Strukturschwäche fesselt deutsche Wirtschaft
Strukturschwäche fesselt Wirtschaft
Bundesbank kappt Prognosen kräftig − Dämpfer für Exporteure im Oktober
Die Erholung der deutschen Wirtschaft verzögert sich noch weiter. Das Wirtschaftsministerium erkennt noch keine Trendwende und die Bundesbank schraubt in ihrer halbjährlichen Prognose die Voraussagen deutlich nach unten. Vor allem der sonst zuverlässige Wachstumsmotor, der private Konsum, fällt aus.
ba Frankfurt
Die Bundesbank blickt kurz vor dem Jahreswechsel recht pessimistisch auf die deutsche Konjunktur und hat daher die Prognosen kräftig nach unten korrigiert. Die Wirtschaft „kämpft nicht nur mit hartnäckigem konjunkturellen Gegenwind, sondern auch mit strukturellen Problemen“, erklärte Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Diese würden vor allem die Industrie sowie ihre Exportgeschäfte und Investitionen belasten. Aber auch der bislang recht robuste Arbeitsmarkt „reagiert mittlerweile spürbar auf die schon länger andauernde Wirtschaftsschwäche“, sagte Nagel. Dies dämpfe neben dem langsameren Lohnwachstum den privaten Konsum. Dieser werde daher anders als bisher prognostiziert nicht zu einem Motor für die wirtschaftliche Erholung.
Eine nachhaltige konjunkturelle Trendwende ist auch für die Bundesregierung derzeit nicht in Sicht. Das Bundeswirtschaftsministerium verweist in seinem Monatsbericht Dezember auf die „hohen Unsicherheiten mit Blick auf die weiteren geopolitischen Entwicklungen, mögliche Zollerhöhungen der kommenden US-Regierung sowie die anstehenden Neuwahlen in Deutschland“. Außerdem hätten sich jüngst die bei Unternehmen, Verbrauchern und Börsianern erhobenen Stimmungsindikatoren eingetrübt.
Kräftige Abwärtskorrektur
Erst im Verlauf des kommenden Jahres dürfte die Wirtschaft langsam zur Erholung ansetzen. Die Bundesbank erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dann um 0,2% zulegt, nachdem es im laufenden Jahr noch um 0,2% geschrumpft sein dürfte. Im Juni war für 2024 noch ein Plus von 0,3% erwartet worden. Für 2026 steht die Prognose auf 0,8%, zuvor waren es noch 1,4%. 2027 dürfte sich das Wachstum auf 0,9% leicht beschleunigen. Trotz der schwachen Konjunktur wird ein Rückgang der Inflationsrate gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) 2025 von jahresdurchschnittlich 2,5 auf 2,4% prognostiziert, da der Preisdruck bei Dienstleistungen nur langsam nachlässt und die Nahrungsmittelpreise vorübergehend stärker steigen.
Nagel zufolge erreicht die Teuerungsrate ab dem Jahr 2026 „aber allmählich wieder 2%“. Dabei würden vor allem zwei Faktoren wirken: die vorherige geldpolitische Straffung und der abnehmende Druck der Arbeitskosten. Für die den unterliegenden Preisdruck besser zeigenden Kernrate wird ein Nachlassen von 3,3% in diesem Jahr auf 2,4% im kommenden Jahr und auf 1,9% im Jahr 2026 avisiert.
2025, so erwartet die Bundesbank, sollten die Exporte dann nach und nach von den wachsenden Absatzmärkten profitieren, wenn auch nicht mehr in dem früher üblichen Umfang. „Das Wettbewerbsumfeld bleibt aber schwierig und der Anpassungsdruck hoch“, mahnt die Bundesbank. 2026 und 2027 dürften die Exporte wieder moderate Wachstumsimpulse liefern, allerdings weniger als in früheren Erholungsphasen. Im Oktober allerdings fielen die Geschäfte der deutschen Exporteure noch mau aus. Vor allem in die sogenannten Drittstaaten, also jene außerhalb der EU, wurden deutlich weniger Waren geliefert − allen voran in die USA. In diesem Jahr verbuchten die Exporteure lediglich im dritten Quartal ein Plus, der schwache Auftakt in das Schlussquartal verheißt also nichts Gutes, auch für die Gesamtwirtschaft nicht, mahnen Ökonomen.
Handelsbilanz engt sich ein
Dem Statistischen Bundesamt (Destatis) zufolge gaben die Exporte gegenüber September kalender- und saisonbereinigt um 2,8% auf 124,6 Mrd. Euro nach. Ökonomen hatten zwar einen Rückgang erwartet, jedoch nur von 2,6%. Die Importe fielen mit 111,2 Mrd. Euro um 0,1% geringer aus als im Vormonat. Hier lagen die Prognosen bei −1,0%. Nachdem die Exporte weitaus kräftiger als die Importe nachgegeben hatten, sank der Außenhandelsüberschuss auf 13,4 Mrd. Euro nach 16,9 Mrd. Euro im Monat zuvor. Für den Jahresvergleich weisen die Statistiker bei den Ausfuhren ein Minus von 2,8% aus, während die Einfuhren um 1,7% zulegten.
