LeitartikelAbwehrschlacht gegen Unicredit

Die Mär von der Mittelstands-Commerzbank

Im Abwehrkampf gegen die HVB-Mutter Unicredit pocht die Commerzbank auf ihre Rolle als Mittelstandsbank. Das Argument kommt gut an – ist jedoch statistisch widerlegt.

Die Mär von der Mittelstands-Commerzbank

Commerzbank

Die Mär von der Mittelstandsbank

Von Stefan Kroneck

Die Behauptung der Commerzbank im Abwehrkampf gegen Unicredit, sie sei die Mittelstandsbank in Deutschland, ist widerlegt.

In der Politik wie in der Wirtschaft gehört es zum Handwerk, die öffentliche Meinung mit punktuellen Übertreibungen zu beeinflussen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Die sich in einer Abwehrschlacht gegen die Avancen von Unicredit befindliche Commerzbank ist solch ein Fall. Die Frankfurter Großbank behauptet, die Mittelstandsbank der deutschen Wirtschaft zu sein. Damit suggeriert sie, für die größte EU-Volkswirtschaft über eine aus nationalen Standortgründen schützenswerte Unabhängigkeit zu verfügen, die es gegen Angriffe von außen zu verteidigen gelte.

Mit dieser Lesart ist sie erfolgreich. Manche Medien nehmen dies für bare Münze, obwohl dies einer genaueren Prüfung nicht standhält. Bei dem Mantra der „Gelben“ schwingt der Ruf nach Vater Staat als ordnungspolitische Kraft mit. Von seinem einstigen 20-Prozent-Anteil an der Bank sind nach Beteiligungsverkäufen 12% übriggeblieben. Berlin lässt sich dennoch von der Commerzbank einspannen, dem als „feindlich“ aufgefassten Übernahmeversuch der italienischen Großbank entgegenzustehen.

Nicht wettbewerbsverzerrend

Fakt ist aber, dass es sich bei der Aussage, die Commerzbank sei die Mittelstandsbank der Deutschen, um eine Mär handelt. Der Deutschen Bundesbank zufolge haben die Großbanken einen Marktanteil von nur 11% am gesamten inländischen Firmenkreditbestand, welcher im vorigen Jahr 1,9 Bill. Euro umfasste. Zu den hiesigen Großbanken zählt die Bundesbank die Deutsche Bank (inklusive Postbank), die Commerzbank und die Unicredit-Tochter HypoVereinsbank (HVB). Das Firmenkundengeschäft dominieren die Sparkassen (Marktanteil von 30%), die mit ihnen verbundenen Landesbanken (10%), die Genossenschaftsbanken (21%) und die überwiegend privatwirtschaftlich organisierten Kreditbanken (27%).

Legt man die Annahme zugrunde, dass die Deutsche Bank über einen Anteil von 5% verfügt, so wäre ein Zusammenschluss beider Institute zu einem Gebilde, welches addiert auf bis zu 6% käme, keine Gefahr für den Wettbewerb. Wettbewerbsverzerrend wäre eine Fusion aus makroökonomischer Sicht nicht. Deshalb dürften bei der EZB auch keine Alarmglocken schrillen, sollte die Unicredit fast 20 Jahre nach dem Erwerb der HVB nun auch die Commerzbank schlucken.

Herausforderung für die Deutsche Bank

Trotz des mit einer Fusion einhergehenden größeren Klumpenrisikos für die Banken- sowie für die Haftungsunion dürfte die Zielstrebigkeit von Unicredit-CEO Andrea Orcel auf Wohlwollen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde stoßen. Schließlich ist die Notenbank, die zugleich in ihrem Beritt die Großbanken beaufsichtigt, für größere, grenzüberschreitende Krediteinheiten innerhalb der Gemeinschaft. Die Konsolidierung des Bankgewerbes in der Eurozone beschränkt sich bisher vorwiegend auf die nationale Ebene.

Aus mikroökonomischer Sicht gefährdet der Vorstoß von Unicredit die Position der größten deutschen Geschäftsbank. Die Deutsche Bank macht bislang aber keine Anstalten, als Weißer Ritter ins Feld zu ziehen.

Unicredit im Umbau geschickter

Somit ist die neue Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp bei der Verteidigung ihres Hauses auf eine Mischung aus Taktieren und Diplomatie angewiesen, um Orcel auf Abstand zu halten, der 21% des Commerzbank-Grundkapitals hinter sich weiß. Der Italiener hat in diesem Poker die besseren Karten. So ist Unicredit im Firmenkundengeschäft deutlich profitabler unterwegs als die Commerzbank. Die weite Schere in Bezug auf die Kosten-Ertrags-Relation zugunsten der Mailänder spricht für sich. Orcel ist gelungen, woran die „Gelben“ und die „Blauen“ zuvor gescheitert sind. Nämlich die erfolgreiche Zusammenlegung von Firmenkundenaktivitäten und Investment Banking unter einem Bereichsdach.

Die Lombarden gingen geschickter vor als die beiden Frankfurter Banken. Das sollte so manchem Manager in der Mainmetropole zu denken geben. Denn für professionelle Investoren zählt in erster Linie, wer mit seinem Expansionskonzept über mehr Überzeugungskraft verfügt. Auf diesem Gebiet hat Orcel einen klaren Vorsprung.