Steilere US-Zinskurve stellt Märkte vor Herausforderungen
Steilere US-Zinskurve treibt Investoren um
Neue Inflationssorgen schieben Treasury-Renditen Richtung 5 Prozent – Finanzierungsdruck durch Trumps Fiskalpläne droht
xaw New York
An den globalen Finanzmärkten geht zum Jahresbeginn der Spuk um. Den Investoren treiben stärker als erwartet ausgefallene Daten vom US-Arbeitsmarkt und die Aussicht auf neuerliche Inflationsanstiege einen Schauer über den Rücken, da diese den Spielraum der Federal Reserve bezüglich fortgesetzter geldpolitischer Lockerungen begrenzt. Den Gruselfaktor erhöht dabei, dass die Zinsstrukturkurve in den Vereinigten Staaten rapide steiler wird. Dies verkompliziert den Ausblick für die Strategie der Notenbank zusätzlich und droht schwere Belastungen für den Aktienmarkt und die Realwirtschaft nach sich zu ziehen.
Renditesprung am langen Ende
Blieb die Kurve zwischen 2022 und dem vergangenen Jahr hartnäckig invertiert – ein Zustand, in dem die Renditen am kurzen Ende jene am langen Ende übertreffen –, geraten US-Staatsanleihen mit einer Laufzeit ab 10 Jahren nun weitaus stärker unter Druck als Schatzwechsel. Es zeigt sich ein geradezu paranormales Phänomen: Obwohl die effektive Federal Funds Rate im Zuge der geldpolitischen Lockerung der US-Notenbank seit September von 5,33 auf 4,33% gesunken ist, hat die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe im gleichen Zeitraum um nahezu 120 Basispunkte zugelegt.
Damit hat sie ihren höchsten Stand seit November 2023 erreicht – damals lasteten eine Herabstufung der Bonitätsnote der Vereinigten Staaten durch die Ratingagentur Fitch sowie eine Rekordflut an Anleiheemissionen der Treasury auf der Stimmung am Bondmarkt. Die Ökonomen der CME Group sehen ausgehend von den aktuellen Niveaus bei – Stand Dienstagvormittag New Yorker Zeit – knapp unterhalb von 4,8% durchaus Potenzial für einen Sprung über 5%. Die Rendite 30-jähriger Staatsanleihen ist indes noch dichter an diese Niveaus herangerückt, das US-Finanzministerium steht bei seiner langfristigen Finanzplanung damit vor massiven Herausforderungen. Zuletzt musste es bei seinen T-Bond-Auktionen die höchsten Verzinsungen seit der Finanzkrise bieten.
Die UBS verweist auf verstärktes Momentum-Trading, hebt aber auch den „mangelnden Appetit auf Durationsrisiko angesichts der Unsicherheit um Strafzölle und die US-Fiskalpolitik“ hervor. Köpfe des Finanzmarkts wie Terrence Duffy, Chairman und CEO der CME Group, warnen davor, dass die geplante protektionistischen Handelspolitik unter dem designierten US-Präsidenten Donald Trump die inländische Inflation antreiben dürften. Angepeilte Steuersenkungen für Unternehmen, wiewohl in der Wirtschaft weithin begrüßt, dürften unterdessen zur Belastung für die Staatskasse werden.
Zinsverpflichtungen explodieren
Diese ist ohnehin schwer gebeutelt: Die Zinsverpflichtungen des US-Finanzministeriums sind im dritten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahr um 37 Mrd. Dollar in die Höhe geschnellt, und die Quote „Interest Payments to Tax Receipts“ hat mit 37,8% Ende November den höchsten Stand seit 1996 erreicht. Der Sprung des vom Zinsdienst aufgefressenen Anteils der Staatseinnahmen über die vergangenen beiden Jahre ist in der modernen amerikanischen Geschichte beispiellos.
Die USA laufen nach den Washingtoner Haushaltsstreitigkeiten der vergangenen Jahre, die das Finanzministerium von einer geregelten Emissionspolitik abhielten, nun in eine teuflische Spirale hinein hinein: „Die Regierung kann ihre Ausgaben für den Zinsdienst nicht senken, ohne das Vertrauen der Finanzmärkte zu verlieren“, betonte Jan Hatzius, Chefökonom von Goldman Sachs, jüngst im Interview der Börsen-Zeitung. Zudem könnten die USA die Verteidigungsausgaben in einer „risikoreicheren Welt“ nicht kürzen oder an der Sozialversicherung rütteln, ohne die Unterstützung einkommensschwacher Wählerschichten einzubüßen.
Laufzeitenprämien klettern weiter
Ökonomen betonen, dass sich die Defizite zwar wohl bei jedem Ausgang der Präsidentschaftswahlen ausgeweitet hätten. Der siegreiche Trump steht allerdings für eine besonders expansive Fiskalpolitik. „Um auf Dauer ein Primärdefizit von 3% des BIP aufrechtzuerhalten, braucht man eine Kombination von extrem starkem Wirtschaftswachstum und extrem niedrigen Realzinsen“, betont Hatzius – und dieses Zusammenspiel sei sehr selten. Zuletzt lag das US-Haushaltsdefizit bei über 6%. Die Verschuldung der Vereinigten Staaten ist folglich bereits auf über 36,1 Bill. Dollar explodiert. Nach Prognosen des Congressional Budget Office dürfte sie innerhalb der kommenden Dekade in Richtung von 140% des Bruttoinlandsprodukt klettern.
Hatzius rechnet damit, dass das „Term Premium“ – der Aufschlag, den Investoren dafür verlangen, dass sie in längeren Laufzeiten ein höheres Durationsrisiko in Kauf nehmen – sich noch erhöhen wird. Für Amerikas Banken sind dies positive Nachrichten: Ihnen stehen Margenzuwächse ins Haus, da sie auf ihre langfristigen Kredite höhere Zinsen einspielen können, als sie auf Einlagen zahlen müssen.
Schuldner unter Druck
Doch dass sich die Inversion der Renditekurve so schnell umkehrt, stellt Emittenten von Unternehmensanleihen und Hypothekenschuldner vor Herausforderungen, wie Hatzius betont. Schließlich sind deren Kreditkosten eng an die Zinsentwicklung am langen Ende gekoppelt. Weitere Anstiege könnten „die Finanzierungs- und Wirtschaftsaktivität beeinträchtigen“, warnt der Ökonom. Vor den entsprechenden konjunkturellen Folgen gruseln sich auch Aktieninvestoren.
Die Furcht der Investoren vor neuen Inflationssprüngen und einer unkontrollierten fiskalischen Expansion in den USA lastet auf dem Bondmarkt. So muss die Treasury in langen Laufzeiten die höchsten Verzinsungen seit der Finanzkrise zahlen. Die steigenden Laufzeitprämien treffen auch die Realwirtschaft.