Impulse fehlen
„Wachstumsimpulse aus dem Ausland bleiben aufgrund mangelnder Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich aus“, kommentiert DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier die Exportzahlen. So wurden im Monatsvergleich im Oktober 0,7% weniger Waren in die EU-Mitgliedstaaten geliefert, in den Euroraum gingen 0,7% weniger Waren und in die EU-Staaten, die nicht der Eurozone angehören, wurden 0,9% weniger Waren verschickt. Noch stärker fiel allerdings der Rückgang bei den Ausfuhren in die Drittstaaten aus. Laut Destatis gaben die Exporte in diese Länder um 5,3% nach.
Der größte Abnehmer von Waren „Made in Germany“ bleiben die USA. Allerdings fielen hier die Exporte um 14,2% auf einen Wert von 12,2 Mrd. Euro. Die Ausfuhren nach China gaben zum Vormonat um 3,8% auf 6,9 Mrd. Euro nach, die Exporte nach Großbritannien allerdings stiegen um 2,1% auf 6,5 Mrd. Euro. "Auch wenn der deutliche Exportrückgang in die USA von Großaufträgen geprägt sein dürfte, gibt das Minus einen Vorgeschmack, was im Falle von handfesten Zollstreitigkeiten mit den USA drohen könnte", betonte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank in seiner Analyse. Dass die Ausfuhren das Wachstum wohl erneut dämpfen, sei in Anbetracht des nun seit zwei Jahren schwachen Auftragseingangs nicht weiter verwunderlich. „Wenn das Ausland weniger bestellt, kann auch weniger in den Export gegeben werden.“ Gerade deshalb seien die Vorzeichen für die weitere Exportentwicklung ungünstig.
Für DIHK-Außenwirtschaftschef Treier „verblasst die Hoffnung auf ein Anspringen des Exportmotors zusehends“, da die deutsche Industrie „in einer handfesten Strukturkrise steckt“. Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbands BGA hingegen sieht ganz Deutschland in einer echten Krise - „und zwar nicht vorübergehend, sondern strukturell“. Die Exporte seien nicht wettbewerbsfähig und für Importe fehle die Nachfrage, so seine Analyse. „Wenn wir nicht bald gegensteuern, fürchte ich um immense Wohlfahrtsverluste sowie massiven Arbeitsplatzabbau in der Zukunft.“ Dabei gebe es im Außenhandel einige Ansatzpunkte, die als wahre Booster für unsere stark mittelständisch geprägte Exportwirtschaft wirken können, sagte Jandura mit Blick auf das Mercosur-Handelsabkommen.
Mangelware Investitionen
Die Auswirkungen der strukturellen Standortprobleme und der hohen Unsicherheit über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zeigen sich auch bei den deutlich gekürzten Investitionsplänen der Unternehmen. So sind die Ifo-Investitionserwartungen für das laufende Jahr im November auf minus 9,0 Punkte gefallen, nach minus 0,1 Punkten im März. Auch für 2025 werden weniger Investitionen geplant, wobei der Saldo mit minus 6,6 Punkten jedoch laut Ifo-Institut andeutet, dass der Rückgang geringer ausfällt als in diesem Jahr.
Dabei zeigt die Ifo-Umfrage, dass die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes ihre Investitionserwartungen für das laufende Jahr deutlich reduziert haben − vor allem die nicht-energieintensiven Branchen zeigten sich zurückhaltender. Besonders pessimistisch seien die Hersteller von elektrischen Ausrüstungen, aber auch die Maschinenbauer und die Firmen des Fahrzeugbaus. Im Gegensatz dazu investierte vor allem die energieintensive chemische Industrie 2024 mehr als zuletzt geplant, die Erwartungen für 2025 sind allerdings bereits wieder negativ.
Tiefpunkt beim Wohnungsbau in Sicht
Die Bundesbank erwartet, dass sich die Unternehmensinvestitionen erst „mit deutlicher Verzögerung“ erholen. Dazu müsse erst die Gesamtwirtschaft einige Quartale expandieren, die Kapazitäten wieder besser ausgelastet sein und die dämpfenden Effekte der geldpolitischen Straffung abklingen. „Sie tragen daher erst 2026 wieder leicht und 2027 etwas stärker zur BIP-Expansion bei“, heißt es in der Prognose. Die Wohnungsbauinvestitionen, die derzeit auf dem Niveau von 2013 liegen, steuern langsam ihrem Tiefpunkt entgegen und würden sich ab Mitte 2025 zögerlich erholen. Dann günstigere Finanzierungskosten und die sich verbessernde Einkommenssituationen der privaten Haushalte sowie der hohe Bedarf an energetischen Renovierungen von Bestandsimmobilien sorgen für ein höheres Tempo in den Jahren 2026 und 2027.