Ein Vorteil der EU gegenüber China
Auto-Mikrochips
Wettbewerbsvorteil für die EU
Von Stefan Kroneck
Der Vormarsch Chinas bei E-Autos basiert auf Mikrochips aus dem Westen. Das sorgt für eine Abhängigkeit Pekings.
Olaf Scholz auf der Bühne der Weltpolitik! Zum Staatsbesuch in China überlagern die global zunehmenden geopolitischen Spannungen die Gespräche zwischen dem Bundeskanzler und Machthaber Xi Jinping. Dass die ökonomischen Interessen beider Länder eine dominierende Stellung einnehmen, versteht sich von selbst. Die aufstrebende Großmacht aus Fernost ist Deutschlands wichtigster Handelspartner vor den USA.
Diese herausgehobene Stellung Chinas für die größte Volkswirtschaft der EU spiegelt sich im Autogeschäft wider. Für BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen ist das Reich der Mitte größter Einzelmarkt. Doch es zeigen sich Risse. Das deutsche Trio steht einer stetig wachsenden Konkurrenz chinesischer Hersteller gegenüber. Im globalen Wettbewerb um die Marktanteile von morgen schickt sich das asiatische Riesenreich an, den Westen mit Pkw aus eigener Produktion zu überschwemmen. Bei Elektroautos ist China federführend. Der weltgrößte E-Auto-Markt hat viele westliche Staaten auf den Schlüsselfeldern Batterieantriebe und Vernetzung (Software) überholt.
Die halbe Wahrheit
In der westeuropäischen Autobranche wächst die Furcht, dass dieser Vorsprung Chinas nicht mehr einzuholen ist. So warnt in einem Brandbrief Renault-Chef Luca de Meo, in seiner Doppelrolle als Präsident des Herstellerverbands Acea, vor den Folgen einer verfehlten Industriepolitik der EU in Bezug auf die Elektromobilität: Während China konsequent plane, bremse sich die Gemeinschaft in einer Regulierungswut selbst aus.
Die Kritik ist zwar nachvollziehbar. Die dargestellte Lage ist aber nur die halbe Wahrheit. Unstrittig ist, dass China in Bezug auf E-Autos auf dem Vormarsch ist. Diese Herausforderung sollte Westeuropa annehmen, schließlich sind BMW & Co. erfahren genug, um damit fertigzuwerden. Man erinnere sich an die Welle von japanischen Autoimporten in den 1980er Jahren. Geschadet hat es der deutschen Autoindustrie auf lange Sicht nicht. Im Gegenteil: Es hat dazu beigetragen, die etablierten Anbieter zu stärken. Ähnlich verhält es sich mit China. Die Abhängigkeit des Westens vom Reich der Mitte ist nicht so einseitig, wie es auf den ersten Blick scheint. Bei genauer Betrachtung stellt sich heraus, dass der Erfolg chinesischer Adressen ohne den Westen nicht möglich wäre.
Schwachpunkt Chinas
Das zeigt sich bei Leistungshalbleitern für E-Autos. Auf diesem Gebiet ist die EU im Vorteil. Chiphersteller aus Europa (Infineon, NXP, STMicro), aus den USA (Texas Instruments, Microchip) und Japan (Renesas, Toshiba) dominieren. Diese sieben Konzerne teilen den großen Kuchen im Segment der Automotive-Mikrocontroller unter sich auf, wobei die drei europäischen Adressen zusammen über 60% des Marktes beherrschen. China spielt auf diesem Gebiet keine Rolle. Automotive-Mikrocontroller werden in E-Antrieben und in der Sensorik eingesetzt. Das heißt, ohne diese Produkte läuft bei BYD & Co. gar nichts.
Angesichts dieser Schwäche dringt Peking darauf, dass BYD & Co. Chips aus heimischer Fertigung einsetzen. Das ist Wunschdenken. Die Abhängigkeit Chinas ist auf diesem Gebiet zu groß, als dass sich auf absehbare Zeit daran etwas tiefgreifend ändern würde. Die Dominanz von Infineon & Co. ist stark, der technologische Rückstand Chinas umfangreich. Peking kann diese Lücke nicht aus eigener Kraft schließen.
Gegenseitige Abhängigkeit
Um aufzuholen, könnten die Chinesen versucht sein, diese Bauelemente zu kopieren. Industriespionage birgt Konfliktpotenzial, je mehr etablierte Halbleiterhersteller gezwungen wären, zur Sicherung ihres geistigen Eigentums juristisch vorzugehen. Wohin die Reise geht, zeigt Infineon. Das Dax-Mitglied verklagte im März in den USA den chinesischen Chipfertiger Innoscience wegen mutmaßlicher Patentverstöße.
Umfangreiche Rechtsstreitigkeiten könnten Handelskonflikte anheizen. Die gegenseitige Abhängigkeit in einer globalisierten Welt zwingt aber zur Mäßigung. Gespräche zwischen Washington, Brüssel, Tokio und Peking sind immer von Nutzen, um eine Eskalation abzuwenden.