Heftige Bewegung in Italiens Bankenlandschaft
Italiens starke Banken wollen in Europa vorne mitspielen
Experten sehen die mögliche nationale Konsolidierung als Vorstufe für
grenzüberschreitende Vorhaben. Die Commerzbank wäre ein möglicher Türöffner
Von Gerhard Bläske, Mailand
Italiens Bankensektor erlebt eine in Europa beispiellose Übernahmewelle. Ohne den Einstieg von Unicredit bei der Commerzbank, der wohl auf eine Übernahme abzielt, gibt es sieben weitere Vorhaben. Nur eines davon - Banca Generali-Intermonte - ist quasi abgeschlossen.
Die Angebote werden von den „Übernahmeopfern“ abgelehnt. Die Erfolgsaussichten sind deshalb ungewiss. Unicredit hat nun einen möglichen Rückzug bei der BPM angedeutet. Nach der Aufstockung der BPM-Offerte für den Vermögensverwalter Anima bzw. der Mitteilung, eine Übernahme womöglich auch ohne die Anwendung der vorteilhaften Eigenkapitalregeln des „Danish Compromise“ durchzuführen, würden womöglich die strengen Rentabilitätskriterien der Unicredit nicht mehr erfüllt. Die BPM-Aktionäre müssen dem aber noch zustimmen. BPM-CEO Giuseppe Castagna sieht in dem Vorstoß der Unicredit eine unzulässige Einmischung.
Rekordgewinne
Nach der Finanz- und Schuldenkrise hatten die strengeren Solvabilitäts- und Liquiditätsstandards und der Einheitliche Aufsichtsmechanismus der Europäischen Zentralbank viele der damals schwachen italienischen Institute geradezu zu Zusammenschlüssen gezwungen. Italiens Regierung half damals mit entsprechenden Regelungen nach. Viele Volksbanken und Sparkassen verschwanden. Die Genossenschaftsbanken schlossen sich zu drei großen Einheiten zusammen. Institute wie Intesa Sanpaolo, BPM und BPER konnten sich mit großzügigen staatlichen Hilfen Institute einverleiben. Damals ächzten viele Banken des Landes unter einem Berg von faulen Krediten und hatten mit Prozessrisiken zu kämpfen.
Heute sind die Gründe für mögliche Zusammenschlüsse ganz anderer Natur. Die sieben größten Institute des Landes vermeldeten für 2024 kumulierte Gewinne von 31,4 Mrd. Euro – 10% mehr als 2023. Sie haben ihre Kosten im Griff und ihre Kreditrisikovorsorge gegenüber 2021 um 42% zurückgeführt. Die Zinsüberschüsse sind noch einmal gestiegen. Die Provisionsergebnisse sind deutlich gewachsen. Und die Institute profitieren von ihrer Diversifizierung ins Wealth Management und in die Bankassurance.
Überschüttet
Aktionäre werden geradezu überschüttet mit Ausschüttungen – in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen. Die Börsenkurse explodieren. Allein Unicredit verfügt über ein Überschusskapital von 12 Mrd. Euro. Es wird nach Anlagemöglichkeiten gesucht wird – und dazu gehören auch Übernahmen: „Die italienischen Banken sind im Durchschnitt kleiner als die Institute vieler anderer Länder. Sie wollen effizienter werden und suchen Skaleneffekte. Wenn die laufenden Übernahmeangebote erfolgreich sein sollten, entstünden größere Banken, die wettbewerbsfähigere Produkte und Dienstleistungen anbieten können“, sagt Domenico Lombardi, Professor an der römischen Universität Luiss und Direktor des Luiss Policy Observatory. Stefano Caselli, Dekan der renommierten Mailänder SDA Bocconi School of Management, weist darauf hin, dass die Banken kapitalstark sind. "Es brauchte einen Auslöser, um eine Übernahmewelle auszulösen und das war Unicredit“, sagt Stefano Caselli. Die Mailänder HVB-Mutter stieg nicht nur bei der Commerzbank ein. Sie will auch die BPM übernehmen und erwarb einen Anteil von 5% an der Versicherung Generali.
Italiens Banken wollen ihre Positionen im wirtschaftsstarken Norden ausbauen. Das gilt etwa für die geplante Übernahme der Volksbank von Sondrio durch die BPER, aber auch die Offerte von Unicredit für BPM. Ein zweiter Grund ist die Diversifizierung. Monte dei Paschi will durch eine Akquisition der Investmentbank Mediobanca ins Wealth Management und das Investmentbanking expandieren, zielt aber wohl auch auf die Generali, deren größter Aktionär die Mediobanca ist. BPM will mit dem Anima-Übernahme ebenfalls die Vermögensverwaltung ausbauen.
Regierung mischt mit
Schwierig wird es, weil die Regierung mitmischt: Rom will die Beteiligung an der Monte dei Paschi verkaufen und um sie herum eine dritte große italienische Finanzgruppe schaffen - mit der Mediobanca und der Versicherung Generali. Die Regierung kann über die Golden-Power-Regelung nicht genehme Konstellationen verhindern. Das geplante Joint Venture zwischen der Generali und der französischen Natixis im Bereich Vermögensverwaltung wird sehr kritisch gesehen. Rom fürchtet, dass das Sparvermögen der Italiener und Italiens Bonds bei der Generali in ausländische Hände geraten.
Caselli findet, der Markt solle entscheiden. Eine Konsolidierung sei sinnvoll: „Italien braucht einen gut organisierten Bankensektor mit einer großen Investmentbank, einem großen Versicherer und einer großen internationalen Bank sowie großen Instituten auf nationaler Ebene.“ Er sieht auch Risiken. Bei einer Übernahme der Mediobanca durch die Monte dei Paschi dürfe die Marke Mediobanca „nicht gefährdet werden“.
Für Crédit Mutuel Asset Management ist eine Konsolidierung auf nationaler Ebene einfacher als auf internationaler Ebene. Dass CEO Andrea Orcel gleich zwei Banken ins Visier genommen hat, hält Jérémie Boudinet, Head of Financials & Subordinated Debt, für „fast unrealistisch – wenn nicht sogar für ein Zeichen von übertriebener Hybris des Bankenchefs, der den Aktionären unbedingt eine neue Story bieten will, während der erwartete Rückgang der europäischen Zinssätze die Nettozinsmargen der Banken zu beeinträchtigen droht.“
Türöffner für weitere Projekte
Noch ist unklar, welche Angebote letztlich erfolgreich sind. Lombardi glaubt, dass die nach nationalen Übernahmen größeren italienischen Institute in einem nächsten Schritt „grenzüberschreitende Operationen“ tätigen werden. „Andere Institute, darunter vielleicht auch Intesa Sanapaolo warten ab, ob Unicredit die Commerzbank übernehmen kann. Wenn das klappt, dann wäre das der Türöffner für weitere Projekte dieser Art nicht nur in Italien, sondern in der ganzen Eurozone.“ Für Caselli hat Italiens größte Bank „die Dimensionen, die Zahlen und die Kapazität für eine große Übernahme im Banken- oder Versicherungssektor.“