Makro-Hedgefonds navigieren sicher durch raue See
Während geopolitische Stürme toben und konjunkturelle Einbrüche hohe Wellen an den Finanzmärkten schlagen, steuern Makro-Hedgefonds im bisherigen Jahresverlauf sicher durch die raue See. US-Firmen wie Bridgewater und Brevan Howard, die mit ihren Vehikeln volkswirtschaftliche Umwälzungen und ihre Auswirkungen auf die Zinsentwicklung sowie Devisen-, Rohstoff- und Aktienmärkte zu antizipieren suchen, haben seit Anfang Januar zweistellige Gewinne verzeichnet. Damit stechen sie auch innerhalb ihrer Anlageklasse hervor: Hat ein Index des Analysedienstleisters Hedge Fund Research, der die Entwicklung des globalen Hedgefondsmarkts abbildet, über 4% an Wert verloren, liegt das Sub-Barometer für Makro-Vehikel mit mehr als 5% im Plus. In den Vorjahren hatte es gegenüber dem breiten Markt und spezialisierten Aktien-Hedge-Strategien, die von der lange Zeit hohen Liquiditätszufuhr an den Börsen profitierten, noch eine deutliche Underperformance hingelegt.
Geringe Korrelation
„Im Makro- und Rohstoffbereich sollten sich weiterhin überdurchschnittliche Gelegenheiten ergeben“, kommentieren die Investmentstrategen der Schweizer Privatbank Union Bancaire Privée (UBP). Die Strategien korrelierten üblicherweise nur schwach zu traditionellen Assets und eigneten sich daher in Zeiten großvolumiger Abverkäufe an den breiten Finanzmärkten zur Diversifikation. Begünstigt würden sie neben der Unruhe unter Aktieninvestoren auch durch steigende Zinsen am kurzen Ende der Kurve und eine an ökonomischen Fundamentaldaten orientierte Zentralbankpolitik.
Tatsächlich ist die Trendwende innerhalb des Hedgefondssegments im laufenden Jahr wohl maßgeblich auf die restriktivere Geldpolitik der Federal Reserve in Reaktion auf die hohe Inflation und die zugleich weniger energischen Strategien anderer führender Notenbanken zurückzuführen. In dem vorherigen jahrelangen Umfeld koordinierter monetärer Lockerungen kletterten die Aktienkurse zwar auf Rekordniveaus, die Volatilität fiel im historischen Vergleich aber niedrig aus. Dagegen hat die aggressive Straffung der Fed im Zusammenspiel mit einem zunehmend eingetrübten Konjunkturumfeld für starke Kursschwankungen nicht nur am Devisenmarkt, sondern auch im Staatsanleihesegment gesorgt.
Der ICE BofA Move Index, der die Volatilität des Treasury-Marktes nachbildet, erreichte zuletzt wie der Financial Stress Index den höchsten Wert seit dem Corona-Crash. Das Resultat ist ein Teufelskreis: Investoren nehmen vor der Volatilität Reißaus, und eine geringere Präsenz liquider Marktteilnehmer bedingt weitere heftige Schwankungen. In diesem Umfeld ergeben sich gerade für Makro-Hedgefonds Chancen. Diese versuchen auch sogenannte Levered Funds zu nutzen, die für ihre Investoren mit geliehenen Mitteln in mehrere Hedgefonds zugleich investieren. Dem Informationsdienstleister Bloomberg Intelligence zufolge sind die Netto-Short-Positionen dieser Vehikel in Futures auf US-Staatsanleihen mit sehr langer Laufzeit Ende September auf Rekordniveaus gestiegen.
Unterdessen gingen Firmen wie Bridgewater, Brevan Howard oder Key Square Capital Management laut hochrangigen Investmentstrategen frühzeitig davon aus, dass die hohe Inflation kein vorübergehendes Phänomen darstelle. Entsprechend erfolgreich waren sie mit Wetten auf eine Aufwertung des Dollar gegenüber dem Euro, dem Yen, dem chinesischen Yuan oder dem Pfund. So sackte die britische Valuta gegenüber dem Greenback Ende September auf ein Rekordtief ab, nachdem Steuersenkungspläne der Regierung in London bei Investoren Sorgen vor einer ausufernden Staatsverschuldung geweckt hatten.
Bridgewater beispielsweise positionierte sich zudem bearish in Bezug auf die Aktienmärkte und bullish in Bezug auf Rohstoffe. In der Folge profitierte die Hedgefondsfirma von den zwischenzeitlichen gewaltigen Rallys der Öl- und Erdgaspreise, die durch eine strukturelle Angebotsknappheit ausgelöst und durch den russischen Angriff auf die Ukraine zusätzlich beschleunigt wurden.
