Schuldenbremse entzweit die Parteien
SERIE ZUR BUNDESTAGSWAHL (4): SCHULDENBREMSE
Deutsche Fiskalregel entzweit die Parteien
Hoher Investitionsbedarf – CDU/CSU, FDP und AfD halten an der Schuldenbremse fest – SPD, Grüne und BSW dringen auf Reform – Linke für Abschaffung
Von Angela Wefers, Berlin
Der Investitionsbedarf aus öffentlichen Mitteln ist hoch in den kommenden Jahren. Dreistellige Milliardenbeträge sind nötig für Infrastruktur, Klimawende und Verteidigung. Vor der Bundestagswahl sind die Parteien gepalten, wie diese Aufgaben finanziert werden sollen. Die Schuldenbremse ist umstritten.
Würde am 23. Februar nicht über den Bundestag abstimmt, sondern über die Zukunft der Schuldenbremse, wäre es weniger spannend. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zeigt ein neues Bild: Wollten im vergangen Sommer noch 55% der Befragten an der Schuldenbremse festhalten, waren es Ende Januar nur noch 42%. Eine Mehrheit unterstützt inzwischen Reformen an der Schuldenbremse. Rund 46% meinen, man sollte eine höhere Verschuldung zur Finanzierungen von Investitionen zulassen. Ein Gruppe von 9% will die Schuldenbremse komplett abschaffen. Nur noch 3% haben keine Meinung.
Priorität setzen eine Mehrheit der Deutschen laut Umfrage bei Investitionen in Bildung, Verkehr, Gesundheit, innere Sicherheit, Verteidigung und Energieinfrastruktur. Für Klima und Umweltschutz sowie soziale Sicherheit wünschen sich nur jeweils zwei Fünftel mehr Investitionen. Für Kürzungen gibt es demnach keine Mehrheiten.
Sind Einschnitte in die Staatsausgaben aber nicht mehrheitsfähig, ist es umso wichtiger, dass Fiskalregeln losgelöst von politischen Stimmungslagen wachsende öffentliche Verschuldung wirksam bremsen. Dafür steht die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Seit 2014 machten Bund, Länder und Gemeinden Überschüsse. Die gesamtstaatliche Schuldenquote war nach der Finanzkrise bis 2019 bis auf 58,7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kontinuierlich gesunken. Dieses Niveau ist trotz der Entspannung nach dem Anstieg durch die Corona-Schulden nicht wieder erreicht. Seit 2020 produziert der Gesamtstaat Finanzierungsdefizite.
Der Investitionsbedarf ist hoch. Im vergangenen Jahr investierte der Bund fast 57 Mrd. Euro und übertraf damit leicht das Vorjahresniveau. Für den Bedarf in den kommenden Jahren ist dies indes viel zu wenig, auch wenn Länder und Kommunen mitziehen. Die öffentliche Infrastruktur benötigt laut einer Studie der Forschungsinstitute IW Köln und IMK in der nächsten Dekade rund 600 Mrd. Euro. Beide Institute wollen dies aus einem Infrastrukturfonds über staatliche Kredite finanzieren, die von der Schuldenbremse freigestellt sind.
Milliardenbeträge nötig
Auch die Klimawende erfordert Milliardenbeträge. Bis 2045 rechnet die Denkfabrik Agora mit 760 Mrd. Euro. Die deutschen Ausgaben für die Landesverteidigung sind 2024 nur mithilfe des Sondervermögens Bundeswehr auf 2% des BIP gestiegen. Der Verteidigungsetat von zuletzt 53 Mrd. Euro muss auf mehr als 80 Mrd. Euro zulegen, um diese Quote aus dem Budget zu realisieren. Forderungen der neuen US-Regierung dürften auf Sicht noch höhere Quoten nötig machen – besonders wenn Europa seine eigene Verteidigungsfähigkeit erhöhen will.
Diese Lage vor Augen, positionieren sich alle Parteien zur Schuldenbremse, sind aber in zwei Lager gespalten. CDU/CSU, FDP und AfD stehen hinter der Fiskalregel. SPD, Grüne und BSW wollen die Schuldenbremse reformieren, die Linke will sie ganz abschaffen. „Wir halten an der Schuldenbremse des Grundgesetzes fest“, schreibt die Union in ihrem Wahlprogramm. Sie habe auch in Krisenzeiten Funktionsfähigkeit und Flexibilität bewiesen. „Die Schulden von heute sind die Steuererhöhungen von morgen“, warnt die CDU/CSU. Die Politik sei verpflichtet, mit den Einnahmen für die staatlichen Aufgaben auszukommen.
Die FDP steht ebenfalls hinter der Schuldenbremse. Sie einzuhalten sei „Generationengerechtigkeit“. Freiheit für künftige Generationen bedeute auch, ihnen keine Schuldenberge zu hinterlassen. „Nur so sichern wir die finanziellen Handlungsspielräume kommender Generationen“, heißt es. Privatisierungserlöse sollen in Bildung fließen.
„Bei EU-Beiträgen sparen“
Die AfD konstatiert „kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem.“ Die Partei will staatliche Ausgaben überprüfen und reduzieren. Dies betrifft Subventionen und Förderprogramme für Klimaschutz, Entwicklungshilfe, Zuwendungen an Nichtregierungsorganisationen und Beitragszahlungen Deutschlands an die EU.
Die SPD setzt auf einen 100 Mrd. Euro schweren Deutschlandfonds; gespeist aus öffentlichem und privatem Geld, um Zukunftsprojekte zu finanzieren. Vermögen und Erbschaften wollen die Sozialdemokraten stärker belasten und damit die Einnahmen erhöhen. Die Grünen planen ebenfalls eine Reform der Schuldenbremse, um einen Deutschlandfonds für Infrastruktur-, Bildung- und Klimaschutzausgaben aufzulegen. Wie die SPD planen die Grünen Steuererhöhungen: eine „globale Milliardärsteuer, eine fairere Erbschaftssteuer, eine gerechte Immobilienbesteuerung ohne Schlupflöcher oder eine nationale Vermögenssteuer“. Das BSW will Infrastrukturinvestitionen von der Schuldenbremse ausnehmen, dringt ansonsten nur auf einen „verantwortungsvollen Umgang“ mit Steuergeldern.
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