – die Wahrscheinlichkeit einer daraus resultierenden lang anhaltenden wirtschaftlichen Talfahrt beziffert die LBBW auf 30%.

„Es ist ironisch, dass noch über ein Gas-Embargo seitens der EU diskutiert wird“, sagte LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer bei einem Kapitalmarktausblick am Montag. Es sei wahrscheinlicher, dass Russland den Gashahn zudrehe, da das Land nicht auf europäische Abnehmer angewiesen sei. In der Folge könne es zu massiven Produktionsausfällen in der EU-Industrie kommen – mit weitreichenden Dominoeffekten auf andere Wirtschaftszweige.

Der zweite Weg in die Rezession führe über eine restriktivere Geldpolitik. „Die Notenbanken werden durch die Inflationsentwicklung zu einer noch aggressiveren Zinswende gezwungen“, betonte Kraemer. Insbesondere der Anstieg der Erzeugerpreise um zuletzt 33,6% sei bedrohlich und löse Druck auf die Margen der Unternehmen aus. „Es sind sicher noch einige Preiserhöhungen zu erwarten“, führte Kraemer aus. Der Hauptrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank werde 2023 das Niveau von 2% erreichen – der Einlagesatz werde auf 2,3% steigen, wobei sich eine Normalisierung wohl erst 2026 einstellen werde.

Neue Renditeanstiege voraus

„Nachdem es zuletzt zu außergewöhnlichen Bewegungen am Rentenmarkt gekommen ist, dürfte die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe bis Jahresende wieder an der Marke von 2% kratzen“, prognostiziert Kraemer. Zugleich werde viel über eine Fragmentierung der Refinanzierungskosten innerhalb des Euroraums diskutiert – Befürchtungen, dass Italien im Zuge der Zinswende abgehängt werde, seien aber übertrieben. Denn das südeuropäische Land sei finanziell besser aufgestellt als vielfach angenommen.

Viel wahrscheinlicher als eine neue Eurokrise sei eine Bankenkrise in Italien. Denn die dortigen Geldhäuser hätten ihre Bilanzen in den vergangenen Jahren mit italienischen Staatsanleihen „vollgestopft“. Ein weiterer Wertverlust dieser Papiere könne also dazu führen, dass die Kapitalisierung italienischer Banken unter regulatorische Mindeststandards falle. „Dann müsste wahrscheinlich der italienische Staat einspringen, und zwar durch zusätzliche Verschuldung“, sagte Kraemer. Dies würde den Wert der Anleihen aber weiter reduzieren, eine Abwärtsspirale wäre die Folge.

Im aktuellen Umfeld stünden auch weitere Rückschläge an den Aktienmärkten bevor. Der Dax dürfte laut der LBBW bis Ende September auf 12500 Punkte sinken, beim S&P500 sei ein Rückgang auf 3450 Zähler zu erwarten. „Gegen Jahresende sollte es zu einer leichten Erholung kommen, doch die Anleger müssen sich vom Gedanken an Jahre mit zweistelligen Renditen verabschieden“, betonte Kraemer.

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