Rohstoffstrategien legen zu
Davon profitieren auch rein rohstofffokussierte Hedgefonds. Das Flaggschiffvehikel der texanischen Firma E360 Power, das über Futures und Optionen an den Strom-, Erdgas- und Emissionsmärkten partizipiert, legte zwischen Jahresbeginn und Ende September beispielsweise um 125% zu. Die Strategen von UBP sahen bereits Ende des vergangenen Jahres einen Wendepunkt für Rohstoff-Hedgefonds gekommen, nachdem die Strategien über das vorherige Jahrzehnt negative annualisierte Returns eingebracht hatten.
Dabei habe ein zu starkes Gedränge im Segment geherrscht: Zeitweise hätten sich darin über 140 Makro-Hedgefonds getummelt, während auch die Aktivität bei Exchange Traded Funds gestiegen sei und Investmentbanken große spekulative Positionen aufgebaut hätten. Angesichts der jahrelang schwachen Performance hätten sich jedoch viele Hedgefonds wieder von Rohstoffstrategien verabschiedet – die verbleibenden Manager träfen folglich auf weniger Konkurrenz und könnten ein höheres Alpha generieren.
Trotz des für sie günstigen Marktumfelds haben Firmen mit Makro-Strategien im laufenden Jahr aber auch unter der allgemein abnehmenden Risikobereitschaft an den Finanzmärkten gelitten. Schließlich machen steigende Zinsen Anlagen mit hohem Leverage unattraktiver, wie die Analysten von Bloomberg Intelligence betonen.
Großvolumige Abflüsse
Im zweiten Quartal flossen laut dem Informationsdienstleister per saldo 27,5 Mrd. Dollar ab, womit die zwischen Januar und März erzielten Netto-Zuflüsse von 19,8 Mrd. Dollar bereits wieder ausradiert worden seien. Der bei weitem größte Teil der Abflüsse sei dabei auf Aktien-Hedge-Strategien entfallen, doch auch Makro-Vehikel mussten gemäß den Berechnungen der Analysten negative Mittelströme von 2,9 Mrd. Dollar verkraften und damit mehr als sogenannte Event-Driven-Fonds, die bedeutende Unternehmensereignisse zu antizipieren suchen.
Zudem seien zwischen April und Juni erstmals seit dem Schlussquartal 2016 mehr Hedgefondsmandate gekündigt als neu erteilt worden. Insgesamt sei es im bisherigen Jahresverlauf bereits zu mehr Kündigungen gekommen als im gesamten Vorjahr. Damit habe sich der Ausblick für die Gebühreneinnahmen und Erlöse der Gesamtindustrie erheblich eingetrübt. Wenngleich sich die negative Entwicklung bei den Mandaten im dritten Quartal wieder umgekehrt habe, sei für mittelgroße Hedgefonds weiterhin mit Mittelabflüssen zu rechnen. Große Firmen könnten in diesem Umfeld unterdessen die intakte Strahlkraft ihrer Marken nutzen, um Marktanteile zu gewinnen – viele der schwersten Vehikel verfolgen Makro-Strategien.
Allerdings bestehen innerhalb des Segments durchaus bedeutende Unterschiede. Insbesondere Makro-Hedgefonds mit Schwellenländerfokus mussten laut UBP im laufenden Jahr bereits schwere Tests durchmachen. Zwar hätten sie russische Assets niedrig allokiert, allerdings Long-Positionen bei ukrainischen Staatsanleihen gehalten, deren Kurse nach dem russischen Überfall auf die Ukraine zeitweise deutlich unter Druck gerieten. Andererseits sind auf Schwellenländer fokussierte Vehikel häufig in guter Position, um von steigenden Notierungen an den Rohstoffmärkten und insbesondere bei Metallen sowie Seltenen Erden zu profitieren. Deren steigende Bedeutung für die Energiewende dürfte laut Analysten aber auch breiter ausgerichteten Makro-Strategien steigende Returns bescheren.
Guru verabschiedet sich
Künftig muss die Hedgefondsindustrie indes ohne einen ihrer größten Makro-Gurus auskommen. So verkündete der Marktführer Bridgewater Anfang Oktober, dass sich Gründer und Investmentchef Ray Dalio nach einer langen Nachfolgersuche aus dem operativen Geschäft zurückziehe. Der 73-Jährige rief die Investmentfirma 1975 in seiner New Yorker Wohnung ins Leben, heute verwaltet sie über 150 Mrd. Dollar an Kundengeldern.
Der Führungswechsel, so berichten es Insider, sei besonders durch die beruhigend starke Performance von Bridgewater im laufenden Jahr ermöglicht worden. Der Flaggschifffonds des Hauses, der Pure Alpha, zog in der Anteilsklasse mit höherer Volatilität zwischen Anfang Januar und Ende September nach Gebühren um fast 35% an. In der Folge steuert Bridgewater durch die raue See auf ihr bestes Jahr seit 2010 zu.
Von Alex Wehnert, Frankfurt